Liberalisierung des Strommarktes
von Michaele
Hustedt MdB
Ja zum Wettbewerb
Die Monopolwirtschaft durch die Marktwirtschaft
zu ersetzen, ist der größte Umbruch in der Geschichte der Energiewirtschaft
seit Bestehen der Bundesrepublik. Für Ostdeutschland ist es der zweite
große Einschnitt bei der Umstrukturierung der Energiewirtschaft.
Nach 40 Jahren Monopolwirtschaft wird nun bald für alle die freie
Wahl des Stromlieferanten möglich sein. Diese Entwicklung kann und
soll nicht mehr aufgehalten werden. Die Monopolwirtschaft war ineffizient,
innovations- und umweltfeindlich. Jahrzehntelang mussten die Bürger
und Bürgerinnen überhöhte Preise bezahlen. Mit den ungerechtfertigt
hohen Gewinnen eroberten die Stromkonzerne andere Wirtschaftszweige, etwa
in der Abfallwirtschaft und im Telekommunikationsbereich. Der Übergang
zur Marktwirtschaft ist deshalb richtig und wurde und wird von Bündnis
90/Die Grünen begrüßt und gefördert.
Worum es uns geht
Bündnis 90/Die Grünen geht es im
kommenden Markt nicht nur um niedrige Strompreise, sondern auch um die
Qualität der Energieerzeugung. Wir wollen Rahmenbedingungen dafür
schaffen, dass die Energieversorgung in Deutschland weiterhin attraktiv
bleibt und nicht vermehrt durch Importstrom gedeckt wird. Dafür müssen
die Marktregeln so beschaffen sein, dass eine umweltverträgliche,
zukunftsfähige Energieversorgung sich rechnet. Angesichts der nach
wie vor vorhandenen globalen Umweltgefahren gibt es dazu keine Alternative.
Die Weiterentwicklung der regenerativen Energien, die Effizienzrevolution
bei den fossilen Energieträgern und die Energieeinsparung dürfen
nicht unter die Räder kommen. Unser Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer
Energien an der Energieversorgung bis 2010 zu verdoppeln. Bis 2050 sollen
die erneuerbaren Energien einen Anteil von mindestens 50 Prozent am Energiemix
haben.
Zu den Protesten der ÖTV gegen eine Liberalisierung
Die Gewerkschaft ÖTV organisiert am 27.
September in Berlin eine Demonstration gegen die Liberalisierung des Energiesektors.
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat vorgeschlagen, dass die
Kommunen entscheiden sollen, ob in ihrem Gebiet auch für Tarifkunden
die freie Wahl des Stromlieferanten möglich ist. Wir halten dies für
einen faulen Kompromiss. Keine Kommune wird sich gegen den Wettbewerb entscheiden
können. Der Unmut der Bürgerinnen und Bürger wäre viel
zu groß. Eine derartige Novellierung des Energiewirtschaftsrechts
wäre eine Beruhigungspille ohne Wirkung. Die SPD sollte nicht darauf
hereinfallen. Und der Wirtschaftsminister sollte zu einer ernsthaften Debatte
zurückkehren.
Es gibt keinen Grund, die Verbraucherinnen
und Verbraucher zu bevormunden und ihnen die freie Wahl ihres Stromanlieferanten
vorzuenthalten. Sie sollen und wollen in Zukunft über das Angebot
mitentscheiden. Schutzzäune um Stadtwerke kann es deshalb nicht mehr
geben.
Stadtwerke im Wettbewerb
Es ist nicht zu erwarten, dass alle Stadtwerke
am Markt Probleme bekommen. Allerdings ist die Umstellung eine große
Herausforderung, denn die Stromkonzerne sind Konkurrenten mit großer
Finanzkraft. Die Umstellung auf den Wettbewerb müssen die Stadtwerke
vor allem selbst leisten und dies tun sie auch. Die Politik kann sie bei
diesem Prozess unterstützen.
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Für diejenigen Stadtwerke, die keinen
oder keinen großen Anteil an Eigenstromerzeugung haben (und das ist
die Mehrheit), bedeutet die Liberalisiserung, dass auch sie die freie Wahl
des Stromlieferanten haben und damit günstiger als bisher Strom einkaufen
können. Insbesondere wenn sie, wie es vielfach schon geschieht, Einkaufsgemeinschaften
bilden, können sie durchaus im Preisniveau konkurrieren. Die Einführung
des kurzfristigen Handels würde sie zudem unterstützen, da gerade
kleine Unternehmen an der Strombörse günstig Spitzenlast- und
Reservestrom kaufen könnten.
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Dagegen stehen die Stadtwerke mit Eigenproduktion
vor der Herausforderung, mit der Preisentwicklung auf dem Markt mitzuhalten.
Da sie zum größten Teil Strom aus umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen
(KWK) erzeugen, ist die beste Hilfestellung die Unterstützung dieser
Form der Stromerzeugung durch ein Quotensystem (Sicherung des Absatzes
von KWK-Strom an alle Stromkunden). Zudem wollen wir, dass Stadtwerke und
alle anderen Stromerzeuger, die Elektrizität aus erneuerbaren Energien
erzeugen, eine feste Einspeisevergütung bekommen, damit ihr Engagement
nicht bestraft wird. Auf Länderebene muss dafür gesorgt werden,
dass die Gemeindeverordnungen geändert werden, damit Stadtwerke auch
ausserhalb ihres Gebietes Strom verkaufen können und damit auf die
Konkurrenz im eigenen Gebiet reagieren können.
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Die Chance der Stadtwerke liegt in ihrer Kundennähe
und darin, dass sie nicht nur Strom verkaufen, sondern auch andere Leistungen.
Hier ein optimal auf die spezifischen Kundenwünsche abgestimmtes,
differenziertes Angebot zu machen, ist der richtige Weg - ob es grüner
Strom oder Energiedienstleistung ist oder Pakete von Strom, Gas und Wasserlieferung
oder auch günstige Schwimmbadnutzung für Stadtwerkekunden.
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Die Stadtwerke sind per Verfassung zur Daseinsvorsorge
verpflichtet. Das schließt die Versorgungssicherheit mit Strom ein.
Die Kommunen haben in diesem Sinne gegen das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
geklagt. Wie der Prozess ausgeht, ist offen. Die Politik muss für
diese Verpflichtung eine Lösung finden. Vorschläge, dass die
Kommunen einen Garantielieferanten bestimmen sollen, an den der wechselwillige
Kunde eine Gebühr zahlen muss, halten wir nicht für sinnvoll.
Denn dieser Garantielieferant müsste von den Kommunen europaweit ausgeschrieben
werden und somit würde dies nicht automatisch den Stadtwerken nützen.
Zudem verursacht die Verpflichtung zur Garantie der Versorgungssicherheit
keine Kosten. Deshalb ist eine Gebühr nicht zu rechtfertigen.
Dafür machen wir uns stark
Umweltfreundlich erzeugter Strom aus hocheffizienten
Gas- und Kohlekraftwerken und erneuerbaren Energien kann noch nicht mit
den Dumpingangeboten der Stromkonzerne mithalten. Wir wollen verhindern,
dass umweltverträgliche Energieerzeugung gefährdet wird, doch
nicht, indem Unternehmen an sich geschützt werden. Damit umweltfreundliche
Technologien sich auf dem Markt behaupten können, wollen wir marktkonforme
Rahmenbedingungen schaffen. Dies betrifft die Steuerpolitik, den Netzzugang
und die direkte und indirekte Subventionspolitik.
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Noch in diesem Jahr wollen wir das Stromeinspeisungsgesetzes
novellieren. Erneuerbare Energien dürfen nicht in den ruinösen
Preiswettbewerb getrieben werden.
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Regenerative Energien müssen von der
Stromsteuer befreit werden. Innerhalb der Ökosteuerreform wollen wir
die Benachteiligung der effizienten Kraft-Wärme-Kopplung mit Erdgas
gegenüber Atom und Kohle aufheben. Kraftwerke mit Wirkungsgraden über
55 % sollen von der ungerechten Mineralölsteuer befreit werden.
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Für Strom aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen
muss eine Quote eingeführt werden. Diese Quote wird wettbewerbskonform
gestaltet. Über eine Börse wird das effizienteste Angebot auf
dem Markt ermittelt.
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Wer Strom umweltfreundlich produziert, soll
deutlich geringere Durchleitungsgebühren im Stromnetz zahlen als Großkraftwerke
aus Atom oder Kohle. Das ermöglicht attraktive Angebote für grünen
Strom.
Das hat Rot-Grün schon beschlossen
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Mit dem 100.000-Dächer-Programm, dem
weltweit größten Förderprogramm für Photovoltaik,
und der Verzehnfachung der Haushaltsmittel von 20 auf 200 Millionen jährlich
für marktnahe erneuerbare Energien wie Solarthermie und Biomasse haben
die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen schon kurz nach der Regierungsübernahme
einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung dieser Branchen gesetzt.
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Bei der ökologischen Steuerreform wurden
im ersten Schritt die dezentrale, eigenerzeugte Kraft-Wärme-Kopplung
bis 0,7 MW vollständig von Gas- und Strombesteuerung befreit und die
Kraft-Wärme-Kopplung mit über 70 Prozent Jahresnutzungsgrad von
der Mineralölsteuer freigestellt. Ab der 2. Stufe soll die Benachteiligung
beim Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung in hocheffizienten Kraftwerken
beseitigt werden, indem Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) ab einem
Wirkungsgrad von 55 Prozent von der Mineralölsteuer befreit werden.
Damit gehören GuD-Anlagen zu den wirtschaftlichsten Technologien zur
Stromerzeugung.
21.9.1999
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