neue hanauer zeitung Nr. 41, Februar 1988
Das idyllische Atomdorf,
die Unschuld vom Lande und die böse Welt
Hanau überdenkt sein Verhältnis zum Atom. Nach dem Bekanntwerden
des Proliferationsverdachts gegen Nukem treibt es am 16. Januar etliche
ältere Hanauer zum erstenmal zu einer Anti-Atom- Demo. Die Regionalgrößen
der SPD unterschreiben eine Erklärung: "Der Ausstieg ... ist jetzt
fällig." DGB-Funktionäre erwärmen sich für die Umwandlung
der Atombefriebe in ein Entwicklungszentrum für alternative Energien.
Landrat Eyerkaufer läßt am Tor des "Atomdorfs" die Lkw-Ladungen
polizeilich beäugen und darf in einer TV-Talkshow als Anti-Atom-Landrat
seine Verwaltungskennt- nisse zum Besten geben.
Die Degussa, die vor 28 Jahren die Nukem in die Welt gesetzt hat,
bleibt cool: Unter ihrer Obhut soll die vorerst stillgelegte Nukem "unter
geordneten Verhältnissen unverzüglich die Genehmigung zur Weiterarbeit"
erhalten. Und es sieht nicht so aus, als ob die Degussa noch lange warten
muß.
Auch das seit langem in der Schublade schmorende, künftige "Bundesamt
für Reaktorsicherheit" wird für Ordnung sorgen, die Atom-Entscheidungen
zentralisieren und mäkelnde Landesregierungen zur Raison bringen.
Beispiel: Die Inbetriebnahme des Schnellen Brüters, die von der SPD-Landesregierung
in Nordrhein-Westfalen in jüngster Zeit hinausgezögert wurde.
Derart widerspenstigen Landesregierungen - wer weiß schon, welche
nach den nächsten Wahlen da-zukommen - soll rnit dem neuen Bundesamt
die Genehmigungskompetenz entzogen werden.
Da stören solche kleinen Ungereimtheiten, daß die Degussa
die Selbstanzeige der Transnuklear über den Landtagswahltermin 1987
hinausg'ezögert hat, nur noch am Rande. (Immerhin wären andernfalls
all die teuren Zeitungsanzeigen, in denen die Hanauer Atombetriebsräte
gegen "rot-grün" Stimmung machten, für die Katz gewesen.)
Ist Eyerkaufer an allem schuld ?
Wo die stärkeren Bataillone zu finden sind, weiß auch der Freigerichter
Dorfpolitiker (UWG) und Nukem-Abhängige Reinhold Trageser. Er fordert
den Rücktritt von Eyerkaufer. Der nämlich habe nicht Wiedergutzumachendes
angerichtet, mit seinen Überprüfungen von Arbeitnehmern und Firmen.
Trageser steht ganz bestimmt nicht allein im Hanauer Atomdorf, wie
die Leserbriefspalten der Lokalzeitungen und das Fernseh-Stadtgespräch
in Wolfgang zeigen. Die Medien sind schuld, die Politiker... . Die betriebliche
Volksgemeinschaft steht wie eh und je hinter ihren Chefs, nur ein bißchen
kleinlauter als früher.
Die von ihrer Arbeit überzeugte Atomgemeinde, die in Hanau-Wolfgang
schlicht mit gehobenen Arbeitsplätzen, überdurchschmttlichem
Lohn und flotten Nuklearweisheiten zusammengebastelt worden ist, und die
durch Überwachung sauber gehalten wird, hält zusammen. Diejenigen,
die inzwischen auch schon mal auspacken, haben zumeist die nukleare Burg
längst verlassen und entdeckt, daß sie auch ohne Atom leben
können. (1)
Zur gleichen Zeit, als sich die Atomdorf-Bewohner von feindlichen Eyerkaufers
und Pressefritzen umringt sehen -wir schreiben den 15. Januar 1988 -, fordert
die Wochenzeitung Achbar Aljom in Kairo einen "Schutzangrift" auf Libyen,
um "Ghaddafis Atombombe" zuvorzukommen. Und in ganz Libyen herrscht
Luftalarm.
Solche Schläge werden ja nach den Luftangriffen auf das irakische
Atomzentrum in Tuwaitha (1980 und 1981) und auf die iranischen AKWs in
Bushir (1985 und zweimal 1986) langsam üblich. Auch Ghaddafi drohte
schon mehrfach öffentlich mit Luftangriffen auf die geheime israelische
Atombomben-fabrik in Dimona (zuletzt 1986). (2)
Aber was jucken solche kriegerischen Aktionen schon die Atomarbeiter
und -techniker in der Hanauer Atomburg ? Sie haben doch damit nichts zu
tun, gehen friedlich ihrer Arbeit nach, streiken nicht, lassen sich ohne
Murren überwachen, beweisen "fachliche Integrität", wie es der
Hanauer OB kürzlich nannte. Kriminelle Manager abgesetzt, jetzt wollen
wir weiterarbeiten
Unser Atom ist friedlich
Hanau hat mit dem absehbaren Einsatz von Atombomben zwischen Kriegsparteien
im Nahen Osten oder in der "Dritten Welt" schließlich nichts zu tun.
Und auch nicht mit den unabsehbaren Folgen. Unser Atom ist friedlich. Nur
das der anderen nicht.
Als die israelische Regierung am 7. Juni 1981 acht F-1 6-Bomber
und acht
Nukleare Unschuld 1
"Die Geschichtsforschung hat
längst klargestellt, daß die Arbeiten der deutschen Wissenschaftler
während des Krieges zum experimentellen Nachweis der Kettenreaktion
mit der Entwicklung von Waffen nichts zu tun hatten und vom Umfang her
auch nichts zu tun haben konnten."
Aus der Nukem-Jubiläumsbroschüre zum 25jährigen
Bestehen der Firma.
F-15-Begleitflugzeuge losschickt, um die beiden Reaktoren im irakischen
Atomforschungszentrum bei Bagdad zu zerstören, rechtfertigt
sie dies öffentlich durch mehrere Indizien, die für den geplanten
Bau einer irakischen Atombombe sprächen. Unter diesen Indizien wird
von Israel auch der Anfang 1980 an die Nukem vergebene Auftrag genannt,
10 Tonnen Brennstäbe aus abgereicherten Uranmetall zu liefern. Die
Stäbe seien so beschaffen, daß sie nur für den Osirak-Reaktor
paßten, wo in ihnen durch Bestrahlung etwa 10 bis 12 Kil~ramm Plutonium
hätte erzeugt werden können, wußte Israel.
Die Lieferung der Brennstäbe scheiterte, weil Nukems Uranlieferanten
in den USA und Kanada keine Ausfuhrgenehmigung erhielten. Die 16 an einem
arbeitsfreien Sonntag abgeworfenen 1000-Kilo-Bomben beschädigten die
Osirak-Reaktoren bekanntlich ganz erheblich (Schaden: 300 Mio. Dollar),
das Atombombenprogramm des Iraks wurde um drei bis vier Jahre zurückgeworfen.
Der Goltkrieg hat bisher offensichtlich eine Wiederaufnahme der Bombenforschung
verhlndert. (3)
Osirak ist nicht der einzige Fall: 1979 drangen israelische Agenten
in die französische CNIM-Werff von La Seyne ein und sprengten atomare
Anlagen, die für den Irak bestimmt waren.
Die Bombe im Keller
Die Israelis ihrerseits machen seit geraumer Zeit Politik mit der "Bombe
im Keller". Ist das die Lehre aus dem Holocaust? Schon 1965 wurde in der
NUMEC-Anlage in Apollo/Pennsylvania 53kg Uran-235 vermißt. Eine Untersuchung
ergab, daß seit 1957 insgesamt 178 kg Uran verschwunden waren. CIA
und Kongreß-Komitees vermuten, daß ein Teil des Urans nach
Israel geschafft worden ist. Da die Untersuchungen auf höchster Regierungsebene
behindert und schließlich gestoppt worden sind, wird angenommen,
daß die einem Zionisten gehörende NUMEC-Anlage nur ein Deckmantel
war, unter dem die USA die Entwicklung einer israelischen Atomstreitmacht
unterstützt haben.
Nukleare Unschuld II
"Am 10. August 1944 trafen sich im Ho-tel ,Maison Rouge'
im besetzten Straßburg Industrie- und Forschungskader des Dritten
Reiches, um zu beraten, wie die Atom- und Raketenforschung und die daran
beteiligten Persönlichkeiten für Deutschland' gerettet
werden könnten.
(...) Mehr als 500 Millionen Dollar wurden aus SS-Beständen
lockergemacht, um das Exil der prominenten Nazis und die Kontinuität
ihrer Arbeit sicherzustellen. Dieser ,weisen' Voraussicht ist es zu verdanken,
daß Franz Josef Strauß 1955 als Atomminister diese Leute nur
zu rufen brauchte, als er das Kader für die Entwicklung der deutschen
Kernenergie zusammenstellte,"
Die Schweizer Zeitschrift Konzept" im März 7980
öber das "Comeback von Hit-lers A tom forschem".
Nukleare Unschuld III
"So organisierte 1952 der spätere Gründer der
Firma Nukem, Dr. Heinz Schimmelbusch (seit 1936 Betriebsleiter bei der
Degussa> den Export von Uranmetall in das faschistische Spanien. (...)
1956 konnte Franz Josef Strauß in Ha-nau - dem
NS-Standort der Degussa - der erste nach dem Krieg gefertigte Uran-Brennstab
überreicht werden. Hergestellt wurde er aus Uran, das der Industrielle
Friedrich Flick entgegen den Besatzungs-bestimmungen seit 1950 im Fichtelgebirge
schürfen ließ."
Matthias Köntzel in "Auf leisen Sohlen zur Bombe?",
1987.
Da die Bundesregierung ihre Freunde unterstützt, hatte auch sie etwas
anzubieten: 1974 sorgte sich die Times, daß israelische Atomphysiker
und Ingenieure gleich in Teams im Kernforschungszentrum Karlsruhe arbeiten.
Im selben Jahr machte der israelische Präsident Katzir klar, daß
seine Regierung selbst Atomwaffen herstellen könnte. Das war wohl
schon länger der Fall.
Bonn dementiert
Schon 1958 bauten die Israelis in der Negev-Wüste mit französischer
Hilfe eine "Textilfabrik", die eine auffällige Ähnlichkeit mit
einem Atomreaktor besaß. Mit der Zeit mauserte sich die Anlage zum
heutigen geheimen Atomzentrum Dimona. Im Spätsommer 1967, mitten im
Jubel über den Blitzsieg im Sechstagekrieg, ist offenbar die Entscheidung
über den Bau einer Atombombe gefallen. Doch damit verschlossen sich
die Türen der bisherigen Uranlieferanten, immerhin stand der Atomwaffensperrvertrag
kurz vor dem Inkrafttreten. So kaufte der israelische Geheimdienst 1968
über eine Mailänder Deckadresse 200 Tonnen Natururan von einer
Brüsseler Uranhandelsgesellschaft. Als Zwischenhändler trat die
hessische Asmara-Chemie in Erscheinung, bei Nukem kein unbekannter Geschäftspartner.
(4) Als die "Scheersburg A" mit den 200 Tonnen Uran in See sticht, beginnt
die "Operation Plumbat". Kurz vor Zypern, auf hoher See, wird das Natururan
am 29. November 1968 auf einen Tanker umgeladen. Besatzungen und beide
Schiffe gehören zum israelischen Geheimdienst. 1977, als die Aktion
bekannt wurde, dementierten Bundesregierung und Alt-kanzler Kiesinger,
daß Bonn damals Israel bei dieser Uranbeschaffung gehol-fen habe.
"Amtliche Stellen" seien daran nicht beteiligt gewesen, versicherte damals
Regierungssprecher Bölling. Was für ein Dementi! Wie wirksam
die Euratom-Kontrollen sind, zeigt die Begebenheit, daß die europäische
Nuklearbehörde erst 7 Monate später das Verschwinden des als
"Katalysator-Stoff" angemeldeten Urans bemerkt hat.
Am Rande eines Atomkriegs
1973, im nächsten israelisch-ägyptischen Krieg, soll Israel bereits
über 13 Atombomben verfügt haben. Golda Meir soll angesichts
einer drohenden Niederlage bedrängt worden sein, mit einer Kernwaffe
über Ägypten ein Zeichen zu setzen. Doch sie wartete ab
und ihre Truppen konnten die Gegner noch rechtzeitig auf die altbewährte
Weise niedermachen. Jürgen Stelipflug im "Greenpeace-Report 2" dazu:
"Für Stunden jedoch stand die Welt 1973 am Rande eines Atomkriegs.
Ohne daß die Welt davon irgendetwas ahnte." (5)
Nukleare Unschuld IV
"Es sollte allen augenfällig sein, daß es
keine Grenzlinie zwischen der militärischen und der zivilen Reaktortechnobgie
gibt und daß es niemals eine solche gab."
A. T. Peasley, Los Alamos National Laboratory, USA,
im August 1981.
Wie so oft, wäre hinzuzufügen, denn schließlich haben
allein die USA von 1947 bis 1979 19mal den Einsatz von Atomwaffen angedroht,
um Niederlagen in regionalen Kriegen oder Konflikten abzuwenden. Davon
16 mal gegen Nichtatomwaffenstaaten. (6)
Seit den Enthüllungen von Mordechai Vanunu, der von 1977 bis 1986
in der Wiederaufarbeitungs- anlage im geheimen israelischen Atomzentrum
Dimona gearbeitet hat und dort vor seiner Kündigung heimlich fotografieren
konnte, wird das
Nukleare Unschuld V
"Der Einsatz der Kernenergie schont unsere Umwelt, hält
die Wälder, Flüsse, Tiere, Menschen und Pflanzen gesund."
Aus einer Wahlkampfanzeige der Hanauer Nuklearbetriebsräte
im Landtagswahlkampf 1987.
Atomwaffenarsenal des zionistischen Staates auf 100 bis 200 hochentwickelte
Sprengköpfe geschätzt. (Zuvor war man von ca. 20 eher primitiven
Atombomben ausgegangen.) Israel soll inzwischen auch in der Lage sein,
Wasserstoffbomben herzustellen. (7)
Die Bundesrepublik, aber auch andere Industrieländer, tun stets
so, als hätten ihre "friedlichen" Nuklearexporte mit dem Anwachsen
der Zahl atomarer Schwellenmächte nichts zu tun. Doch nach amerikanischen
Schätzungen reicht zu Beginn des nächsten Jahrzehnts in 17 Nationen
allein der unvermeidbare Plutonium-Schwund von jährlich 1 bis 2 %
aus, um Atomwaffen herzustellen. Auch in Anlagen der Industrieländer
kommt es immer wieder zu Plutonium-Verlusten oder Fehlern in der Bilanz
-wir kennen das ja von Alkem. Beispielsweise verschwanden in der WAA in
Savannah River/USA, mit der die Hanauer Betriebe bekanntlich eng zusammenarbeiten,
von 1955 bis 1976 rund 150 kg Plutonium. In der britischen WAA Windscale/Sellafield
fehlten von 1970 bis 1977 insgesamt 98 kg Plutonium in der Bilanz. Die
Liste ließe sich allein mit offiziellen Daten lange fortsetzen.
Schon 1978 warnte der Vorsitzende des zuständigen Unterkomitees
des US-Senats, L. Weiss: "Nach einigen Schätzungen haben 18 Länder
neben den Atomwaffenstaaten heute Zugang zur Wiederaufarbeitungstechnologie...
Der Diebstahl aus dem Wiederaufarbeitungsprozeß in einer Höhe
von 10 kg jährlich kann mit den angewandten Systemen nicht bemerkt
werden..." Selbst dann, wenn ein IAEO-Inspektor den Verlust von Plutonium
bemerken würde, hätte er keine wirklichen Befugnisse zum Einschreiten,
er könnte dies nur melden.
H-Bomben als Wegbereiter der Wasserkraft
Daß Atomsprengsätze umgekehrt für "zivile" Zwecke benutzt
werden können, ist nur eine weitere Perversion des Plutonium-Wahns.
Darüber wird nicht nur bei den Atomwaffenmächten nachgedacht,
sondern auch in der Bundesrepublik. Die Eigenheiten atomarer Sprengkörper
scheinen also hlerzulande keine Unbekannte zu sein. Ein Beispiel dafür
ist das berüchtigte Quattara-Projekt in Ägypten, das auf deutsche
Initiative zurückging. Mit Nuklearspren-gungen sollte nach diesen
Plänen in der ägyptischen Quattara-Senke ein Was-serkraftwerk
gebaut werden, das den Niveau- Unterschied zwischen dem Mittelmeerspiegel
und der Senke (60 Meter) nutzen sollte. Vorgesehen waren dafür 213
Wasserstoff-Bomben (!) von je 1 bis 1,5 Megatonnen Sprengkraft, die in
Tiefen von 100 bis 500 Meter unter der Erdoberfläche gezündet
werden und aneinandergereiht einen riesigen Graben ergeben sollten. Den
Auftrag für die Durchführbarkeitsstudie, von Bonn mit über
11 Millionen Mark mitfinanziert, erhielt 1975 ein Konsortium unter der
Führung der Lahmeyer International Frankfurt. Das größenwahnsinnige
Projekt scheiterte am internationalen Widerstand. Nicht zuletzt wurde befürchtet,
daß die Bundesrepublik bei dieser Gelegenheit eigene Nuklearsprengsätze
habe testen wollen.
Bombengeschäfte mit guten Bekannten
Die nukleare und waffentechnische Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit
dem Rassistenregime in Südafrika ist ein weites Feld. So bezichtigen
afrikanische Nationen seit langem die BRD, Südafrikas Atombombe mitentwickelt
zu haben, die am 22. September 1979 über dem Südatlantik gezündet
worden ist. Hier nur einige Schlaglichter auf die bundesdeutsche Nuklearpolitik
im Apartheidstaat: 1948 wurde der Wahlsieg der burischen Nationalen Partei
gegen die Briten maßgeblich mit deutschen Geldern finanziert. Hier
konnten dann deutsche Forscher, die Hitlers Atombombe nicht mehr rechtzeitig
zu Wege brachten, weiterarbeiten: Leute wie Dr. Verleger und Prof. Haul,
aber auch andere Atomwissenschaftler, insgesamt rund 100 Personen. Deutsche
Firmen - Siemens, Gutehoffnungshütte und Hochtief - bauten die
beiden Reaktoren Safari 1 und II. Unter den Zulieferern finden sich renommierte
Namen wie Degussa und Hoechst, aber auch Heraeus-Vötsch und Vakuumschmelze
Hanau.
Nukleare Unschuld VI
"Die Hanauer Atombetriebe schließlich beherbergen
schon heute das weltweit größte Potential bombenfäh iger
Stoffe, das ein Nicht-Atomwaffenstaat jemals besaß."
Aus der Schlußerklärung der Alternativ-konferenz
"A tombomben made in Germany?" am 8.9.7985 in Bonn.
1975 wurde die südafrikanische Urananreicherungsanlage in Valindaba
in Betrieb genommen, sie wurde wesentlich von STEAG und der Fa. Linde entworfen.
Unter den Zulieferern findet sich neben Großkonzernen wie Siemens
und MBB auch Leybold-Heraeus. Dazu angestrengte staatsanwaltschaftliche
Ermittlungen gegen Siemes, Leybold-Heraeus und Rheinmetall wurden jahrelang
hinausgezögert. Kein Wunder: Alle Bundesregierungen haben bisher die
nukleare Zusammenarbeit mit Südafrika gefördert. Die Nukem besitzt
übrigens 17,5% an der südafrikanischen Transnuklear South Africa,
die NTG Gelnhausen lieferte Nukleartechnik an das National Accelerator
Center in Stellenbosch, Südafrika. Zumindest für die Jahre 1969
bis 1975 existieren Hinweise auf eine geheime Zusammenarbeit, an der Regierungsvertreter
und hohe Militärs der Bundesrepublik beteiligt waren.
Im übrigen wird die "Zuverlässigkeit" der südafrikanischen
Uranlieferungen von der Atomlobby öffentlich gelobt. Der Anteil von
südafrikanischem Uran an der gesamten Importmenge wurde von 27% zu
Anfang der 70er Jahre auf 43% im Jahre 82 gesteigert. Kurz: ohne das völkerrechtswidrig
in Namibia abgebaute Uran würde die Hanauer RBU in große Schwierigkeiten
kommen.
Großangelegte Bestechungen
Besonders pikant sind die nuklearen Beziehungen der Bundesrepublik zu Argentinien:
1944, als die Nazis Vorbereitungen für die Zeit nach der absehbaren
Niederlage trafen, wendete die SS 500 Millionen Dollar aus eigenen Beständen
auf um das erreichte know-how für die Bombe nach Argentinien, Brasilien
und in andere Länder zu retten. So wurden allein 60 Millionen Dollar
zur Bestechung der argentinischen Regierung investiert, um Staatsbürgerschaften
für 7500 Nazis zu beschaffen. Woher das SS-Gold stammte, ist ja bekannt:
Auschwitz produzierte täglich 12 kg Gold, die Degussa-Tochter Degesch
lieferte von ihrem Kriegsstandort Hanau aus das nötige "Betriebsmittel"
Zyklon B. Später wechselten aus Argentinien viele Wissenschaftler
des Deutschen Uranvereins in das Atomprogramm der Adenauer-Regierung, die
bis zum Abschluß des Atomwaffensperrvertrags ganz offiziell die Produktion
eigener Atomwaffen verfolgt hat.
Nukleare Unschuld VII
...die Bundesrepublik ist deshalb praktisch von der Bombe
gegebenenfalls nur zwei bis drei Monate ,entfernt'. Hinter dieser Nähe
zur Bombe steht keine Absicht."
Robert Held, Berater der Herausgeberkonferenz der
FAZ in einem Leitartikel am 16. 8.79.
Argentinien war das erste Land, in das die KWU einen Reaktor exportieren
konnte. 1968 wurde der Vertrag über die Lieferung eines Schwerwasserreaktors
(Atucha 1) unterzeichnet. Solche Reaktoren kommen mit Natururan aus und
sind auch militärisch interessant. 1980 wurde der Bau eines zweiten
Natur-Uranreaktors vereinbart, der voraussichtlich 1989 in Betrieb gehen
wird. Seit 1983 verfügt Ar-gentinien auch über eine Urananreicherungsanlage;
von 1969 bis 1972 arbeitete eine Pilot-Wiederaufarbeitungsanlage (WAA),
seit 1979 ist eine größere WAA in Bau. Argentinien, das sich
erheblicher Natururanvorkommen erfreut, tritt mittlerweile selbst als Exporteur
von Atomanlagen auf.
Auch in Brasilien sind die Lichter schon längst aus
Auch Brasilien konnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf die Kenntnisse
namhafter deutscher Wissenschaftler zählen. Wenige Jahre nach dem
Krieg wurden allerdings drei Ultrazentrifugen aus Göttingen auf dem
Weg nach Brasilien von den USA beschlagnahmt, sie konnten erst 1956 ausgeliefert
werden. 1969 wurden ein Abkommen über Zusammenarbeit bei Atom-, Weltraum-
und Elektronik-technologie sowie 1975 der berüchtigte Atompakt mit
der Bundesregierung geschlossen. Dieser beinhaltete die Lieferung des gesamten
"Brennstoffkreislaufs": Acht AKWs, Reaktorfabrik, Brennelementefabrik,
Uranaufbereitungsund -anreicherungsanlage, Wiederaufarbeitungsanlage. Das
Geschäft konnten die Deutschen abschließen, weil sie ohne Bedingungen
verkauften.
Im Land der Urwaldströme und mächtigen Wasserfälle hatte
der damals regierende Diktator Geisel behauptet: "Ohne Atomstrom gehen
in Brasilien schon 1985 die Lichter aus." Die nukleare Aufrüstung
Brasiliens und das große Atomgeschäft für die bundesdeutschen
Exporteure leidet jedoch sehr unter der katastrophalen Verschuldung Brasiliens,
lediglich Anreicherung und Wiederaufar- beitung machen größere
Fortschritte. Auf dem Gebiet des Schnellen Brüters, dem idealen Zwei-Zweck-Reaktor
für Waffenplutonium, bahnt sich neuerdings eine argentinisch-brasilianische
Zusammenarbeit an. Beide Staaten wollen außerdem zusammen atomgetriebene
U-Boote entwickeln.
Uranboykott gegen BRD
Der 1975 auf Regierungsebene mit Brasilien geschlossene Atompakt sorgte
international für erhebliche Aufregung. USA und UdSSR drängten
Bonn, den Vertrag zu revidieren. Beide Weltmächte beanstandeten die
Anlagen zur Anreicherung und Wiederaufarbeitung. Die sozial-liberale Bundesregierung
stritt zunächst den Bruch des Atomwaffensperrvertrages ab. Als sich
diese Argumentation nicht mehr halten ließ, fiel der Bundesregierung
ein, daß eine langfristige Nichtverbreitungspolitik Länder wie
Brasilien "in die internationale Zusammenarbeit . . . integrieren" müsse.
Da Bonn sich so unein-sichtig zeigte, griff US-Präsident Carter
damals zu einem wirksamen Mittel, zum Uranboykott. Trotz der damit bewirkten
Rückzieher der Bundesregierung werden in Resende die brasilianische
Anreicherungsanlage voraussichtlich 1988 fertiggestellt und eine Wiederaufarbeitungsanlage
gebaut. Natürlich sind auch Hanauer Atomfirmen am Brasiliengeschäft
beteiligt: Die RBU lieferte Brennelemente, die Nukem Forschungsreaktoren
und eine Brennelementefabrik.
Leybold war dabei
Die nukleare Zusammenarbeit der BRD mit Pakistan, das am 13.6.83 seine
erste Atombombe gezündet haben soll, ist in den vergangenen Wochen
ausführlich in der Presse beleuchtet worden. Pakistan treibt seit
der Niederlage im Krieg mit Indien 1971 den Bau von Atomwaffen zielstrebig
voran. Die Bundesregierung hat die nuklearen Ambitionen Pakistans mit dem
Austausch von Wissenschaftlern und der Ausbildung von pakistanischen Atomtechnikern
im Kernforschungszentrum Karlsruhe unterstützt. Der "Vater der islamischen
Bombe", Abdul Quadir Khan, berichtete bereits im vergangenen Jahr, daß
europäische Firmen ihm die Teile für Nuklearanlagen geradezu
aufgedrängt hätten. Wen wundert's ,bei den Gewinnspan-nen? Natürlich
war auch wieder ein Hanauer Unternehmen dabei: Leybold-Heraeus lieferte
bereits in den 70er Jahren für sechs Millionen Mark Spezialgeräte.
(Leybold-Kollegen werden sich auch an die jüngsten Pakistan-Trips
ihrer Chefs erinnern.)
Auch an der 1974 gezündeten indischen Bombe waren westdeutsche
Firmen nicht ganz unbeteiligt. So lieferte etwa die Hoechst-Tochter Uhde
1973 eine Schwerwasseranlage für Natururanreaktoren. Daneben versorgte
die NTG Gelnhausen das indische Energiedepartement mit Nuklearinformationen,
und die RBU verkaufte Brennelemente. Seit über einem Jahrzehnt arbeitet
die BRD mit Indien intensiv in der Raketenforschung zusammen.
Weitere nukleare Zusammenarbeit pflegt die Bundesrepublik mit Ägypten
(Bau von AKWs), Indonesien (Brennelementefabrik und Forschungsreaktor von
Nukem), Iran (Weiterbau der gestoppten AKWs), Mexiko (Versuchsreaktor von
Nukem), Niger, Peru (Forschungsreaktor von Nukem), Südkorea (Urananreicherung,
Brennelemente von Nukem), Taiwan, Türkei (Rahmenabkommen, hochangereichertes
Uran von Nukem). In mehreren anderen Ländern sind bundesdeutsche Firmen
an der Uransuche beteiligt.
Diese, hier noch oberflächlich gehaltene Liste deutscher Weltpolitik
mit Hilfe des Atoms läßt sich buchweise fortsetzen. Das Tabu
von der bundesdeutschen Option auf die Bombe hat die nhz schon in vielen
Ausgaben - unter anderem in den Sondernummem "Atomenergie - Bombengeschäft"
und "Tödliche Geschäfte" - behandelt und wird es auch weiterhin
tun.
Zum Schluß unseres kurzen Ausfluges in die Atompolitik läßt
sich folgendes festhalten:
-
1. Die Nazis und ihre Atomwissenschaft1er, die mitten im Zweiten Weltkrieg
er kannt haben, welche Macht von der Kern. spaltung ausstrahlt, haben alles
ihnen Mögliche getan, um diese Kraft für dic Herrenmenschen zu
retten. Sie haben frühzeitig ein nukleares Netz über die Welt
gespannt, um deutscher Herrlichkeil einen Platz an der Seite der künftigen
Atommächte zu sichern.
-
2. Die Adenauer-Regierung versuchte zu garantieren, daß diese
Bombenträume Realität werden und verhalf auch auf diesem Sektor
den Altnazis zu dem nötigen Einfluß.
-
3. Sowjetunion und USA konnten und wollten das nicht dulden. Ende der
6Oer Jahre konnte der Traum von der deutschen Bombe nur noch unter Ausschluß
der Öffentlichkeit weiterverfolgt werden. Und die akzeptierte angesichts
des Atomwaffensperrvertrags und der "neuen sozialliberalen Zeit" das damit
verbundene Denkverbot.
-
4. Auch die sozialliberale Regiernng spann das atomare Netz - nun allerdings
unter dem Deckmantel der sog. zivilen Technologie - noch dichter um den
Globus. Sie sicherte den deutschen Unternehmern damit das Wohlwollen zahlreicher
Diktaturen und auf diese Weise regionale Waren- und Kapitalmärkte.
Das Modell Deutschland handelte erfolgreich mit der Bombentechnik unter
dem Ladentisch, mit "sensitiver Technologie".
-
5. Gleichzeitig wurde die eigene militärische Option stets auf
Weltniveau gebracht, nicht nur mit dem Plutonium in der Hanauer Schatzkammer,
sondern auch in der Raketentechnik und im know-how.
-
6. Natürlich kann ein sozialdemokratischer Parteisoldat wie Holger
Börner nicht akzeptieren, daß die naiven Grünen nicht verstehen
wollen, wie sehr die Verteidigung "unserer" nuklearen Interessen zur Regierungsfähigkeit
gehört. Also rettete er den Ausbau der Plutoniumwirtschaft und ließ
die rot-grüne Koalition platzen, auch wenn es das schöne Ministerpräsidentenamt
kostete.
Eberhard Stickler
Anmerkungen
(1) Wie zu vernehmen ist, soll die zahl der Kündigungen
durch Mitarbeiter seit dem Nukem-Skandal erheblich angestiegen sein.
(2) In jenen Januartagen 1988 herrschte in den arabischen
Nachbarländern Entsetzen über die Libyen-Connection-Vorwürfe
gegen Nukem. Im Hafen von Tripolis - so berichteten Korrespondenten - sei
wiederholt Plutonium und angereichertes Uran aus Antwerpen eingetroffen,
allerdings mit anderslautenden belgischen Frachtbriefen.
(3) Israel zeigt sich entschlossen, die "BeginDoktrin"
durchzusetzen. Sie lautet: "Wir werden keinem Feind jemals erlauben, Massenvernichtungswaffen
gegen unser Volk einzusetzen." S.a. Feldman: Bombing of Osiraq; sowie den
israel. Regierungsbericht Iraqi Nudear Threat.
(4) Mit der Asmara-Chemie in Hettenhain hatte die Nukem
z.B. 1969 den Atomwaffensperrvertrag beinahe umgangen. Im Proliferations-Hearing
1984 des Hess. Landtags gestand der Nukem-Manager Hackstein ein, daß
die Firma 1969 232 kg "natürliches Uranoxid" an die Asmara verkauft
hat, die es an Argentinien liefern wolite. Das Geschäft mit dem waffentauglichen
Uran wurde auch bei der Euratom-Behörde angemeldet, allerdings erst
Wochen nach dem Deal. Die Brüsseler Atomkontrolleure konnten gerade
noch den Transport nach Argentinien verhindern. Die Asmara gab daraufhin
das Uran an Nukem zurück.
(5) 5. Spiegel v. 9.5.77, dpa v. 23.5.77, stern v. 13.5.80
(6) 5. Coppik/Roth: Am Tor der HöHe, 1982
(7) Vanunu wurde bekanntlich kurz vor der Veröffentlichung
in der "Sunday Times" im Oktober 1986 vom israelischen (Geheimdienst entführt
und soll nun in einem Geheimverfahren verurteilt werden.)
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