neue hanauer zeitung Sonderausgabe: Atomzentum Hanau (November 1986)


Porträt eines Atomlobbyisten

Freundlich lächelnd spielt er mit Kindern in einem Kindergarten in Dietzenbach. Wenige Stunden später muß er, plötzlich kreidebleich geworden, auf das Schreiben des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik, Ulrich Steger, reagieren, der der Firma RBU die Stillegung angedroht hat, wenn nicht Warrikoff seinen Platz im Management der Brennelementefabrik räumt. Und womöglich am nächsten Tag muß der rührige Atommanager schon wieder die Interessen der Atomindustrie im Ausschuß des Bundestages für Forschung und Technologie vertreten.

Der "Blitz-Tip", ein Werbeblatt für die Region Mainz-Kinzig mit einer Auflage von 60000, hält diesen vielgeplagten CDU-Bundestagsabgeordneten und Atommanager, der unlängst seinen fünfzigsten Geburtstag feierte, "für einen guten Vierziger". Vor allem imponiere, wie das in allen Haushalten verbreitete Anzeigenblatt feststellt, daß der "Anfang Fuffziger mit dem Herzen auf dem rechten Fleck" bei allen Erfolgen und erarbeiteten Positionen "ein Mensch wie du und ich" geblieben ist.

Dr. Alexander Warrikoff' der nach eigenen Angaben seit 1961 bei den Hanauer Nukleargesell- schaften tätig ist, stellt sich so in der Öffentlichkeit als liebenswerter Nachbar von nebenan dar. Der 1934 geborene Jurist - Rechts- und Staatswissenschaften hat er studiert - war schließlich noch als wissenschaftlicher Assistent an der Georgetown Law School in Washington tätig. Welche Gesetze er damals in USA gelehrt hat, ist unbekannt. Mit den deutschen Gesetzen, hier das Atomgesetz und das Strafgesetz, dürfte sich Dr. Alexander Warrikoff jedoch nicht in ausreichendem Maße beschäftigt haben. Mit größter Unschuldsmiene jedenfalls erklärt er Pressevertretern, daß er überhaupt nicht wüßte, weshalb der Staatsanwalt gegen ihn Anklage erheben wolle.

Der politische Aufsteiger

Bereits 1974 gründet Dr. Alexander Warrikoff den CDU-Gemeindeverband Limeshain im Wetteraukreis. Seitdem ist er mit aller Rührigkeit darum besorgt, das Ansehen seines Haus- und Hofbetriebes in Hanau-Wolfgang auch in seinen Parteikreisen zu fördern. Wohl keine Veranstaltung in seinem Umfeld, in der er nicht die Notwendigkeit der Hanauer Nuklearbetriebe hervorhebt!

Da streitet er denn schon Ende der 70er Jahre auf Veranstaltungen in der Region mit Atomkraftgegnern über die Notwendigkeit und die Sicherheit atomtechnischer Anlagen. Von 1977 bis 1983 gestaltet er als Fraktionsvorsitzender der CDU in der Gemeindevertretung von Limeshain maßgeblich das kommunalpolitische Klima. Überraschend auch für CDU-Politiker im Umkreis, daß der gelernte Atommanager 1983 bereits für den Bundestag kandidiert. Selbst eingeweihte CDU-Fans im Odenwald sind überrascht, daß ihnen plötzlich Alexander Warrikoff als Wahlkreiskandidat für den Bundestag präsentiert wird. Wer da wohl die Drähte gezogen hat? Die Parteiraison offensichtlich will es, daß ein solch führender Kopf der Atomindustrie auch politisch an oberster Stelle fungiert!

Atom - Fan von der Pike auf

Im Jahre 1961 tritt Alexander Warrikoff als Jurist in die ein Jahr zuvor als Degussa-Tochter gegründete Firma NUKEM ein. Wie lange er in dieser Firma sein aufsteigen-des Wesen betreibt, ist unbekannt. Zielstrebigkeit jedoch darf man ihm unterstellen; denn bereits 1969 mausert sich der atomare Schnellstarter zum Geschäftsführer der Reaktor-Brennelement-Union (RBU) GmbH Hanau. Doch nicht genug damit. Im Jahre 1975 übernimmt er auch noch den Po-sten des Geschäftsführers bei der Plutoniumfirma ALKEM.

In den folgenden Jahren taucht Alexander Warrikoff sehr häufig bei öffentlichen Veranstaltungen über das Thema Atomenergie auf. Da ihm die Presse-Öffentlichkeitsarbeit obliegt, ist sein gewaltiges Wort vielerorts zu vernehmen. Sichtlich erschöpft beklagt er sich Anfang der 80er, bei einer Veranstaltung der Juristen in der SPD, daß er in dieser Woche schon 5 Termine wahrgenommen habe.

Der vereinte Zusammenhalt von Geschäftsleitung und Betriebsrat scheint ebenso maßgebliches Verdienst des rührigen Atommanagers Warrikoff. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Teilstillegung der RBU, im Mai 1985, gelingt es ihm, Betriebsrat und Geschäftsleitung unter einem gemeinsamen Atomhut zu präsentieren. Nach dem Gejammere des Betriebsratsvorsitzenden Alexander Kraushaar während der Betriebsversammlung am 21.5.1985 schwingt sich der gleichbevornamte Warrikoff ans Rednerpult und warnt vor den weltweiten Folgen, falls der Plutoniumfirma ALKEM die Genehmigung entzogen werde: "Die Entsorgung ist keine akademische Frage, die irgendwann in einer blauen Zeit kommt, die Entsorgung ist eine Frage, die uns heute berührt."

36 Tonnen Plutonium müßten in den nächsten Jahren von der Bundesrepublik vor allem aus Frankreich zurückgenommen werden. An die Bundesregierung gewendet richtet er besorgt die "entsorgende" Mahnung: "Und ich frage den, der die ALKEM verbieten will, was er mit 36 Tonnen elementaren Plutoniums machen wird?"

Die Einheit der Schicksalsgemeinschaft beschwörend, sowie die weltweite Reputation der Nukleargesellschaft rühmend, jubelt er das Selbstbewußtsein der Beschäftigten hoch: "Meine Damen und Herren, wir haben es verdient, daß wir in Hessen nicht geduldet, sondern willkommen sind."

Der CDU-Atom-Polit-Mixer mit dem Hang fürs praktisch Finanzierbare "Die Spitze des Eisbergs im Atomfilz", nennt ihn die taz. "Lobby als Dienst fürs Vaterland", bescheinigt ihm der SPIEGEL. Und sogar "Schöpfung neuen Rechts" zitiert der Stern als hervorragende Qualität des RBU- und ALKEM-Managers. Mit all diesen Bezeichnungen soll der nahtiose Übergang von politischer und betrieblicher Tätigkeit Warrikoffs bezeichnet werden.

Im Bundestag führt die Interessenkumulation des Alexander Warrikoff jedoch zu ernsthaften Konflikten. Der Bundestagsabgeordnete der SPD, Josef Vosen, geißelt die Verquickung von Mandat und beruflichem Interesse des Hanauer Atommanagers. Doch der "Strahlemann von Hanau" kontert, indem er auf die von ihm im Bundestag-handbuch offengelegte "Interessenverknüpfung" hinweist. Selbstbewußt erklärt er: "Insofern fühle ich mich voll legitimiert, im Rahmen der Sitzungen des Forschungsund Technologie-Ausschusses über Brennstoff-Kreislauf und Entsorgung zu diskutieren und auch an eventuellen Abstimmungen hierüber teilzunehmen."

Der neutrale Beobachter mag in diesem Zusammenhang betroffen zur Kenntnis nehmen, daß Alexander Warrikoff mit dieser seiner Auffassung sogar dem sogenannten Ehrenkodex des Deutschen Bundestages entspricht. Lobbyisten unter sich, möchte man daher als Überschrift über die Tätigkeit dieses Forschungs- und Technologie-Ausschusses des Bundestages schreiben.

Eine halbe Milliarde losgeeist

Doch bereits lange vor seiner politischen Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter laufen die Drähte der Hanauer Nuklearbetriebe zu den Geldgebern in Bonn heiß. Fast eine satte halbe Milliarde Mark müssen Warrikoff und seine "Nuklear-Gurus" in den letzten 20 Jahren in Bonn losgeeist haben. Doch der jugendliche 50er glänzt auch noch durch Mitgliedschaft in den diversesten anderen Organen. So ist er unter anderem Vorstandsmitglied im Wirtschaftsverband Kernbrennstoffkreislauf, Vorsitzender im Verwaltungsrat des nuklearen Versicherungsdienstes, Mitglied im Bundesvorstand und im Wirtschaftsrat der CDU und (man höre und staune) Mitglied der Gesellschaft für Entbürokratisierung.

Da dem Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann im Jahr 1985 der rechtliche Boden für die Betriebe in Hanau-Wolfgang offensichtlich zu heiß geworden ist, beauftragt er den Geschäftsführer von ALKEM mit der Formulierung für einen neuen Ausweg: "Herr W. (Warrikoff) soll einen diesbezüglich genauere Vorstellungen konkretisierenden Brief an Herrn Minister richten, in dem der Änderungsbedarf... inhaltlich präzisiert werde". Dieser Auftrag wird im Juli 1985 in einer illustren Runde von Atom-Lobbyisten, wie dem Vorstandsvorsitzenden der Kraftwerkunion (KWU) und seinem Stellvertreter, erteilt. Skrupel über diese geplante Gesetzesumgehung per neuem Gesetz mögen den Atommanager dabei nicht anfechten.

In Geldfragen scheint bei Alexander Warrikoff die eine Hand in die andere zu spenden. So werden laut Protokoll der Geschäftsführung vom 17.1.1983 unter dem Tagesordnungspunkt 2 die Geschäftsführer einig, "für den Wahlkampf von Herrn Warrikoff 15000DM zu spenden". Daß in dieser Sitzung für die SPD 5000 DM bereitgestellt werden, zeigt nur die politische Absicherung nach allen Seiten.

Der Staatsanwalt läßt grüßen

Ins öffentliche Rampenlicht bei den Erörterungsterminen für die RBU und die ALKEM mag Alexander Warrikoff nicht treten. Er zieht lieber im Hintergrund die Fäden und fährt dann schon mal zwischendurch nach Bonn, um mit Innenminister Zimmermann die prekäre Lage zu besprechen. Doch selbst mit diesen Bonner Winkelzügen vermag er sich nicht dem Zugriff des Staatsanwaltes zu entziehen. Er und sein geschäftsführender Kollege Dr. Stoll werden wohl, wenn der Staatsanwalt ernst machen wird, und das Gericht dieser Sachlage beipflichtet, in absehbarer Zeit das harte Holz der Hanauer Anklagebank drücken müssen.

Einfach jedoch will es Alexander Warrikoff dem Staatsanwalt nicht machen. Im Gerangel um die Aufhebung seiner Immunität wirft er dem staatlichen Anklagevertreter vor: "Sie verstoßen also gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör, ein besonders wichtiges Grundrecht in einem demokratischen Rechtsstaat." Obgleich die Rechtsvertreter des Atommanagers ausreichend Gelegenheit zu Stellungnahmen bekommen haben, meint Warrikoff' gegen den Oberstaatsanwalt polemisieren zu können. Den Unschuldsjungen markierend, wirft er dem leitenden Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Hanau vor: "Andererseits setzen Sie sich mit fundamentalen Gesichtspunkten, die für die Beschuldigten sprechen, nicht auseinander, so zum Beispiel nicht mit der einfachen Tatsache, daß die ALKEM über bestandskräftige Genehmigungen, auch für die Betriebsänderungen , verfügt." Er ermahnt den Staatsanwalt zu äußerster Korrektheit und Objektivität. Wie es um das Verständnis der Gewaltenteilung im demokratischen Rechtsstaat bei Alexander Warrikoff bestellt sein muß, zeigt sein geäußerter Verdacht, "daß die Staatsanwaltschaft zu einem Werkzeug zur Erreichung politischer Ziele mißbraucht werden könnte". Die Frage, ob er selbst das Gesetz mißbraucht habe, ficht Warrikoff freilich nicht an. Sollte das Hanauer Gericht ernst machen mit der Anklage, so droht Alexander Warrikoff eine Geldbuße oder eine Frei-heitsstrafe von mehreren Jahren. Dies jedenfalls ist im Paragraphen 327 StGB als Strafe für den illegalen Betrieb einer kerntechnischen Anlage vorgesehen.

Zwei "atomare Brüder" streiten sich

Schon während seiner Tätigkeit im Bundestag verspürte der heutige hessische Wirtschaftsminister Dr. Ulrich Steger (SPD) keine großen Sympathien für den Nuklearmanager aus Hanau. Womöglich versuchten beide, sich gegenseitig im Eintreten für die Atomindustrie zu übertrumpfen. Die Teilstillegung der RBU-Tätigkeit, Betriebsstopp für die Assemblierung der plutonium-haltigen Brennelemente durch RBU' verübelt Warrikoff noch heute dem Lobgbbykollegen aus der SPD. Der Vorwurf "der mangelnden Qualifiktion", den Steger in einem Schreiben an die Firmenleitung im September 1986 erhoben hat, muß Alexander Warrikoff besonders unter die Haut gehen. Seine fachliche Qualifikation soll nämlich nichts mehr wert sein; denn "eine Genehmigung nach Paragraph 7 AtG kommt nur in Betracht, wenn andere Personen Geschäftsführer sind, die die Voraussetzungen des Pa-ragraphen 7 Abs. 2 Nr.1 AtG (Atomgesetz) erfüllen."

Von Steger will sich Warrikoff schließlich seine berufliche Karriere nicht vermiesen lassen. So geht es denn dem Hanauer Atommanager schließlich doch zu weit, daß Minister Steger in einem Gespräch mit den Betriebsräten der Nuklearfirma sogar einen seiner Betriebsräte verunsichert hatte. Als Retourkutsche wirft er Steger schließlich vor, "den Betriebsrat der RBU hinters Licht geführt" zu haben.

Letztlich muß die Mutterfirma von RBU und ALKEM, die Kraftwerkunion (KWU) eingreifen, um den aufgeheizten RBU-Manager zur Ruhe zu bringen. Warrikoff bittet um seine Beurlaubung, nachdem ihm die Betriebsversammlung einen überzeugenden Vertrauensbeweis vermittelt hat. Trotzig weist er jeglichen Eindruck zurück, er würde wegen Stegers Druck gehen.

In seiner Freizeit liest Warrikoff mit Vorliebe historische und politische Bücher, greift jedoch auch zwischendurch zu einem Kriminal- und Abenteuer-Roman, bei dem er Entspannung sucht. Einen besonderen Nervenkitzel indes dürfte ihm die von vielen mit Spannung erwartete Verlesung der Anklageschrift bereiten. Ob mit diesem mehrere hundert Seiten umfassenden Atomkrimi ein Edgar Wallace mithalten kann, wird sich zeigen.

Elmar Diez


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