Wohl kaum einer der Hanauer Atomkraftgegner hatte gehofft, daß im Erörterungstermin für die Reaktor-Brennelemente-Union (RBU) Großes zu holen sei. "Bei der RBU werden wir nicht viel finden", meinten die Berater der BI. Wie sehr ein solcher Pflichttermin eine ihm nicht zugetraute Eigendynamik entwickelt, stellte sich erst am 2. Tag der Erörterung heraus. Bepackt mit den notwendigen Unterlagen nahmen die der Behörde mittelerweile sattsam bekannten Einwender in der als Erörterungslokal allen wohlvertraute Kulturhalle im Stadtteil Steinheim am Montag, dem 6. Mai 1985 um 9 Uhr Platz.
Nach dem üblichen Vorstellungsgeplänkel kam man zur Sache. Auf die Frage nach dem Inhalt der Paragraph 9-Genehmigung vom 30.12.1974 und eventueller Veränderungen des Betriebes blockten die Firmenleitung und auch die Genehmigungsbehörde (Hessischer Minister für Wirtschaft und Technik, HMWT) ab. Der zuständige Gruppenleiter Thurmann vom HMWT erklärte kategorisch: "In die Einzelheiten des Betriebs solcher Anlagen einzusteigen, ist aber nicht Gegenstand des Erörterungstermins." Als jedoch selbst der Verhandlungsleiter Dr. Möller den Einwendern beipflichtete und einen Zusammenhang sah zwischen dem, was bisher genehmigt war und dort geschehen ist, und dem was beantragt ist, mußte die Genehmigungsbehörde einschwenken.
Was der Geschäftsbericht der Fa NUKEM, der Mutterfirma der Hanauer Nuklearbetriebe, schließlich zur Tätigkeit der RBU aussagte, mußte auch die Genehmigungsbehörde letztlich eingestehen. Es wurde klar, daß die RBU Plutonium verarbeitet; denn im Geschäftsbericht war zu lesen: "Die Aufträge betreffen unter anderem die Fertigung des Erst-Core für den Schnellen Brüter in Kalkar." Die zum Erörterungstermin geschickte "zweite Garnitur" der RBU schwieg indessen beharrlich. Der Grund hierfür stellte sich am zweiten Tag heraus.
Überraschend für alle Einwender im Erörterungstermin war die Tatsache, daß diese Entscheidung bereits 4 Tage früher (am Freitag vor dem Erörterungstermin) der RBU zugestellt worden war. Kein Wunder also, daß die RBU-Vertreter mit blassen Gesichtern nur ausweichende und verschleiernde Erklärungen abgaben! Während sie sich in Ausreden flücheteten, war ein Inspiziententrupp der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in der Brennelementefabrik unterwegs, um sich davon zu überzeugen, daß die Firma nichzt weiterhin produzieren und zusammenbauen würde.
Ende 1984 meinte die Genehmigungsbehörde nun endlich, nach über 9 Jahren, daß die RBU sämtliche Unterlagen für diesen Genehmigungsantrag nach Paragraph 7 vollständig erbracht hätte. Doch man sollte sich im Hause Steger getäuscht haben. Den eifrigen "Genehmigern" war dabei nicht aufgefallen, daß RBU die Assembuerung von Plutonium und hochangereichertem Uran nicht beantragt hatte. Noch wenige Wochen vor dem Erörterungstermim war man der Auffassung, alles sei beim altem geblieben. Ein Mitarbeiter von RBU hatte dann Mitte April 1985 "Bauchschmerzen bekommen", da ihm das Mißgeschick seiner eigenen Firma aufgefallen war. Dies war der Genehmigungsbehörde zu Ohren gekommen und hatte dann den Beamtenapparat ins Schwitzen gebracht.
Hätten nicht die Einwender am ersten Tag des Erörterungstermins
die fehlende Antragsgrundlage moniert, wer weiß, wie lange RBU und
Genehmigungsbehörde ihr gegenseitiges Mißgeschick verschwiegen
hätten. Stegers Offensive war der letzte Versuch, um aus dem Wust
des Genehmigungsdschungels herauszukommen. Daß seine Beamte im Erörterungstermin
dies jedoch verschwiegen, zeigt, wie betroffen dieses Ministerium auf den
eigenen Mangel reagiert haben muß.
Steger gestand am 7. Mai daher ein: "Wenn uns überhaupt ein Vorwurf
zu machen ist, dann sind es diese 4 Monate Differenz, die auch darauf zurückzuführen
sind, daß sich zunächst gar keiner hat vorstellen können,
daß zwischen der früheren Genehmigung nach Paragraph 9 und der
jetzt beantragten Genehmigung nach Paragraph 7 im Geschäftszweck Änderungen
waren." Ein Teil der RBU-Produktion war also stillgelegt. Die von ihr betriebene
Tätigkeit, nämlich über 5 Prozent angereichertes Uran zu
verarbeiten, sowie dies zu 40 kg Plutonium in Form von Mischoxyd-Elementen
zu assemblieren, war dahin.
Der im Laufe des Erörterungstermins immer blasser gewordene Vertreter der RBU, Hellwig, hatte sich am dritten Tag des Termins den Geschäftsführer Stöcker zu Hilfe geholt. Dieser erklärte dem staunenden Publikum folgendes: "Für die außerhalb des Werkes 1 der RBU' in der Anlage der ALKEM ausgeübte Tätigkeit der Assemblierung von Brennelementen mit Plutonium und hochangereichertem Uran, werden wir unseren Antrag vom 12.12.1975 weiter präzisieren und entsprechende Genehmigungsunterlagen vorlegen. Wir werden uns insoweit auf die von ALKEM erstellten Antragsunterlagen für diese Tätigkeiten beziehen und sie in das RBU-Genehmigungs- verfahren einbringen" Gespannt warteten alle auf die doch wohl nun eindeutig ausfallende Reaktion der Genehmigungsbehörde. Doch vergeblich war das Hoffen. Der forsche Ton des Genehmigungs- chefs Thurmann hatte sich gelegt. Er wollte dieses Ansinnen erst noch einmal in Ruhe überprüfen und schlug daher vor, den Erörterungstermin an dieser Stelle für einige Zeit zu unterbrechen: "Die Fragen sind komplex, und wir als Genehmigungsbehörde werden deswegen Zeit brauchen, hierüber nachzudenken" Um nur keinen Fehler zu machen, vertagte die Genehmigungsbehörde den Erörterungstermin auf den 18. Juni.
Stegers Juristen kabelten zurück, daß sie nicht wüßten, was "Verfügungen oder sonstige Anordnungen" im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahren seien. Im übrigen fühle man sich durch die Bundesweisung bestätigt darin, daß die "aufsichtliche Anordnung vom 3.5.1985 aus ihrer Sicht offenbar keiner Änderungen bedarf." Der Ball war also für einige Zeit wieder nach Bonn zurückgeworfen worden.
Der Bundesinnenminister (BMI) war ob der schnellen Entscheidung aus Wiesbaden derart erschreckt, daß er für die Zukunft Schlimmeres befürchtete. Aus einem "Sprechzettel zur Kabinettsitzung" für Zimmermann geht hervor, daß dieser sich nicht mehr überraschen lassen wollte. Ferner äußerte der schwurgeschädigte Innenminister seinem Kanzler gegenüber folgendes: "Es deuten sich weitere negative Entscheidungen des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik gegenüber der Reaktor-Brennelement-Union an ... mit diesen Fabriken hat die Hessische Landesregierung ein Faustpfand bzüglich der Versorgung der deutschen Kernkraftwerke in der Hand. Sie sind ein Hebel, mit dem die Hessische Landesregierung ihr Ziel - mittelfristiger Ausstieg aus der Kernenergie - verfolgt .. ." - Doch die Ängste des "Bayern in Bonn" gingen sogar noch weiter. Klein beigebend beklagte Zimmermann die Teiluntersagung, "deren rechtliche Begründung jedenfalls nicht völlig von der Hand zu weisen ist". Schließlich kam der totale Hilfeschrei an den Kanzler. Der BMI könnte "eine Stillegung der RBU insgesamt nicht hinnehmen".
An einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung war man in Bonn auf keinen Fall interessiert, da diese unter Umständen von der bundesaufsichtlichen Weisung hätte abweichen können. Erhebliche negative Folgewirkungen für die Wahrnehmung der Bundes-aufsicht waren daher zu befürchten. Zimmermann schob damit jeglicher direkten Handhabe seitens des Hessischen Wirtschaftsministers einen Riegel vor.
Um so erstaunter sei man gewesen, da bereits 1977 schon mal ein ähnlicher Fall bei der RBU vorgekommen sei. Damals habe die RBU eine Erklärung abgegeben, sie wolle auf das Assemblieren und Montieren von hoch angereicherten und plutoniumhaltigen Brennelementen verzichten und wolle dies auf die ALKEM übertragen. Die Genehmigungsbehörde habe die Firma belehren müssen, daß sie in dieser Weise nicht auf einen Teil der Geschäftstätigkeit verzichten könne, da dies unter der Logik der Überleitungsvorschriften der 3. Novelle des Atomgesetzes nicht möglich sei. Jede Verzögerung seitens der Aufsichtsbehörde hätte dazu führen können, daß der Tatbestand der Beihilfe zu einem Vergehen nach Paragraph 327 StGB erfüllt gewesen wäre.
Mit erstaunenswerter Forschheit wies Steger auch die angesprochenen Lieferverpflichtungen der RBU als Hinderungsgrund zurück. Die einzige Lösung aus der verworrenen Situation könne, so Steger, nur darin bestehen, daß die Firma RBU glaubwürdig erklärt, sie habe sich im Rechtsirrtum über ihre Erklärung befunden. Merkwürdige Widersprüche zwischen Kroppenstedt und Steger über die der RBU gegebenen Zustimmungen des Landes Hessen für die Assemblierung der Brennelemente (seit 1980 oder 1982) blieben im Ausschuß jedoch ohne Widerhall. Auf eine interessante Nuance wies dabei der Abgeordnete Dr. Blens (CDU/CSU) hin. Er behauptete nämlich, die Genehmigung für das Assemblieren sei der Firma ALKEM am 10.3.1982 zugesprochen worden. Diesen Irrtum stellte Steger richtig, vermochte jedoch nicht die "Zustimmung" an die RBU vom 10.3.1982 aus der Welt zu schaffen.
Er mußte schließlich auch einräumen, es könne schließlich eine Frage sein, ob alles, was an Nachrüstungsmaßnahmen geschehen sei, durch die Überleitungsvorschriften der 3. Novelle gedeckt gewesen sei. Dies beschäftige ja schließlich die Gerichte. Die Frage des Rechtsmißbrauchs von Übergangsfristen könne womöglich eine der sicherlich gravierendsten Fragen sein, die in den anstehenden Verwaltungsgerichtsprozessen gestellt werde.
Von der ständigen Fragerei seitens der CDU-Abgeordneten gereizt, kündigte Steger schließlich an, gerne eine Dokumentation zur Verfügung zu stellen, warnte jedoch vor den Konsequenzen, die sich möglicherweise in einem Gerichtsverfahren daraus ergeben könnten, wenn er gezwungen sei, mal alle Akten auf den Tisch zu legen.. Die CDU/CSU-Fraktion solle allerdings dann auch alle rechtlichen Konsequenzen tragen, die durch die Verwendung dieser Unterlagen in einem möglichen Verwaltungsverfahren entstehen könnten.
Damit hatte Steger die Katze aus dem Sack gelassen. Doch sein Angebot sollte leider nicht angenommen werden. Lediglich die Abgeordneten der GRÜNEN bestanden auf dieser Dokumentation. Der Vorsitzende des Ausschusses, Dr. Wernitz (SPD), empfahl allen Fraktionen, Forderungen in Richtung auf Einsicht in Akten und Aktenordner noch einmal in Ruhe zu überdenken und hier nicht einen Schnellschuß zu machen. Er wischte das Stegersche Angebot mit der Bemerkung vom Tisch, es bestehe bei den anderen Fraktionen keine Neigung dazu. Man werde sich zu gegebener Zeit im Ausschuß nochmals mit dem Thema befassen. Bis heute jedoch ist von einer weiteren Befassung im Ausschuß nichts bekannt geworden. Interessantes Detail am Rande: Das Ausschußmitgleid Dr. Warrikoff' (CDU), RBU-Geschäftsführer' fehlte in dieser Sitzung des Innenausschusses.
Der BUND Landesverband Hessen hat den Kampf gegen die Hanauer Atomanlagen in den vergangenen Jahren tatkräftig unterstützt. Es verging praktisch keine Woche, in der der Bund für Umwelt und Naturschutz nicht gegen den Ausbau oder anläßlich von Störfällen öffentlich Position bezog. Für die Atomkraftgegner aus Hanau und Umgebung war diese medienwirksame Arbeit ebenso wichtig wie die Tatsache, daß auch auf der Ebene des Naturschutzes gegen die Nuklearfabriken argumentiert wurde.
Da der BUND einer der sog. 29er-Verbände ist, konnten seine Stellungnahmen von Betreibern oder Behörden häufig nicht so einfach abgetan werden, wie das zumeist mit Äußerungen der Bürgerinitiativen geschieht. Würde gar das Verbandsklagerecht für atomrechtliche Genehmigungsverfahren gelten, hätten sich die Behörden z.B. in Hinblick auf die nicht vorhandene Plan-feststellung für die Hanauer Atombetriebe auf saftige Klagen des BUND einrichten müssen.
Bei den zahlreichen Erörterungsterminen haben die BUND-Vertreter stets einen wesentlichen Teil der Debatte bestritten und den versammelten Atomkraftbefürwortern auf den Firmen-, Behörden- oder Gutachterbänken knifflige Fragen gestellt und sie mit unangenehmen Tatsachen konfontiert.
"Ein Mann hält die Stellung", so überschrieb der Hanauer Anzeiger im Juni1985 die Situation nach 7 Tagen Erörterungstermin für die RBU. Eduard Bernhard, stellvertretender BUND-Landesvorsitzender in Hessen, hatte es fertiggebracht, alleine fast 3 Tage lang die Erörterung zu bestreiten. Der zähe Kämpfer gegen die Atomenergie, der im Juni 86 seinen 60. Geburtstag feierte, hat mit zahlreichen Befangenheitsanträgen gegen die beteiligten Behördenvertreter frischen Wind ins Erörterungsgeschehen gebracht.
Sein ""Ich protestiere aufs Schärfste gegen... hat bei Erörterungsterminen schon so manchen Firmen- oder Behördenvertreter blaß werden lassen.
Der BUND Hessen agiert natürlich nicht nur im Rahmen der Genehmigungsverfahren , sondern nutzt seine politische Möglichkeiten von Diskussionsveranstaltungen bis zu Eingaben an die Landesregierung, um gegen die Atompolitik im Lande zu streiten.
Um diese Brücke auf möglicherweise feste Fundamente zu stellen, wurde auch ein Antrag offiziell am 5. Juni 1985 eingereicht, in dem die RBU ihren Antrag vom 12.12.1975 auch bezüglich der Assemblierung von Brenneltmenten präzisiert. Neu in diesem Antrag allerdings sollte für die Einwender werden, daß RBU inzwischen beantragte, 99 kg Plutonium in verschiedener Isotopenzusammensetzung zu be- und verarbeiten.
Große Versprechungen folgten auch in diesem Schreiben. Bis zum 1.8.1985 wolle die Firma in Sicherheitsberichten die Kurzbeschreibung vorlegen. Aus der RBU-Anregung, "die Öffentlichkeits- beteiligung für diesen Teil des Genehmigungsverfahrens alsbald nach Vorliegen dieser Unterlagen durchzuführen", ist allerdings bis heute nichts geworden.
Da sich die Stegersche Drohgebärde in ein freundliches Lächeln verwandelt hatte, konnte der Wiederinbetriebnahme der Assemblierung, Beschäftigung für 6 bis 8 Mitarbeiter, nichts mehr im Weges tehen. Ein letztes rechtliches Aufhäumen schob Steger dann am 12. Juni in einem Schreiben an den Bundesinnenminister nach. Auf 7 Seiten ließ er rechtlich einwandfrei seine Stillegungsverfügung noch einmal begründen, um dann auf der letzten Seite aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seine goldene Brücke wieder neu entstehen zu lassen. Er dürfe schließlich nicht eine Firma und sogar noch weitere Firmen darunter leiden lassen, daß die Geschäftsführung der RBU aus kurzsichtigen Überlegungen heraus wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Belange gefährde. Vollständig lächerlich muß jedoch in diesem Zusammenhang die Berkung wirken, die Firma habe "nunmehr erstmalig und auf eine glaubwürdige Weise" ihren Antrag nach Paragraph 7 AtG konkretisiert. Steger forderte damit den Bundesinnenminister zum Handeln auf: "Es erscheint seitdem nicht mehr ausgeschlossen, ihr (der Fa. RBU) diesbezüglich wieder die Fortführung dieser bisherigen Tätigkeit zu erlauben." Als absoluter Beweis der Devotheit Stegers muß jedoch der letzte Satz dieses Schreibens betrachtet werden: "Ich erwarte ihre bundes-aufsichtliche Äußerung gemäß Art. 85 GG in dieser Sache."
Am 21. Juni 1985 signalisierte der parlamentarische Staatssekretär Kroppenstedt im Innenministerium, daß man die Stegersche Bewertung verstanden habe.
Und am 18.7.1985 war es dann endlich soweit, daß Bundesinnenminister Zimmermann die Anweisung an den Wirtschaftsminister Steger erteilte, die Untersagungsverfügung der Assemblierung Pu-haltiger Brennelemente durch die Fa. RBU wieder aufzuheben. Der Vorhang über dem ersten Akt des "atomaren Theaterdonners" seitens der Hessischen Landesregierung hatte sich damit geschlossen
Anm.: Es sei dsarauf hingewiesen, daß sich all diese "atomaren Drahtseilakte im rechtlichen Ver-wirrspiel" zu einem Zeitpunkt abspielten, als die Einwender gegen die Fa. RBU, allen voran der ei-frige 2. Vorsitzende des BUND-Hessen, Eduard Bernhard, in einem 7tägigen Erörterungs-Mara-thon den Firmengesandten das Fürchten lehrten.
Knapp 7 Monate nach dieser Beruhigungspille indes brach die RBU in lautes Wehgeschrei aus. Mit Schreiben vom 4.9.86 kündigte der Minister für Wirtschaft und Technik der Fa. RBU an, daß diese mit einer Stillegung zum Ende dieses Jahres 1986 zu rechnen habe, wenn sie nicht zukünftig alle ihr gemachten Auflagen einhalte, insbesondere Termine, zu denen weitere Unterlagen vorgelegt werden sollten. Die RBU-Geschäftsführer wandten sich in ihrer Panik gleich an die Öffentlichkeit.
Steger jedoch blieb cool und konterte. Er warf der RBU-Geschäftsführung Mißmanagement vor, da die Firma es in der Vergangenheit versäumt habe, genehmigungsreife Unterlagen für sicherheitstechnisch notwendige Nachrüstungen vorzulegen. "22 dicke Bolzen" hätten die Beamten des Ministeriums gezählt und der TÜV Bayern sei genötigt gewesen, 500-1000 Auflagen für die Firma zu erstellen. Dieser plötzliche Gesinnungswandel im Hause des sonst so genehmigungsfreudigen Ministeriums schlug in Hanau-Wolfgang wie eine Bombe ein.
Von den "22 dicken Bolzen", die Steger hervorgehoben hatte, waren in dem 12 Seiten langen Schreiben jedoch nur 2 erwähnt. Zum einen handelte es sich um Windverbände, Verstrebungen an Gebäuden zur Sicherheit der Wände, die von der Firma vor 15 Jahren entfernt worden waren. Weder der zuständigen Bauaufsicht bei der Stadt Hanau noch der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde seien diese Entfernungen angezeigt worden.
Als zweiten Punkt monierte der Minister, daß im Kühiwassersystem der RBU erhebliche Verluste schon seit fast 9 Monaten vorhanden seien, deren Ursache die Firma immer noch nicht herausgefunden habe. Der tiefgreifendste Vorwurf gegenüber der Nuklearfirma jedoch bezog sich auf die laut Steger nicht vorhandene Zuverlässigkeit der Geschäftsführung. Die RBU besitze nicht die Fähigkeit, die Unterlagen ..., die für die Erlangung einer beantragten Genehmigung benötigt werden", zu erstellen. Sie werde aus diesen Gründen mit einer Ablehnung der beantragten Genehmigung nach Paragraph 7 Atomgesetz rechnen müssen. Steger räumte ein, daß es sehr wohl möglich gewesen sei, alle notwendigen Nachweise zu führen.
Den größten Hammer jedoch ließ er auf die Geschäftsführung hernieder gehen. "Ich muß aufgrund des verzögerten Verfahrens der Geschäftsführung Qualifikationen absprechen, die ihr obliegenden Maßnahmen zur Sicherstellung der Erstellung der notwendigen Unterlagen ergreifen zu können." Und weiterhin an die seitherigen Geschäftsführer gewandt, drückte der Minister aus:
"Sie haben sich nicht in der Lage gezeigt und auch bis heute nicht die
Fähigkeit erlangt, nach einem eigenen Konzept den Anforderungen des
geltendes Rechts gerecht zu we-den." Diese vernichtende Kritik bedeutet
in der Praxis, daß die RBU-Manager die laut Atomgesetz notwendige
Zuverlässigkeit nicht erfüllten. Mit Hinblick auf die Vergangenheit
bemerkte Steger, daß die Firma "bezüglich praktisch aller zu
lösenden Probleme" nicht in der Lage gewesen sei, ihre Probleme selbst
zu lösen. In über 30 Fachgesprächen hätten die "Genehmiger"
in Wiesbaden die vorliegenden Unterlagen der RBU akribisch geprüft
und mit der RBU besprochen.
Die Firma jedoch habe die Ergebnisse die-ser Detailprüfungen und
-gespräche in den Wind geschlagen und sei "in einer hohen Zahl von
Fällen ohne ersichtlichen Grund davon abgewichen". Um der Unfähigkeit
der Geschäftsführung noch die Krone aufzusetzen, habe die Geschäftsführung
noch die Mutterfirma Kraftwerk Union (KWU) heranziehen müssen, da
sie aus eigenen Kräften das Verfahren nicht habe bewältigen können.
Knallhart klang daher die Konsequenz aus diesen Mißständen: "Die Genehmigungsvoraussetzung des Paragraphen 7 Abs. 2 Nr.1 AtG (Atomgesetz) ist derzeit nicht gegeben. Eine Genehmigung nach Paragraph 7 AtG kommt nur in Betracht, wenn andere Personen Geschäftsführer sind, die die Voraussetzungen des Paragraphen 7 Abs. 2 Nr.1 AtG erfüllen." Schließlich müsse die Firma "die Genehmigungsvoraussetzungen selbst nachweisen". Die Voraussetzung für eine Genehmigung beinhalte die Qualifikation der RBU und ihres leitenden Managements.
Als Voraussetzung für die erste Teilgenehmigung seien "die konzeptualen Lücken zu schließen". Für weitere mögliche Teilgenehmigungen sei der Nachweis der Genehmigungsvoraussetzungen ebenso unverzüglich zu führen. All diese Unterlagen solle die RBU schon bis zum September 1983 versprochen haben. Spätestens bis zum 30.9.1986 müsse die Firma einen verbindlichen Terminplan für die Nachreichung weiterer Unterlagen erstellen. Anderenfalls, so drohte der Minister, "werde ich mangels dieser Mitteilung trotz eventueller Erfüllung meiner Forderungen ... über die Ablehnung einer ersten Teilgenehmigung entscheiden."
Wie sehr die bisher positiven Äußerungen über das RBU-Verfahren offenbar nur Luftblasen gewesen sein müssen, erklärt sich aus der Tatsache, daß "die bisherige Tätigkeit der Geschäftsführung der RBU zur Erzielung einer Genehmigung nach Paragraph 7 AtG" den Schluß zulasse, daß ihr trort aller zahlreichen Hinweise und Mahnungen der Behörden während des letzten Jahrzehnts nicht klar geworden sei, wie sehr es auf ihre eigenen Tätigkeiten ankomme, wenn sie den Weiterbetrieb von RBU Werk sichern wolle.
Erzürnt über die Stegerschen Laute zeigte sich vor allem der technische Geschäftsführer von RBU, Dr. Zastrow, dem Steger vorwirft, er lasse nicht erkennen, daß er die Verpflichtungen einer Nuklearfirma aus dem geltenden Recht akzeptiere. Schon einem von Stegers Vorgängern, dem ermordeten Hans Herbert Harry, hatte Zastrow bereits 1980 vorgeworfen: "Faktisch müßte es Ihnen aber möglich sein, wenigstens die Beamten ihres Ministeriums dazu zu bringen, die kerntechnische Industrie in Hessen nicht länger zu behindern".
Beklagt hatte der demnächst in Pension gehende Zastrow damals auch, daß "das Diktat, das ihre Beamten uns (nämlich RBU) gegenüber ausüben, unerträglich geworden ist". Unverständlich muß dieser Vorwurf anmuten, da der frühere F.D.P.-Schatzmeister und Wirtschaftsminister stets ein förderndes Verhältnis zu den Hanauer Nuklearbetrieben gehabt hatte.
Das Gerangel zwischen dem SPD-Minister und den Geschäftsführern
zerzauste indes arg das Image der IG Chemie. 85 RBU-Mitarbeiter traten
aus der DGB-Gewerkschaft aus und schlossen sich der christlichen Gewerkschaft
an. Anfang Oktober 1986 pilgerte schließlich eine RBU-Delegation
zu Bundesumweltminister Wallmann, um dort Schützenhilfe zu suchen.
In einer Resolution sprachen sie sich gegen das "politische Kesseltreiben"
im Hinblick auf die Hanauer Nuklearunternehmen aus. Bemerkt sei am Rande,
daß der für Reaktorsicherheit und Umweltschutz zuständige
Bundesminister sich bezüglich der Stegerschen Eingriffe in Hanau-Wolfgang
erstaunlich zurückgehalten hat. Ohne Widerspruch hatte auch Minister
Steger sich stets auf das Einvernehmen mit der Bundesbehörde berufen
können.
Vermutlich wird auch dieser zweiter Theaterdonner des bislang unglücklich
agierenden Wirtschaftsministers in Hessen enden wie das Homberger Schießen.
Zum Glück hat Minister Steger der RBU keineswegs eine baldige Genehmigung
in Aussicht gestellt, falls sie die Unterlagen noch rechtzeitig einreiche.
Eine Entscheidung dürfte nach alledem ohnehin nicht vor den Landtagswahlen
1987 zu erwarten sein. Und dann wird allem Anschein nach ein neuer Wirtschaftsminister
sich mit den Hanauer Nuklearbetrieben, allen voran der RBU, beschäftigen
müssen!
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