Umwelt Nr. 10 / 2001
WEITERER WICHTIGER SCHRITT
ZUM AUSSTIEG AUS DER ATOMENERGIE
von Bundesumweltminister
Jürgen Trittin
Am 5. September 2001 hat das Bundeskabinett den von mir vorgelegten Entwurf
eines Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen
Erzeugung von Elektrizität beschlossen. Mit der Novelle des Atomgesetzes
wird der Atomausstieg in Deutschland als eine zentrale Säule der Energiewende
nunmehr auch rechtlich verankert. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt insbesondere
die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen
vom 14. Juni 2000 um, die am 11. Juni diesen Jahres unterschrieben wurde.
Die wichtigsten Regelungen
-
Zweck des Atomgesetzes ist nicht länger die Förderung der Atomenergie,
sondern ihre geordnete Beendigung und bis zum Zeitpunkt der Beendigung
die Sicherstellung des geordneten Betriebs.
-
Errichtungs- und Betriebsgenehmigungen für neue Atomkraftwerke sind
verboten.
-
Die bisher unbefristeten Betriebserlaubnisse für bestehende Atomkraftwerke
werden auf eine Regellaufzeit von 32 Jahren nach Inbetriebnahme verkürzt,
wobei die Übertragung von Reststrommengen von älteren Atomkraftwerken
auf jüngere Anlagen möglich ist.
-
Für die Restlaufzeit von heute durchschnittlich noch zwölf Jahren
gilt erstmalig eine gesetzliche Pflicht zur periodischen Sicherheitsüberprüfung
der Atomkraftwerke.
-
Die Deckungsvorsorge für Atomkraftwerke wird auf 2,5 Milliarden Euro
verzehnfacht.
-
Transporte in die Wiederaufarbeitung sind ab dem l. Juli 2005 verboten;
die Entsorgung wird ab diesem Zeitpunkt auf die direkte Endlagerung beschränkt.
-
Es gilt die Pflicht zur Zwischenlagerung an den Kraftwerksstandorten, um
Transporte zu vermindern und die zentralen Zwischenlager in Gorleben und
Ahaus zu entlasten.
-
Die umstrittenen Regelungen der Atomgesetznovelle vom 6. April 1998 werden
aufgehoben.
Die weitere Nutzung der Atomenergie zur gewerblichen Stromerzeugung soll
auf Grund der mit ihr verbundenen Risiken - trotz des international gesehen
hohen Sicherheitsniveaus der deutschen Anlagen - nur noch für einen
begrenzten Zeitraum hingenommen werden. Auch wenn gemäß dem
deutschen Atomgesetz nach dem Stand von Wissenschaft und Technik Vorsorge
gegen mögliche Schäden durch den Betrieb der Anlagen getroffen
ist, lässt sich die Möglichkeit von Unfällen mit großen
Freisetzungen radioaktiver Stoffe nicht völlig ausschließen.
Nach der Kaikar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre
1978 obliegt dem Gesetzgeber die normative Grundsatzentscheidung für
oder gegen die Nutzung der Atomenergie. Mit diesem Gesetzentwurf werden
auf der Grundlage der seit Beginn der Nutzung der Atomenergie weltweit
gewonnenen Erkenntnisse die Risiken der Atomenergie neu bewertet. An der
Grundsatzentscheidung des Atomgesetzes aus dem Jahre 1959 zu Gunsten der
Atomenergie wird deshalb nicht mehr festgehalten. Lediglich die Forschung
auf dem Gebiet der Kerntechnik, insbesondere der Sicherheit, bleibt frei.
SCHUTZ DER NATÜRLICHEN LEBENSGRUNDLAGEN MUSS DAUERHAFT GEWÄHRLEISTET
WERDEN
Die Bundesregierung hält den Atomausstieg für erforderlich, um
den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Gesundheit der
Bevölkerung dauerhaft zu gewährleisten. In der Vereinbarung vom
14. Juni 2000 haben die Energieversorgungsunternehmen deutlich gemacht,
dass sie trotz der nach wie vor unterschiedlichen Auffassungen über
die Nutzung der Atomenergie die Grundsatzentscheidung der Bundesregierung
respektieren.
DER ATOMAUSSTIEG IST EIN WELTWEITES SIGNAL
Zu den Kernpunkten der Novelle gehört die Befristung der Regellaufzeit
der Atomkraftwerke auf 32 Jahre seit Inbetriebnahme. Während in anderen
Ländern die Laufzeiten der Atomkraftwerke auf 60 Jahre ausgedehnt
werden sollen, wird bei uns die Atomenergie bei Zugrundelegung der Regellaufzeit
bis etwa 2020 abgewickelt sein. Kein anderes Land steigt so schnell aus
wie die Bundesrepublik: Im Durchschnitt laufen die deutschen Atomkraftwerke
noch zwölf Jahre - und zwar mit mehr Sicherheit, denn erstmalig wird
im Atomgesetz eine periodische Sicherheitsüberprüfung vorgeschrieben.
Für jedes einzelne Atomkraftwerk legt das Gesetz eine Reststrommenge
fest, die noch produziert werden darf. Allerdings können die Strommengen
älterer Atomkraftwerke auf jüngere Anlagen übertragen werden.
Im Vorgriff auf diese gesetzliche Regelung hatte das Unternehmen E.ON angekündigt,
das AKW Stade bereits 2003, also noch vor Erreichung der Reststrommenge,
vom Netz zu nehmen.
GERECHTERE VERTEILUNG DER ENTSORGUNGSLASTEN
Die Entsorgungslasten zwischen den Bundesländern werden gerechter
verteilt und die zentralen Zwischenlagerstandorte Gorleben und Ahaus erheblich
entlastet. Das Zwischenlager Gorleben wird um 70 Prozent des Atommülls,
dessen Lagerung bereits genehmigt ist, entlastet; Ahaus um gut 80 Prozent.
Die AKW-Betreiber werden nämlich verpflichtet, Zwischenlager an den
Kernkraftstandorten zu errichten und die abgebrannten Brennelemente dort
bis zum Abtransport in ein Endlager aufzubewahren.
ATOMTRANSPORTE WERDEN DRASTISCH REDUZIERT
Mit der Einrichtung der standortnahen Zwischenlager und dem Verbot von
Transporten in die Wiederaufarbeitung ab dem l. Juli 2005 wird die Zahl
der Atomtransporte um ca. zwei Drittel reduziert. Es wird zu einer faktischen
Beschränkung der Atomtransporte auf die Rückführung deutschen
Atommülls aus der Wiederaufarbeitung kommen. Zur Rücknahme des
im Ausland lagernden Atommülls ist die Bundesrepublik verpflichtet.
Dies ist ein Teil der Erblast der deutschen Atompolitik. Zur Bewältigung
dieser Erblast müssen wir in den nächsten Jahren eine nationale
Lösung in der Endlagerfrage finden. So schwierig es wird: Die Bundesrepublik
muss den Müll, den die deutsche Atompolitik produziert hat, selbst
entsorgen.
Zurück zum ÖkoBüro Hanau
Zurück zur Nuklear