"Die Bundesrepublik könnte nach Mitteilung des Instituts für strategische Studien in London pro Jahr 186 kleine Atombomben des Nagasaki-Typs herstellen, wenn sie alle Leistungs- und Forschungsreaktoren, die gegenwärtig für friedliche Zwecke arbeiten, auf die Produktion von Plutonium umstellen würde."
Dies ist keine Befürchtung unserer Tage, sondern 2l Jahre her (FR v. 19.11.65). Seit die CIA die Beruhigungspille "atoms for peace' fabriziert und Eisenhower sie 1953 verkündet hat, geht das Märchen von der "friedlichen Nutzung" der Kernspaltung um die Welt. Die amerikanische Kampagne "Atome für den Frieden" war aber eher das Gegenteil, sie sollte die US-Kontrolle über die Weiterverbreitung von Atombombentechnologie sichern. Ein Nebeneffekt war auch die Gewissensberuhigung für Atomwissenschaftler, selbst die "Kampf dem Atomtod"-Bewegung nahm die ironische Parole für bare Münze.
In den 50er und 60er Jahren war die militärpolitische Diskussion in der Bundesrepublik beherrscht vom Griff nach der eigenen Bombe. Mensch erinnere sich an Atom- und dann Verteidigungsminister Strauß, an die erste Vorlage des Atomgesetzes, in dem der Passus "für friedliche Zwecke" noch fehlte. Diese Beschränkung wurde erst auf massiven Druck der USA in das Atomgesetz aufgenommen, das dann am 3. 12. 59 verabschiedet wurde. Kaum war dies geschehen, drängte die Bundeswehrführung auf atomare Bewaffnung und erließ eine entsprechende, vertrauliche Heeresdienstvorschrift (132/1). 1966 galt die BRD bereits als "Schwellenmacht".
Und heute, 20 Jahre danach?
Trotz ihres, von weiten Teilen der CDU/ CSU bekämpften, Beitritts zum Atomwaffensperrvertrag hat die Bundesrepublik die Errichtung militärisch leicht nutzbarer Anlagen im Rahmen ihres "zivilen" Atomprogramms bevorzugt vorangetrieben. In Hanau steht schon jetzt, vor der beantragten Erhöhung der Kapazitäten, das weltweit größte Plutoniumlager eines Nichtatomwaffenstaates. Die Urenco-Urananreicherungsanlage bei Gronau besorgte 1984 schon 1200 Tonnen "Uran-Trennarbeit" im Jahr, was für rund 9 AKws vom Biblis-Typ reicht. Die Urenco arbeitet mit erheblicher staatlicher Unterstützung an einem neuen Verfahren, der Laser-Anreicherung, die in einem Schritt aus Reaktorplutonium hochreines Waffenplutonium herstellen kann. Auf den Schnellen Brüter in Kalkar und die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf sowie die bundesdeutsche Beteiligung am französischen "Super-Phönix", dem weltgrößten Brüter für waffengrädiges Plutonium, soll hier nicht eingegangen werden.
Unabhängig von der künftigen industriellen Anwendung der Laser-Anreicherung, geht es im folgenden um die Frage, ob das bei der ALKEM in Hanau lagernde Plutonium, das sich z.T. in staatlicher Geheimverwahrung befindet, zum Bau von Atombomben geeignet ist.
Auch der seit 16.10.86 der Mißachtung des Atomgesetzes angeklagte ALKEM-Geschäftsführer Prof. Wolfgang Stoll meinte bei dem Hearing im hessischen Landtag zur Proliferationsgefahr am 15.8.84: "Ich habe klar gesagt, daß wir keine Waffenexperten sind. Aber natürlich lesen wir Literatur. Soweit wir aus der Literatur entnehmen können, ist das Material, das wir hier haben, für militärische Zwecke denkbar ungeeignet." Auf die Literatur kommen wir noch zurück.
Zu offensichtlich sind inzwischen die Zusammenhänge zwischen "friedlicher" Plutoniumwirtschaft und Bombenbau, als daß die SPD noch die Augen verschließen könnte. Besonders leicht streitet sich für Sozialdemokraten gegen die WAA in Wak-kersdorf, weil damit gegen Strauß geritten wird (befürchten sie etwa, FJS wolle eine königlich-bayrische Privatbombe bauen?). Aber auch gegen den Schnellen Brüter im sozialdemokratischen Kernland NRW haben etliche Rau-Genossen etwas.
So erhob der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Wolfgang Roth, im Spätsommer 86 dreimal den Vorwurf, die Kohl-Regierung wolle mit der WAA den 1974 ratifizierten Nichtverbreitungsvertrag unterlaufen. (Gegen die Ratifizierung stimmten bekanntlich 92 z.T. hochrangige CDU/CSU-Abgeordnete.)
Riesenhuber fand das "demagogisch" und CSU-Staatssekretär Stoiber "niederträchtig". Roths Parteifreund Klaus Traube zieht den Bogen etwas weiter. Er bestreitet zwar das militärische Interesse hinter dem Aufbau der deutschen Atomwirtschaft ("atoms for peace"), erinnert aber daran, daß "die ganze Infrastruktur" für eine Atombewaffnung der Bundeswehr vorhanden ist. Und er befürchtet "mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit", daß die Kräfte, die die eigene Bombe wollen, die "Oberhand gewinnen" könnten.
Je mehr sich die Erkenntnis der Untrennbarkeit von militärischer und ziviler Seite der Atomwirtschaft verbreitet, desto mehr müßte auch in der SPD bewußt werden, daß die "Nuklearmetropole" Hanau bei dem Griff nach der Bombe ein wichtiger Knotenpunkt ist.
Oder steht einer solchen Einsicht die Auffassung entgegen, daß unter rot-grüner Landesregierung die Plutoniumwirtschaft keine Chance hätte? Oder die Ansicht, daß Reaktorplutonium ein untauglicher Stoff für Bombenträume sei?
Die ALKEM wurde ursprünglich geschaffen, um die Brennelemente für den Schnellen Brüter und die dazu gehördenden Versuchsanlagen zu liefern. Ein größerer Teil der bisherigen Aktivitäten der ALKEM umfaßte dementsprechend die intensive Bearbeitung der Brennelemente für den Schnellen Brüter SNR-300 in Kalkar. Mit der fortschreitenden Desillusionierung bei der Verfolgung der deutschen Brüterpläne lassen sich die vorliegenden Ausbau-pläne nicht erklären. Wie die ALKEM selbst äußerte, müßte sie in der Fertigung mit 1700 kg Plutonium im Jahr umgehen, um "dem derzeitigen Zuschnitt der Entsorgung in der Bundesrepublik zu entsprechen" (Dr. Stoll, Geschäftsführer der ALKEM, beim Hearing). Andererseits ist jedoch aus den Genehmigungsunterlagen zu erkennen, daß die Firma - sollte sie eine Genehmigung bekommen - mit Mengen zwischen 2 bis 4 Tonnen pro Jahr hantieren will. Die derzeitige Brütersituation könnte jedoch nur die Beibehaltung der bisherigen Kapazität rechtfertigen. Insbesondere wäre der Aufbau des Plutoniumlagers mit der beantragten Riesenkapazität nicht notwendig.
ALKEM will andererseits die Herstellung von Plutoniumbrennelementen für Leichtwasserreaktoren (mit dem Gehalt von 3 Prozent Plutonium) forcieren. Unter physikalischen Gesichtspunkten bringt dies im Reaktorkern eine ungleich größere Gefahr wegen der höheren Radioaktivität mit sich. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sind diese Plutoniumbrennelemente sinnlos, da auf viele Jahre hinaus das Uran und die Herstellung von Uranbrennelementen wesentlich billiger sind als Plutonium und die Herstellung von sogenannten MOX-Elementen.
Für die fernere Zukunft ist bei den Verantwortlichen wohl noch immer der Traum von der Brüterwirtschaft vorhanden, um weiterhin führend in einer Technologie zu sein, die sonst nur anerkannten Atomwaffenmächten zur Verfügung steht.
All dies erklärt jedoch noch nicht die beantragte riesige Lagerkapazität für Plutonium, die die ALKEM zum größten Plutoniumlager der "zivilen Welt" macht.
Klaus Traube sagt in seinem Buch "Plutoniumwirtschaft": "Die Kernenergiegemeinde, insbesondere die Brüter- und Wiederaufarbeitungsbranche' widersetzte sich zunächst mit der Behauptung, Plutonium aus Leichtwasserreaktoren sei gar nicht waffenfähig. Nachdem eine auf Carters Anweisung aus diesem Plutonium gebaute Bombe explodierte, herrscht hier Klarheit".
Prof. Kankeleit (Darmstadt) meinte dagegen beim Landtagshearing am 15.8.84, "daß man bei dem vorgesehenen zu lagernden Plutonium bei Alkem - mit 90 Prozent Plutonium-239-Gehalt; diese Zahl ist mir genannt worden - davon ausgehen kann, daß man selbst mit der primitivsten Schießtechnik' wie sie bei der Hiroshima-Bombe nach dem Kanonenprinzip angewandt wurde, bei einer projektierten 10-Kilotonnen-Bombe mit 2oprozentiger Wahrscheinlichkeit eine Explosionsstärke oberhalb einer Kilotonne erreichen wird . . . Eine Kilotonne - für diejenigen, denen diese Zahlen nichts sagen - ist etwa die Hälfte der Sprengkraft, die auf Hamburg heruntergegangen ist. Das ist etwa ein Zwanzigstel der Hiroshima-Bombe."
Selbst wenn man davon ausgehen sollte, daß das in der ALKEM gelagerte Material nur unter Schwierigkeiten waffenfähig ist, so bleibt die ALKEM den Nachweis schuldig, weshalb sie die angeführten Spezifikationen benötigt. Sie kann sich auch nicht damit herausreden, daß aus Gründen der Konservativität (damit ist gemeint: die ungünstige Zusammensetzung) nur für die Be-rechnung ein entsprechender Plutonium-vektor (Pu-240 5 Prozent) angesetzt wurde. Das von der ALKEM zu verarbeitende Plutonium enthält zu 5 % das nicht spaltbare Isotop Plutonium-240. Dieser Anteil entspricht nach den in den USA angelegten Maßstäben dem waffenfähigen Plutonium.
Will man eine Kettenreaktion auslösen so hängt dies davon ab, wie dicht die spaltbaren Kerne zusammengepackt sind. Dies Anordnung wird "Geometrie" oder "Konfiguration" genannt.
Bei der Explosion einer Atombombe wird gleichzeitig die Energie vieler Atomkerne freigesetzt. Damit dies auch funktioniert, muß ein "nichtkritischer Zustand" in einen "kritischen Zustand" gebracht wer den. Dies wird erreicht, indem entweder durch Zusammenschuß (Geschütz-Methode) oder durch Zusammendrücken (komprimieren) ein unterkritischer Zustand in einen überkritischen gebracht wird.
Bei einer Plutoniumbombe wird die zweite Methode (auch Implosions-Methode genannt) angewendet. Will man einer optimalen Effekt bei der Explosion dei Bombe erzielen, so muß das Neutron genau in dem Augenblick eintreten, in dem die Plutoniummasse am höchsten zusammengedrückt ist.
Bei Plutonium gibt es mehrere Isotope. Geht man allein von der Matenaifrage
aus
so ist das Plutonium 239 das am besten für Bomben geeignete. Je
mehr Plutonium-240 im Reaktor-Plutonium enthalten ist, desto schlechter
ist von der Materialseite aus die Möglichkeit des Bombenbaus. Da jedoch
bei Reaktorplutonium in höherem Maß das Plutonium-240 enthalten
ist, wird dadurch das spaltbare Plutonium-239 in seiner Spaltbarkeit beeinträchtigt.
Dieses Plutonium-240 spaltet sich spontan. Es werden dabei während
des Komprimierungsvorgangs Neutronen frei, die eine mögliche Frühzündung
der Bombe bewirken.
Von der technischen Seite her muß also bei einer Plutoniumbombe die Schießtechnik umso besser sein, je mehr Plutonium-240 im entsprechenden Spaitgemisch enthalten ist. Waffenplutonium enthält gewöhnlich weniger als 7% Plutonium-240. Das Plutonium aus den Atomkraftwerken kann dagegen sogar bis zu 30% des nicht-spaltbaren Plutonium-240 enthalten.
Das Plutonium wird bei der Schießtechnik (Implosion) in einer Hohlkugel von Sprengstoff umgeben. Bei der Zündung des umgebenden Sprengstoffs wird das Plutonium gleichförmig (kugelförmig zusammengedrückt. Jedes Plutonium ist im Prinzip waffentauglich. Wie gut eine Plutoniumbombe explodiert, hängt im wesentlichen von der Qualität der Anordnung des umgebenden Sprengstoffs ab.
Selbst wenn man davon ausgeht, daß reines Plutonium-239 am besten für den Bombenbau geeignet ist, so ist das mit 7% Pu-240 noch als waffentauglich bezeichnete Plutonium vom Reaktorplutonium nicht so weit entfernt.
Diese Überlegungen zeigen: Auch Reaktorplutonium ist noch zum Bombenbau geeignet- und zwar selbst ohne (Laser-) Anreicherung. Von der Strahlung her ist es zwar nicht ungefährlich, doch lassen sich Abschirmmaßnahmen finden, die die nötige Handhabung ermöglichen.
Diese Studie wurde erstellt im Auftrag des Bundesministers für Verteidigung, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Stellen des Verteidigungsbereiches und unterstützt durch Einzelforschungsaufträge des Verteidigungsministeriums mit Hochschulen und Industrieunternehmen. Die Informationen wurden mit der NATO abgestimmt. Als Aufgabe stellte sich, daß diese Informationen mit einem akzeptierbaren Schadensausmaß im militärischen und zivilen Bereich sowie mit militärisch-taktischen Erfordernissen verknüpft werden. Im einzelnen werden in dieser Studie die Aufbau-und Funktionsweise von Kernspaltungswaffen beschrieben, sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Implosion und Kompression von Kernspaltungsmaterial. Letzteres bezog sich also auf die jeweilige Technik, die zu einer Explosion führen soll.
Neben dem Material bedarf es auch der Kenntnisse für den Bombenbau. Diese Kenntnisse wurden, wie oben aufgeführt, bereits in den 70er Jahren über das Bundesverteidigungsministerium überprüft, erstellt und auch weiterverfolgt. Das nötige Wissen liegt in der Bundesrepublik ebenso vor, wie die militärisch nutzbare Infrastruktur. Anzumerken ist, daß eine Reihe von Techniken der Plutoniumbombe im zivilen Bereich längst verbreitet sind (z.B. die Sprenglinsen-Technik). Welche Bedeutung kann es in diesem Zusammenhang haben, daß die NUKEM bereits 1975/76 Tritium-Tragets für 2,5 Millionen DM an das Bundesverteidigungsministerium geliefert hat? (Tritium-Targets werden zumeist für Beschleuniger benutzt,wo sie als Neutronenquellen fungieren.) Neutronenquellen allerdings braucht man auch für die Zündung einer Atombombe.
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