Umwelt Nr. 10 / 2001
WEITERER WICHTIGER SCHRITT ZUM AUSSTIEG AUS DER ATOMENERGIE
von Bundesumweltminister Jürgen Trittin
Am 5. September 2001 hat das Bundeskabinett den von mir vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität beschlossen. Mit der Novelle des Atomgesetzes wird der Atomausstieg in Deutschland als eine zentrale Säule der Energiewende nunmehr auch rechtlich verankert. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt insbesondere die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000 um, die am 11. Juni diesen Jahres unterschrieben wurde.

Die wichtigsten Regelungen

Die weitere Nutzung der Atomenergie zur gewerblichen Stromerzeugung soll auf Grund der mit ihr verbundenen Risiken - trotz des international gesehen hohen Sicherheitsniveaus der deutschen Anlagen - nur noch für einen begrenzten Zeitraum hingenommen werden. Auch wenn gemäß dem deutschen Atomgesetz nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Vorsorge gegen mögliche Schäden durch den Betrieb der Anlagen getroffen ist, lässt sich die Möglichkeit von Unfällen mit großen Freisetzungen radioaktiver Stoffe nicht völlig ausschließen. Nach der Kaikar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1978 obliegt dem Gesetzgeber die normative Grundsatzentscheidung für oder gegen die Nutzung der Atomenergie. Mit diesem Gesetzentwurf werden auf der Grundlage der seit Beginn der Nutzung der Atomenergie weltweit gewonnenen Erkenntnisse die Risiken der Atomenergie neu bewertet. An der Grundsatzentscheidung des Atomgesetzes aus dem Jahre 1959 zu Gunsten der Atomenergie wird deshalb nicht mehr festgehalten. Lediglich die Forschung auf dem Gebiet der Kerntechnik, insbesondere der Sicherheit, bleibt frei.

SCHUTZ DER NATÜRLICHEN LEBENSGRUNDLAGEN MUSS DAUERHAFT GEWÄHRLEISTET WERDEN

Die Bundesregierung hält den Atomausstieg für erforderlich, um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Gesundheit der Bevölkerung dauerhaft zu gewährleisten. In der Vereinbarung vom 14. Juni 2000 haben die Energieversorgungsunternehmen deutlich gemacht, dass sie trotz der nach wie vor unterschiedlichen Auffassungen über die Nutzung der Atomenergie die Grundsatzentscheidung der Bundesregierung respektieren.

DER ATOMAUSSTIEG IST EIN WELTWEITES SIGNAL

Zu den Kernpunkten der Novelle gehört die Befristung der Regellaufzeit der Atomkraftwerke auf 32 Jahre seit Inbetriebnahme. Während in anderen Ländern die Laufzeiten der Atomkraftwerke auf 60 Jahre ausgedehnt werden sollen, wird bei uns die Atomenergie bei Zugrundelegung der Regellaufzeit bis etwa 2020 abgewickelt sein. Kein anderes Land steigt so schnell aus wie die Bundesrepublik: Im Durchschnitt laufen die deutschen Atomkraftwerke noch zwölf Jahre - und zwar mit mehr Sicherheit, denn erstmalig wird im Atomgesetz eine periodische Sicherheitsüberprüfung vorgeschrieben. Für jedes einzelne Atomkraftwerk legt das Gesetz eine Reststrommenge fest, die noch produziert werden darf. Allerdings können die Strommengen älterer Atomkraftwerke auf jüngere Anlagen übertragen werden. Im Vorgriff auf diese gesetzliche Regelung hatte das Unternehmen E.ON angekündigt, das AKW Stade bereits 2003, also noch vor Erreichung der Reststrommenge, vom Netz zu nehmen.

GERECHTERE VERTEILUNG DER ENTSORGUNGSLASTEN

Die Entsorgungslasten zwischen den Bundesländern werden gerechter verteilt und die zentralen Zwischenlagerstandorte Gorleben und Ahaus erheblich entlastet. Das Zwischenlager Gorleben wird um 70 Prozent des Atommülls, dessen Lagerung bereits genehmigt ist, entlastet; Ahaus um gut 80 Prozent. Die AKW-Betreiber werden nämlich verpflichtet, Zwischenlager an den Kernkraftstandorten zu errichten und die abgebrannten Brennelemente dort bis zum Abtransport in ein Endlager aufzubewahren.

ATOMTRANSPORTE WERDEN DRASTISCH REDUZIERT

Mit der Einrichtung der standortnahen Zwischenlager und dem Verbot von Transporten in die Wiederaufarbeitung ab dem l. Juli 2005 wird die Zahl der Atomtransporte um ca. zwei Drittel reduziert. Es wird zu einer faktischen Beschränkung der Atomtransporte auf die Rückführung deutschen Atommülls aus der Wiederaufarbeitung kommen. Zur Rücknahme des im Ausland lagernden Atommülls ist die Bundesrepublik verpflichtet. Dies ist ein Teil der Erblast der deutschen Atompolitik. Zur Bewältigung dieser Erblast müssen wir in den nächsten Jahren eine nationale Lösung in der Endlagerfrage finden. So schwierig es wird: Die Bundesrepublik muss den Müll, den die deutsche Atompolitik produziert hat, selbst entsorgen.


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