Nachfolgend soll das Gutachten kurz vorgestellt und kommentiert werden.
Die wichtigsten Feststellungen des Gutachtens betrifft die Genehmigungssituation der Hanauer Atomfabriken Nukem, Alkem und RBU vor dem Jahre 1975. Dieser Zeitraum blieb bis zum Bekanntwerden des Gutachtens bisher im Dunkeln, da sowohl die Betreiber als auch der Hessische Minister für Wirtschaft und Technik (HMWT) sich bisher strikt weigerten, die diesbezüglichen Fakten offenzulegen.
Vor dem genannten Zeitraum durften die Anlagen genausowenig ohne eine Errichtungs- und Betriebsgenehmigung betrieben werden wie danach. Damals war für die Errichtung der Anlagen eine Genehmigung nach § 16 Gewerbeordnung (GewO) notwendig, während für den Betrieb § 9 Atomgesetz (AtomG) galt.
Das Gutachten konnte anhand von Unterlagen zum ersten Mal belegen, daß die erforderlichen Erilchtungsgenehrnigungen nie beantragt bzw. dann auch nie erteilt worden sind. Hierdurch konnte auch niemand Einwendungen gegen die Errichtung der Betriebe erheben und sich gegen Anlagen zur Wehr setzen, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngebieten immer weiter ausbreiten.
Diese neuen Tatsachen schildern in einer weiteren Facette, wie gut das Zusammenspiel zwischen Behörden und Firmen klappte.
Geulen kommt deshalb zu einer Feststellung, die zuvor mangels bekannter Fakten so nicht getroffen werden konnte: Die wesentlichen Anlagen der Hanauer Brennelemente-Fabriken wurden nach 1960 illegal errichtet.
Dies war auch dem Bundesinnenmini. stenum (BMI) bekannt, wie Geulen anhand von Aktenverwerken nachweist. Desweiteren kommt das Gutachten bei Untersuchung der Unterlagen und des bestehenden öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen Nukem und HMWT zum Ergebnis, daß nicht einmal die formalen Mindestvoraussetzungen einer wirksamen Antragstellung auf Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung vorliegen.
Den Vertrag zwischen der Firma Nukem und dem Land Hessen schließlich bezeichnet das Gutachten, wie schon die Kritiker davor, als nichtig, wobei der ,letzte Schein einer Rechtmäßigkeit des illegalen Anlagenbetriebes beseitigt" wurde.
Die politisch umstrittenste Frage schließlich, welche Schlüsse
aus dem fehlenden Genehmigungen und den objektiven Strafbarkeitsbeständen
zu ziehen seien, beantwortet Geulen klar und deutlich:
"Hieraus folgt, daß ein Ermessensspielraum der zuständigen
Behörde für die Anordnung der Einstellung nicht gegeben ist.
Eine Behörde ist auch öffentlich-rechtlich nicht berechtigt,
in ihren Zuständigkeitsbereich Straftaten zu dulden oder an der Begehung
von Straftaten aktiv mitzuwirken. Hiernach ist die zuständige Behörde
verpflichtet, die Einstellung des Betriebes der NUKEM gemäß
§ 19 III 3 Atomgesetz anzuordnen. Verfahrensrechtliche Einzelheiten
der Einstellung, wie etwa die Gewährung rechtlichen Gehörs, sollen
hier nicht weiter behandelt werden. "(S.73)
Mithin scheidet auch ein nachträgliches Genehmigungsverfahren aus, wie es der hessische Umweltminister vorhatte. Der Auftrag an Joschka Fischer lautet klar und unmißverständlich: ,Der Hessische Minister flir Umwelt und Energie (HMUE) ist mithin gehalten, den für die Erstellungsan- ordnung im Außenverhältnis zuständigen Hessischen Minister für Wirtschaft und Technik (HMWT) substantuert auf die ihm bekanntgewordenen Umstände hinzuweisen und auf den Erlaß einer Einstellungsanordnung zu drängen." (Gutachten, S.79)
Die Zuständigkeit für die Stillegung sieht Geulen ausschließlich beim HMWT, da dort der Schwerpunkt der Mängel liege (Atomrecht) und nicht beim HMUE (Immissionsschutzrecht), obgleich aus beiden Gesichtpunkten heraus die Stillegung erforderlich ist.
Eines ist mithin entscheidend klar geworden durch das Gutachten: Die Grünen sind nicht nur aufgrund ihrer Programmatik verpflichtet, auf die sofortige Stillegung der Hanauer Brennelemente-Fabriken zu drängen, dem grünen Umweltminister wird hler sogar eine Rechtspflicht attestiert, bei deren Erfüllung er ganz gewiß auf die Solidarität auch der innerparteilichen Kritiker zählen kann.
Insoweit hat das Geulen-Gutachten doch einiges in Bewegung in die rot-grüne Landschaft gebracht. Auf keinen Fall kann der Umweltminister den Konfliktfall der Hanauer Betriebe aus politischer Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner SPD aus den Alltagsgeschäften der Hessischen Landesregierung heraushalten. Er ist jetzt sogar gezwungen, den Konflikt zu suchen, will er nicht selbst im Sumpf der Betriebe untergehen und sei es durch die Drohung des Strafgesetzbuches, das auch den Tatbestand der Beihilfe zum illegalen Betrieb einer atomtechnischen Anlage durch Unterlassen kennt.
Anmerkung: Staatsanwalt Hübner bestätigte auf
der Pressekonferenz am 20.10.86 in Hanau, bei der die Alkem-Anklage vorgestellt
wurde, daß die Hanauer Atomfirmen nicht über eine Genehmigung
nach der Gewerbe-Ordnung verfügen: "Zumindest in den Alkem-Unterlagen
fanden wir keine derartige Genehmigung."(Frank. Rundschau, 21.10.86)
"Atomares Risiko von Brennelementfabriken ist gleichzusetzen
mit dem Risiko von Kernreaktoren und WAAs"
Es sei festzustellen, daß die drei Brennelementfabriken NUKEM, ALKEM und RBU "es versäumt haben, eine Genehmigung nach § 16 der Gewerbeordnung, jetzt Bundesimmissionsschutzgesetz, zu beantragen. Nach dieser Vorschrift hätten sie der Errichtungsgenehmigung bedurft. Das Land hat dies nicht beachtet und nunmehr arbeiten die drei Fabriken ausschließlich aufgrund einer Betriebsgenehmigung nach § 9 A tomgesetz."
Es bestehe ein, "dringendes sicherheitspolitisches Bedürfnis, daß die Genehmigung sbehörden bereits auf die Standortwahl und die sicherheitstechnische Errichtung und Auslegung neuer Anlagen Einfluß nehmen können, um Situationen wie bei den bestehenden Brennelementfabriken von vornherein auszuschließen."
Es müsse vermieden werden, daß andere Gesellschaften "ihre
Standortpolitk ebenso betreiben, wie bisher die DEGUSSA sie im Kreise Hanau
betrieben hat."
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