Eine Teillösung der noch ungeklärten Entsorgungsfrage deutscher MOX-Brennelemente und nuklearer Abfaliprodukte scheint neuerdings im Atommülltourismus zu liegen. Bestes Beispiel hierfür sind dubiose Austauschgeschäfte und Wiederaufbereitungskampagnen zwischen der BRD und Schweden.
Bilateraler Plutoniumhandel
Weltweit ist die Wiederaufarbeitung von MOX-Brennelementen (Uran/Plutonium-Mischoxidbrennelemente
mit 4 % Plutonium) aufgrund des sehr hohen Preises und des immensen technischen
Aufwandes noch nicht möglich. Um aus diesem Dilemma einen Ausweg zu
finden, haben Betreiber deutscher Atomanlagen mit der SKB (Swedish Nudear
Fuel and Waste Management Co. = Svensk Kärnbränslehantering AB)
am 5. September 1985 ein Abkommen getroffen. 217 abgebrannte MOX-Brennelemente
werden ab 1987 über Lübeck-Travemünde nach Schweden transportiert
(wenn wir es nicht verhindern). Sie sollen in das für schwedische
Reaktorabfälle bestimmte Zwischenlager CLAB bei Oskarshamn eingelagert
werden.
Die MOX-Brennelemente stammen aus folgenden Atomanlagen:
- Atomkraftwerk Obrigheim, 33 Brennelemente / 9 Tonnen;
- Versuchsatomkraftwerk Kahl, 112 Brennelemente / 6,4 t;
- Atomkraftwerk Grundremmingen, 64 Brennelemente / 7,7 t;
- Kernforschungszentrum Karlsruhe, 8 Brennelemente
/ 0,4 t.
Die BRD muß dafür später; wenn sie Zwischenlager zur
Verfügung hat, schwedischen Atommüll, der in der französischen
Wiederaufbereitungsanlage La Hague anfällt, aufnehmen. Die SKB hat
seit April 1977 ein Abkommen mit der COGEMA, Betreiberin der WAA in La
Hague, um 57 Tonnen abgebrannte Brennelemente aus den schwedischen Leichtwasserreaktoren
Ringhals und Barsebäck wiederaufzuarbeiten. Das abgetrennte Plutonium
soll aus La Hague in die BRD transferiert werden, um es wieder in MOX-Brennelementen
für Leichtwasserreaktoren einzusetzen. Beide Kontingente müssen
die gleiche Menge Plutonium (460 kg) enthalten.
In Hanau schließt sich also der sogenannte Brennstoffkreislauf: MOX-Brennelemente, hergestellt bei der Fa. ALKEM im AKW (z.B. in Kahl) abgebrannt, werden danach in Schweden "entsorgt". Die gleiche darin enthaltene Menge Plutonium wechselt aus der WAA in La Hague zur Fa. ALKEM, die damit wieder neue MOX-Brennstäbe produziert.
Uranrückgewinnung aus nuklearem Abfall der Hanauer RBU
Die Hanauer Reaktorbrennelement-Union (RBU) gehört zu denjenigen
Unternehmen, die bereits seit Jahren Geschäfte zur Wiederaufbereitung
von Abfällen aus ihrer Produktion mit der schwedischen "KWU" ASEA-Atom
in Vaesteras abwickeln.
Seit 1981 läßt die RBU jährlich 60-70 t uranhaltige Abfallprodukte mit Genehmigung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig nach Schweden transportieren. Beim Import in Schweden werden diese gefälscht als schwedischer Atommüll aus La Hague deklariert. In einer Sendung des schwedischen Rundfunks am 23.9.85 hat ein Sprecher der SKI (Staatliche Kernkraftinspektion = Aufsichtsbehörde) nicht ausschließen können, daß der Atommüll auch Plutonium enthält.
Unter primitiven Verhältnissen werden die Abfälle im Auftrag der ASEA-Atom von der Fa. Ranstad Mineral in Ranstad/Mit telschweden wiederaufbereitet. 1,5 bis 2 t Uran wurden in dieser Zeit aus dem Müll gewonnen und nach Hanau zurückgeliefert. Der Rest wurde zum Teil in einer stillgelegten Uranfördergrube bei Skövde in Mittelschweden "beseitigt". Andere RBU-Reststoffe werden von der ASEA-Atom an die Studsvik-Energietechnik AB in Nyköping versandt und dort verbrannt. Als zurückgewonnenes Uran oder in Ascheform mit 12,5 % Urangehalt geht schließlich die Lieferung zurück nach Vaesteras zur ASEA-Atom.
Nach Informationen schwedischer Atom-kraftgegner hat die Fa. Ranstad Mineral AB (vermutlich auch Studsvik Energieteknik AB) keine Genehmigung ausländische Abfallprodukte wiederaufzubereiten - deshalb wohl auch die schon erwähnte Deklarierung der Ware als schwedischen Atom-müll. Die schwedische Anti-AKW-Organisation "Folkkampanjen mot kärnkraft och kärnvapen" FMKK plant für Januar 1987 ein öffentliches Hearing zu den Importen der Abfallprodukte nuklearer Brennstoffe.
Rezyklierung radioaktiven Schrotts aus deutschen Atomkraftwerken
Am 31. Juli 1985 beobachteten Hanauer Urlauber auf ihrer Fahrt nach Skandinavien am Hafen von Travemünde 4 LKW-Züge ( 36 bzw. 42 t) einer Hamburger Spedition mit Begleitfahrzeugen. Gekennzeichnet war die Ladung mit der Radioaktivitätsetikette III-gelb, der höchsten Strahlungskategorie für Versandstücke und Container. Auf Nachfrage erhielten die Hanauer noch folgende Auskünfte über die brisante Ladung: Bei der Fracht handelte es sich um Stahlrohre aus dem AKW Würgassen, durch die Kühlwasser geflossen ist. Die Lieferung geht zu einer Stahlfirma in Nyköping/Schweden, um den Stahl wiederzuverwerten.
Inzwischen brachten Recherchen weitere Informationen ans Licht: Der radioaktive Stahlschrott aus dem Primär- und Sekundärkreislauf des AKW Würgassen, den die VEBA-Tochter Preußenelektra 1984 und 1985 für rund 450 Millionen Mark hatte auswechseln lassen, sollte bei Studsvik Energieteknik AB in Nyköping angeblich dekontaminiert und wiederverwertet werden.
Ermittlungen schwedischer Atomkraftgegner ergaben, daß mindestens zwei weitere Transporte mit radioaktiv verstrahltem Schrott aus deutschen Atommeilern zur Fa. Stensand in Varbacka/Südschweden, einem Tochterunternehmen der Studsvik Energieteknik, führten. Vermutlich handelte es sich dabei um radioaktive Abfälle aus dem 1983 umgerüsteten "Schrottreaktor" Brunsbüttel. Bereits 1982 soll Studsvik Energieteknik mehrere Tonnen radioaktiven Schrott aus den deutschen Atomkraftwerken Philipsburg I und Isar I (Ohu) zur Dekontamination angenommen haben. Ein Teil davon ist in den ganz normalen Rohstoffkreislauf zurückgeführt worden.
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