Das sitzt für's erste!
Der so spricht, ein feinfühlig, leise und bedächtig argumentierender leicht graumelierter End-Dreißiger, erntet nachdenkliches Nicken und offene Zustimmung bei einem Groß. teil des Hanauer Normalpublikums. Die Szene spielt in der Fußgängerzone "Hammerstraße" wenige Wochen vor der Anti-AKW-Demonstration am 8.11. Daß der feine Herr als Ingenieur der Kraftwerksunion - KWU - enttarnt wird, kann die Wirkung seiner Sätze zunächst kaum erschüttern. Die Thesen der wenigen mitdiskutierenden AKW-Gegner stehen für die Mehrheit erst mal da, als klotzige Zweckpropaganda und Agitationsphra. sen, wie sie der KWUler mit wegwerfender Handbewegung auch bezeichnet hat:
- "Die BRD.Atommafia will sich - unterstützt und gefördert
durch maßgebliche politi. sche Kräfte - die Möglichkeit
einer eigenen Atomwaffentierstellung offenhalten. Dreh- und Angelpunkte
einer eigenständigen Bundesdeutschen Atom-Aufrüstung sind Hanau
und Wackersdorf."
-
Einige von der örtlichen Presse in show-down-Stimmung gebrachte
Atom-Bürger fangen an zu johlen. - Erst als sie gegen Fakten und Detailkenntuisse
auch mit zunehmender Lautstärke nicht mehr ankommen, räumen die
Nuklear-Fans das Feld.
Und die Fakten sind klar:
Mit dem Aufbau einer eigenständigen Plutoniumwirtschaft mit Plutonium(Pu)-Brennelementherstellung und Pu-Lagerung bei ALKEM in Hanau, dem SCHNELLEN BRÜTER in Kalkar und der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) Wackersdorf werden die besten Voraussetzungen für eine BRD-eigene Atomwaffenschmiede großen Stils geschaffen. Verträge mit ausländischen WAA's - wie La Hague in Frankreich - sehen die Rücknahme des dort aus den abgebrannten Brennelementen herausgelösten Plutoniums zur Lagerung und/oder Verarbeitung bei ALKEM in Hanau vor.
Da die ALKEM bereits seit Jahren hunderte Kilogramm des Bombenstoffs Plutonium und die NUKEM beträchtliche Mengen des waffentauglichen hochangereicherten Urans lagert und mit der Urananreicherungsanlage in Gronau der Nachschub an atomwaffenfähigem Material gegeben ist, könnte schon heute - unter Einbeziehung der Plutonium-Lieferverträge mit Frankreich - mit der Atomwaffenherstellung begonnen werden. Erhalten dann die Hanauer Firmen noch die beantragten Erweiterungsgenehmigungen für Lagerung und Verarbeitung von insgesamt ca. 13 Tonnen bombenfähigen Materials, so würde das ausreichen für einige hundert Atombomben. Dies alles auch ohne die WAA Wackersdorf.
Aber das reicht den Herren nicht. Das in Hanau bereits eingebunkerte Plutonium sichert zum Auslauf-Zeitpunkt des Atomwaffensperrvertrages 1995 einen gewaltigen Einstieg in das dann legale Bombengeschäft und mit der bis 1995 in Wackersdorf geplanten Produktionsaufnahme wäre eine nationale Bombenrohstoffbasis gesichert. Für längerfristige, umfangreichere und vor allem auslandsunabhängige Waffenpläne sind also beide Anlagen, die WAA Wak-kersdorf und die ALKEM in Hanau, unverzichtbar.
Wie sagte doch der Friedensforscher und ehemalige CSU-Mann Alfred Mechtersheimer:
"Es gibt in der Bundesrepublik eine politische Logik, die in Richtung einer
Option für eine deutsche oder westeuropäische Nuklearrüstung
unter Einschluß der BRD hindeutet." (TAZ-Interview 10.10.86)
Die Plutoniumtechnologie in der BRD wurde im wesentlichen durch NUKEM
und ALKEM entwickelt. Dies schlägt sich nun auch in ganz direkten
Dienstleistungen und Produktionsarbeiten für die WAA-Wackersdorf nieder:
Hinter der WAA-Wackersdorf (DKW-Tochter), NUKEM/ALKEM und SCHNELLEM BRÜTER steht dieselbe Muttergesellschaft: das RWE, Rheinisch Westfälische Elektrizitätswerk AG, Essen. RWE ist mit 31% bei DKW, mit 69% bei der SCHNELLEBRÜTER KERNKRAFT- GESELLSCHAFT und mit 45% bei der NUKEM, dem Kopf des Hanauer Atomzentrums, jeweils größter Gesellschafter.
RWE ist neben SIEMENS und VEBA einer der 3 wichtigsten Atomkonzerne
in der BRD: Es gibt keine Atomanlage, an der nicht einer dieser 3 Konzerne
direkt oder indirekt beteiligt ist. Das RWE hat jedoch 2 Vorteile gegenüber
SIEMENS und VEBA:
- RWE ist auf allen Ebenen der Atomenergie aktiv. Dazu gehören:
Für den Atomwaffenbau muß auch eine entsprechende Infrastruktur vorhanden sein - von der Rohstoffgewinnung über die Fertigung der Einzelteile und die Zündelektronik bis hin zum verbunkerten Endmontagewerk. Überall da, wo diese Struktur bereits vorhanden ist oder geschaffen wird (WAA), ist das RWE (oder SIEMENS) beteiligt.
Diese beiden Gesichtspunkte - der entscheidende Einfluß sowohl auf allen Ebenen der Atomindustrie als auch im Bereich der Infrastruktur für Atomwaffenbau - machen das RWE, Muttergesellschaft von DKW und NUKEM - zum bedeutendsten Atomkonzern der BRD.
Der Besitz von hochangereichertem Uran und/oder Plutonium wie auch die nöL tige Infrastruktur sind 2 Voraussetzungen für eine BRD-Atomstreitmacht. Erhalten NUKEM und ALKEM die beantragten Genehmigungen auf Erweiterung der Anlagen, so können sie in Hanau genügend Rohstoffe für eine Atomstreitmacht lagern, die mit denen Frankreichs oder Chinas vergleichbar ist!
An der 3. Voraussetzung, der Entwicklung und Herstellung verschiedener atomar verwendbarer Trägerraketensysteme mit großen Reichweiten, arbeiten bereits seit Mitte der 70er Jahre die Firmen Messerschmidt-Bölkow-Blohm, Dornier und die DFVLR (Deutsche Forschungs- und Versuchs- einrichtung für Luft- und Raumfahrt).
- Im übrigen wird die Bundeswehr schon seit 20 Jahren mit atomwaffentauglichen
Trägerraketen ausgerüstet.
Die Voraussetzungen einer BRD-eigenen Atombewaffnung sind also zum
größten Teil schon vorhanden, z.T. werden sie gerade geschaffen.
Die Option auf eine BRD-Atomstreitmacht - die ohne WAA und NUKEM/ALKEM nicht möglich wäre - kann auf verschiedene Weise genutzt werden: vom politischen Druck auf die USA, um eine größere Beteiligung an den NATO-Atomwaffen durchzusetzen, über eine gemeinsame europäische Atomstreitmacht mit der Waffenbrüderschaft Deutschland-Frankreich als Kern, bis hin zum Alleingang der BRD in den Kreis der Nuklearmächte.
Zur Beruhigung all derjenigen, die an die militärische Option des bundesdeutschen Atom-Programms nicht glauben (wollen): die WAA, die ALKEM, der SCHNELLE BRÜTER und alle mit Plutonium-Mischoxyd-Brennelementen betriebenen AKW's haben neben ihrer Bombenträchtigkeit noch eine weitere Gemeinsamkeit. Sie alle arbeiten mit größeren Mengen Plutonium, dem gefährlichsten aller bisher bekannten Gifte: im (un-)günstigsten Fall wirkt bereits ein millionstel Gramm tödlich.
Selbst die Atomwirtschaft geht bei der Pu-Verarbeitung von einem ca. einprozentigem Schwund aus, da Pu äußerst feinkörnig und ausgesprochen aggressiv ist. So kann es bspw. Dichtungen und Behälter zersetzen. Die Bevölkerung am Standort einer solchen Anlage kann sich also ausrechnen, wieviel Pu im Laufe der Zeit in den Atomanlagen hängenbleibt, in Abwässern und in der Luft verschwindet - und das schon im "Normalbetrieb", ohne jeden Unfall (was natürlich illusorisch ist). Wenn bestimmte Mengen Plutoniums zusammenkommen (ca. 4-6 kg) entsteht die Möglichkeit eines Kritikalitätsunfalls, d.h. "kleinerer" atomarer Explosionen.
Dr. Stoll, Geschäftsführer der ALKEM, hat aber für alle von diesen Anlagen Betrof-fenen ein paar tröstende Worte bereit:
"Kritikalitätsunfälle können trotz aller Vorkehrungen . . . nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Auch Warnsysteme kommen für die am Kritikalitäts-Unfallort befindlichen Personen meist zu spät."
Und: "Außerdem gibt es keine unmittelbaren Schadensfolgen - selbst
im Falle der Inhalation absolut tödlicher Mengen lebt man noch 3 Wochen
weiter."
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