Bernd Reuter, SPD-MdB aus Nidderau und Mitglied des Bonner Nuklear-Untersuchungs-
ausschusses, bestätigt "nach Kenntnisstand der Fraktion" die Authentizität
des IAEO-Berichtes. Reuter: "Die von Professor Schlich analysierte Schwachstelle
bei den IAEO-Kontrollen ist ist bisher von der Öffentlichkeit, von
den Medien, übersehen worden, sofern die Daten zugänglich waren."
Ob der "interne Bericht" bisher anderen Journalisten vorlag, können
wir nicht sagen. Fakt dagegen ist, daß neben dem öffentlich
zugänglichen Teil Eins des Berichtes - mit Fahrtkostenabrechnungen
der Wiener Spaltstoffflußkontrolleure und anderen ähnlich wichtigen
Informationen - die der Geheimhaltung unterliegenden Teile Zwei und Drei
allen Vertragsstaaten und den dort zuständigen
Aufsichtsbehörden vorliegen. (Und hier hat sich Professor Elmar
Schlich zugunsten von Weimar und Töpfer geirrt: Der von ihm untersuchte
IAEO-Safeguard-Report ist nicht nur ein Entwurf, sondern identisch
mit der Endfassung, der den Umwelt- und Reaktosicherheitsministern vorliegt.
Auf Anfrage behauptete das hessische Umweltministenum zwar zunächst, den IAEO-Bericht nicht zu kennen, um sich bei einer weiteren Anfrage auf den Satz zurückzuziehen: "Wenn das mit den Fehlerquoten so im Bericht steht, wird es wohl stimmen." So die Pressesprecherin des Herrn Weimar. Die Minister Töpfer und Weimar wissen spätestens seit Erstellung des Berichtes von der Möglichkeit, besonders bei Großfirmen' vom Spatstoff-Fluß nicht unerhebliche Rinnsale in noch dunklere Kanäle abzupumpen.
Bernd Reuter bezüglich der Kontrollpraxis der IAEO zur nhz: "Bei den Aussagen der Wiener vor dem Bonner Untersuchungsausschuß wurde klar: Es geht der IAEO nicht darum, Abzweigungen zu verhindern. Die recherchieren lediglich den Abzweigungen hinterher."
Und wie schwer es den gerade mal 99 Wiener Kontroll-Zwergen bei ihren weltweiten Recherchen gemacht wird, belegt ein Ergebnis der Sitzung des Bonner Untersuchungsausschusses Mitte Juni ,89: Die Kraftwerksunion (KWU) hat 1979 bei einem Milliarden-Atomgeschäft mit den argentinischen Militär-Diktatoren die erheblich kostengünstigere kanadische Konkurrenz aus dem Feld geschlagen. Möglich wurde dieser so garnicht marktwirtschaftliche Deal, durch die verbindliche Zusage der KWU an die argentinischen Generäle, sie bräuchten dem Atomwaffensperrvertrag nicht beizutreten. Die Sprachregelung für diesen Punkt im Geschäftsabschluß steuerte ein gewisser Otto Graf Lambsdorff bei - so die Aussagen der Zeugen in Bonn. Daß der Graf sich jetzt weigert, zu diesem Thema vor dem Ausschuß auszusagen, ist gut nachvollziehbar. So, wie in diesem und in anderen Fällen mit dem Weiterverbreitungsverbot hantiert wurde, verstärkt das zumindest die Befürchtung, daß die "Bilanzungenauigkeiten" der Wiener Kontrolleure gezielt zur Weiterverbreitung von Spaltstoffen genutzt werden könnten.
Dieses und anderes findet sich in einem Bericht mit dem Namen: The Safeguards Implementation Report For 1987, Berichtsnummer GOV/2338, IAEO 1988.
Dieser Bericht - und das ist das Besondere - ist aber kein veröffentlichter
Report, obwohl er in langen Passagen wortgleich ist mit dem offiziellen
Jahresbericht 1987 der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien
(IAEO). Es ist der unzensierte Berichtsentwurf der IAEO für 1987.
Dieser Report beweist, daß der offizielle Sprachgebrauch von
den unerbittlichen Kontrolleuren der IAEO und der EURATOM Gerede
ist, Schönfärberei, Wunschdenken vielleicht.
Pro Jahr erstellt die IAEO mit Hilfe der von den Firmenbetreibem vorgelegten Zahlen (also nicht aufgrund eigener Messungen) eine Buchhaltung für jeden überwachten kerntechnischen Betrieb. In der BRD werden alle kerntechnischen Betriebe überwacht. Dies stellt für Reaktoren kein großes Problem dar, weil es sich bei den zu überwachenden Dingen um zählbare Einheiten, die Brennelemente, handelt.
Die weltweit größten überwachten Betriebe solcher Art finden sich - wo sonst - in Hanau: die vormalige RBU und die vormalige Alkem.
Je nach Art des kontrollierten Materials berechnet man zunächst
die SQ, das ist die sigtufikante Menge, also die Menge, die eine Waffe
ausmacht. Bei Plutonium sind dies übereinstimmend acht Kilogramm.
Dabei spielt keine Rolle, ob es sich um "Reaktorplutonium" oder "Waffenplutonium"
handelt; die Kontrolleure unterscheiden dies nicht, und sie wissen auch
warum: weil auch mit " Reaktorplutonium" mit etwas Aufwand eine massentödliche
Waffe gebaut werden kann.
Aus der signifikanten Menge (SQ) berechnet man die AVG, das ist die
Bilanzungenauigkeit.
Nun sollte man glauben, daß das Ziel und das Ergebnis der Kontrolle darin besteht, daß eine Jahresbilanz zumindest so genau ist, daß Abzweigungen einer signifikanten Menge entdeckt werden! Daß also bei der Alkem die Bilanzungenauigkeit (AVG) z.B. 1987 kleiner ist als acht Kilogramm Plutonium.
Das Gegenteil ist der Fall: die Bilanzungenauigkeit bewegte sich bei
sechs großen überwachten Plutoniumfabriken im Jahre 1987 zwischen
dem 1 ,62-fachen und dem 6,55-fachen einer waffenfähigen Menge. Das
jedenfalls ist die Aussage des Berichtsentwurfs der IAEO für 1987.
Klar auch, daß dieser Satz im veröffentlichten Bericht fehlt.
Ähnliches findet sich für uranverarbeitende Betriebe: hier war die Bilanzungenauigkeit bei 80% aller überwachten Anlagen im Bereich einer waffenfähigen Menge, die Ausnahmen hiervon betrafen genau die Anlagen, die große Mengen nuklearen Materials handhaben; hier berechnete sich die Bilanzungenauigkeit auf Werte zwischen dem 1,06-fachen und dem 8,3-fachen einer waffenfähigen Menge.
Im Klartext: Wenn in einem grossen überwachten Plutoniumbetrieb innerhalb des Jahres 1987 bis zu 52,4 kg Plutonium (6,55 x 8 kg) fehlen, dann merkt das keiner. Und dennoch gilt für diese Betriebe das Ziel der Überwachung als erreicht!
Also auch die schon beträchtlichen Bilanzungenauigkeiten sind für immerhin 37 % der überwachten Betriebe noch nicht groß genug. Gründe dafür finden sich nur als Beispiele; eines davon ist das eingangs zitierte Beispiel!
Da fragt man sich nur noch, was die parlamentarischen Untersuchungssausschüsse
denn noch untersuchen? Oder andersherum gesagt: die ihnen zugewiesene Aufgabe,
nämlich das nach den Nuklearskandalen aufgeschreckte Wahlvolk zu beruhigen,
haben sie erfüllt.
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