neue hanauer zeitung Nr. 65, April 1990


Nuklear-Schach: Damen-Opfer

oder: 
Wie im Transnuklearprozess die Königswege der Proliferation gerettet werden

Mitte 1989. Kurz nach dem Abheben von der Startbahn-West löst der ehemalige Transnuklear-Vertriebsleiter St. erst den Gurt. Dann löst sich auch seine Zunge.

Mitten aus der FAZ-Lektüre spricht ihn sein Nachbar mit Sorgenfalten in der Stimme auf die düsteren Wolken über dem Hanauer Atomdorf Wolfgang an. Wie kann die schon arg gebeutelte Nukemführung aus dem TN-Ermittlunngs-rummel herausgehalten werden? Wird Jelinek-Fink seinen TN-Geschäftsführer Vygen noch halten können? Der TN-Vertriebsleiter lächelt wissend: »Der Vygen, der wird das Damen-Opfer.« Er weiß über viele kleinere und größere Nuklear-Schachzüge zu berichten, das verkürzt die Flugzeit. Was er nicht weiß: sein Nachbar ist nhz-Redakteur.

»Damen-Opfer«? Wer Schach spielt, weiß, wann die zweithöchste Schachfigur bewußt fallengelassen wird: wenn die Könige vor dem sicheren Schach-Matt stehen. Daß mit der »Dame« auch einige »Bauern« und »Läufer« fallen würden, war noch während der staatsanwaltlichen Ermittlungen von anderen TN-Mitarbeitern zu erfahren.

Konkrete Personen wurden schon damals genannt: so der Sachbearbeiter im TN-Geschäftsbereich Abfall, Diplomingenieur Wilhelm Bretag, als »Bauer« an der Front im belgischen Mol, die Gruppenleiter und Diplomchemiker Dr.Bernhard Christ (Spitzname: Fliegen-Christ) und Hans Günther Knackstedt (Spitzname: Knacki) als »Läufer«. Und über der »Dame« Vygen schwebend die »Könige«, die Geschäftsführer der Nukem: Stephany (gleichzeitig JN-Auf-sichtsratsvorsitzender) Jelinek-Fink und Hackstein, stellvertretend für denhochangereicherten Nuklear-Adel aus RWE, Degussa, Siemens & Co.

Marschordnung auf dem Nukem-Transnuklear-Schachbrett

Im Nukem-Triumvirat, Stephany, Jelinek-Fink und Hackstein, gab es Ende der siebziger Jahre Streit um die wuchernde Mitgift einer größer werdenden Tochter. Seit die Transnuklear 1976 von Frankfurt nach Hanau-Wolfgang umgezogen war, stiegen die Gewinne aus dem Abfallgeschäft explosionsartig an. Das eigentliche Standbein der TN, die Transportbehälter-Entwicklung und -Produktion verlor an Bedeutung.

Dem bis dahin Allein-Geschäftsführer der TN und Vertrauten von Stephany, dem Chemiker Dr. Horst K. wird 1979 ein technischer Geschäftsführer zur Seite gestellt: Jelinek-Fink entsendet aus seiner Nukem-Bau-Projektabteilung seinen »von preußischer Pflichterfüllung geprägten« Dr. Peter Vygen, dem dann ab 1980 der höchstprofitable TN-Bereich Abfall untersteht. Ganz normaler Vorgang, könnte man meinen. Tatsächlich ist es die Austragung eines Nukeminternen Diadochenkampfes zwischen Stephany und Jelinek-Fink um den Zugang zur TN und ihren Gewinnen: Hatte die Nukem 1980 einen Umsatz von 100 Millionen DM bei lediglich 1% Gewinn vor Steuern, waren es bei der TN 20 Millionen Umsatz bei satten 10% Gewinn. Über die konnte Jelinek-Fink mit seinem Vertrauten Dr. Vygen jetzt indirekt mitvervygen. Der wegen seiner Trinkgewohnheiten zeitweilig gehandikapte Stphany konnte dieses Manöver nicht verhindem, zumal schon vorher der Rodenbacher Rechtsanwalt Ulrich Timm als kaufmänni-scher Geschäftsführer speziell zur Entlastung des offenbar überforderten TN-Aufsichtsratsvorsitzenden Stephany eingestellt wurde.

Dem bisherigen Allein-Geschäftsführer, Dr. Horst K., der sich im Geschäft mit radioaktivem Abfall die Finger nicht schmutzig machen wollte, kam diese Regelung sehr gelegen. Gleichwohl hat er, der weltgewandte, acht Sprachen (u.a. flämisch) sprechende, äußerst integer wirkende Chemiker, entscheidende Grundsteine für das große TN-Abfallgeschäft gelegt. Er kannte sich bestens im belgischen Mol aus und hat als direkter Vorgesetzter den TN-Abteilungsleiter und rekordverdächtigen Atommüll-Akquisiteur Holtz gefördert: »Den muß man machen lassen, der Holtz hat ein goldenes Händchen.« Dr.Horst K. - sinngemäß -über Holtz)

Ein Indiz dafür, daß Dr. K. über die »Entsorgungspraxis« der TN Bescheid wußte, sind die Aussagen von TN-Mitarbeitern über Auseinandersetzungen zwischen Dr. K. und Dr. Peter Vygen im Jahr 1980, bevor im gleichen Jahr dann die Zuständigkeiten in der Geschäftsführung geteilt wurden: K. für Behälter, Vygen für Abfall.

Bauern-Opfer bei Nukem TN ohne eigenes Rechnungswesen

Wenn Dr. Peter Vygen preußische Offiziersmentalität für sich als Positivposten reklamiert, weiß er auch, wohin preußische Offiziere ihren jeweiligen Führern gefolgt sind. Klar ist, daß zur Abwicklung der TN-Dreckgeschäfte Gefolgschäftsgeist, eine gehörige Portion Skrupellosigkeit, Korpsgeist sowie ein quasi-militärischer Führingsstil gebraucht wurden.

Im Wirrwarr von Scheinfirmen, Scheingeschäften, Schwarzgeldwaschaktionen und Schrniermittelbeschäffung hat sich eine ganze Reihe von kleinen Lichtern aus der Nukem-Buchhaltung verfangen. Die TN hatte kein eigenes Rechnungswesen, alle Aktionen liefen über die Buchhaltung der Mutter Nukem. Und die hatte Anweisungen von oben. Wenn zum Beispiel für 500.000 Mark ein Schiff geschartert wurde für eine Kreuzfahrt mit allen AKW-Größen an Bord, mußte dafür der Chef vom Nukem-Einkauf herhalten wie für alle sonstigen "Werbegeschenke". Und die Nukem-Buchhaltung mußte das alles irgendwie unterbringen. »Alles auf Anweisung von Stephany«, ist aus dem Kreis der Betroffenen zu vernehmen, die pro Kopf zu 3.000 DM Geldstrafe verurteilt und dann von der Nukem geschaßt wurden. Als Geschäftsführer der Nukem und TN-Aufsichtsratsvorsitzender müßte er zumindest davon gewußt haben.

Bauernopfer ist nicht gleich Bauernopfer

Wem beim Ausdruck »Bauernopfer« der gerechte Zorn aus Yaak Karsunkes »Bauernoper« hochkommt, ob der Ausbeutung und Unterdrückung der Unterprivilegierten, wem angesichts der Geldstrafen für die kleinen Angestellten Mitleidstränen in die Augen schießen, der sollte seinen Zorn und seine Tränen für andere Gelegenheiten sparen. Die Herrschaften aus Nukem-Einkauf und -Buchhaltung haben bis zu 3 Jahresgehältern Abfindung erhalten und sind auch wieder in Brot und Arbeit, vielleicht nicht mehr ganz so komfortabel. So arbeitet der Ex-Einkaufs-Chef der Nukem (früheres Jahresgehalt 100.000 DM) jetzt als Verkäufer in einem vergleichsweise popeligen Büro-Centrum in Gelnhausen. Der Mann kann sich mit seiner Abfindung und seinem - jetzt wahrscheinlich gedrittelten - Jahreseinkommen noch ganz gut über Wasser halten.

Daß die Nukem für die - angesichts des TN-Schlamassels notwendige - »Säuberung« ihrer Buchhaltung einige hunderttausend Mark hinblättert, stimmt nachdenklich. Könnten die für gerichtlich Abgeurteilte doch ziemlich hohen Abfindungen vielleicht so was wie Schweigegelder sein? Schließlich hatten die Stephany-Untergebenen im Nukem-Rechnungswesen nicht nur TN-Geschäfte buchhalterisch zu bewältigen, wenn die Hanauer Nuklear-»Könige« von ihren »Arbeitsessen« aus dem Sheraton-Hotel zurückkehrten.

Im Fall des Angeklagten TN-Gruppenleiters Christ scheint es bei Nukem so etwas wie eine Schweige-Position zu geben.

Christ, laut Anklage einer der Hauptbetrüger, wurde direkt nach der TN-Liquidation von der Nukem übernommen. »Der macht zusammen mit dem Anton (Strahlenschutzbeauftragter) die Demontage von Nukem-Alt«, hört man aus Wolfgänger Belegschaftskreisen. Der Bock als Gärtner. Christ zog als »Abfall-Zementierer« von Kern-raftwerk zu Kernkraftwerk, betonierte den Abfall in Fässer und ließ die hin- und herfahren. Endlostransport ist billiger als Endlagerung. Endlagerfahig waren die Fässer nie: die Strahlung aus dem Abfall zersetzt den Zement, das im Zement gebundene Wasser wird frei, Wasserdampf entsteht und die Fässer platzen. Die Nukem-Alt-Demontage wird noch spannend. Der richtige Mann auf dem richtigen Posten. Stephany macht's möglich. Und Dr. Bernhard Christ sitzt im Prozeß, schweigt und lächelt. Er wird seinen Grund haben.

Schweigen ist Gold.

Wer redet, ist auf dem Holtz-Weg
oder
Der rätselhafte Tod eines Kronzeugen

Manchmal ist Reden Silber, manchmal ist Reden redlich, manchmal ist es tödlich.

Der TN-Abteilungsleiter Holtz, als glänzender Akquisiteur einer der entscheidenden Motoren für die TN-Abfallgeschäfte, war bekannt als redseliger Säufer.

Er hat als einziger bei den Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft ausgepackt. Wesentliche Teile der Anklage stützen sich auch auf seine Aussagen.
Wie er sich in der Untersuchungshaft erhängen konnte und, warum er sich erhängt hat, ist nicht nur für den Autor rätselhaft. Hanauer Richter fragen schon mal in Privat-gesprächen, wie es möglich ist, daß eine Hauptfigur im millionenschweren TN-Verfahren nicht ausreichend bewacht und durchsucht wurde. Jeder mittlere Dealer würde obligatorisch gefilzt, jeder Schnürsenkel konfisziert.

Wurde ihm aus Fahrlässigkeit die Möglichkeit zum Selbstmord gelassen oder mit Absicht? Oder hat ihm jemand die Möglichkeit (nach-)geliefert? Welcher Personen-kreis hat den selbst schwerbelasteten Kronzeugen in der U-Haft besucht?

Selbst der Staatsanwalt hat seine Zweifel

Die Vermutung, daß es bei der TN-Affäre um mehr als nur die Vertuschung von Entsorgungsbetrug geht, liegt nahe. Der Hanauer Oberstaatsanwalt Farwick jedenfalls bezweifelt die Angemessenheit der Bestechungssummen im TN-Skandal. Ihm sind die Summen zu hoch dafür, daß lediglich ein offenes Geheimnis unter der Decke gehalten werden sollte. Alle Strahlenschutzbeauftragten der bundesdeutschen Atomkraftwerke wußten oder konnten zumindest wissen, daß im belgischen Mol nicht dem Atomgesetz entsprechend entsorgt wurde und werden konnte. Von tatsächlicher Entsorgung ganz zu schweigen. Was aus Mol zurückkam, war nicht endlagerfahig, war nicht kundenspezifisch behandelt, war zusammengepanscht, um in etwa die gleiche Zusammensetzng zu erreichen, wie der von einzelnen AKWs über TN angelieferte radioaktive Abfall, war zum Teil Abfall von anderen Kunden.

Zig-Millionen Bestechungsgelder, um zu verheimlichen, daß eine offenkundig nicht geeignete Anlage nicht die atomrechtlich erforderlichen Leistungen erbrachte? Wohl kaum nur dafür.

Was wußten der Verfassungsschutz, der BND, der MAD?

Die nicht sonderlich schwer zu entwirrende Konstruktion von Scheinfirmen, Scheingeschäften, vorgetäuschten Leistungen. Schwarzgeldkassen und Geheimkonten der Beteiligten im TN-Skandal hat vielleicht gereicht, um das Finanzamt zu foppen. Aber doch nicht die bundesdeutschen Geheimdienste.

Wer wissen wollte, welche Geschäfte wer im Hanauer Nuklear-Bermuda-Dreieck Wolfgang laufen hat, konnte es herauskriegen.

Alle Finanzaktionen der TN liefen über die Nukem-Hausbank, die Degussa-Bank (eine l00prozentige Tochter der Deutschen Bank und wurde eigens gegründet, um die UN-Sanktionen beim Goldgeschäft mit Südafrika zu unterlaufen). Und die deutschen Dienste Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst wollen nicht nur, sie müssen auch wissen, welche Finanzaktionen im Nuklearbereich getätigt werden.

Jede/r Mitarbeiter/in wird vom Verfassungsschutz obligatorisch gecheckt: Bankverbindungen,  Geschäftsbeteiligungen, Funktionen, Lebenslauf etc.; alle werden mehrere Wochen observiert und routinemäßig wiederkehrend dem Verfassungs-TÜV unterzogen. Ganz besonders geprüft werden die höheren Funktionen: Geschäftsführer, Abteilungs- und Gruppenleiter. Bei einer Personengruppe ist eine Steigerung der Überwachungsintensität kaum noch möglich: alle Angestellten oder Beamten privater oder staatlicher Transportunternehmen, die Kenntnisse über die Transportwege radioaktiven Materials haben. Warum ein DKP-Mitglied nicht einmal Lokführer sein darf, diese Frage läßt sich damit beantworten. Ob Speditionen wie Schenker oder die Bundesbahn, ob die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) oder die Hanauer Transnuklear, hier entgeht nichts und niemand den Argusaugen des Staatsschutzes. Daß die Finanz-Abenteuer der vier wackeren Nukletiere im Dienste König Stephanys durch die Verfassungsschützer von Anfang an beobachtet wurden, daß dem Staatsschutz keine Geldbewegung auf normalen oder Geheim-konten im Zusammenhang mit derTN entgehen konnte, liegt auf der Hand. Die Überprüfung von Geheimkonten ist für die Dienste kein Problem: ihre Codes lassen sich mit jedem PC mittlerer Leistungsfähigkeit knacken. Die Dienste sind dazu auch verpflichtet.

Dank CIA konnte der Verfassungsschutz alle TN-Transaktionen überwachen

Daß sie es ohne viel Mühe können, haben sie u.a. der CIA zu verdanken: der US-amerikanische Geheimdienst hat seit Jahren verhindern können, daß die US-Geschäftsbanken fünfstellige Konten-Geheimnummern erinführen.

Der letzte Versuch der US-Banken, wegen der Sicherheitsbedürfnisse ihrer Kunden die fünfstelligen Kontengeheimnummern durchzusetzen, ist vor ca. einem Jahr - wie der SPIEGEL berichtete - wiederum an einer CIA-Initiative gescheitert. Hintergrund der Initiative war: bei fünfstelligen Geheimnummern ist der Rechenaufwand so groß, daß eine lückenlose, schnelle Überwachung  des Geldverkehrs unmöglich wird. Begründet wurde die Initiative mit der Überwachung des Geldverkehrs im Rauschgifthandel. Die vierstelligen Geheimnummern lassen sich dagegen mit jedem normalen PC knacken.

Warum die deutschen Dienste, die mit Sicherheit die TN-Finanztransaktionen überwacht und gekannt haben, nichts unternahmen, wirft wiederum einige Fragen auf.

Bestochene und Bestecher im Nuklearbereich sind, zumal es nicht nur deutsche Geheimdienste geben soll, jederzeit erpreßbar. Erpressungsgefahr besteht jedoch dann nicht, wenn sich die potentiellen Opfer von Erpressungsversuchen der Unterstützung, Duldung und Deckung durch die eigenen Geheimdienste sicher sein können. Wie die deutschen Dienste über die Proliferation deutscher Nuklearfirmen über Brasilien und Südafrika Bescheid wußten und nichts dag-gen unternommen haben, weil es politisch nicht (oder noch nicht) gewollt war, so kann es auch hier sein.

Proliferation mit dienstlicher Deckung?

Daß die IAEO- und die Euratom-Kontrollen über den Spaltstoff-Fluß nicht sonderlich lückenlos und zuverlässig sind, haben die US-Geheimdienste längst erkannt. Am Frankfurter IG-Farben-Hochhaus haben sie ein Riesengerät installiert, das u.a. den Großen Feldberg mit seinen Telekom-Einrichtungen anpeilt und den gesamten Telefonverkehr abhört. Jedes Telefongespräch, in dem eine bestimmte Wortkombination vorkommt, wird automatisch aufgezeichnet und ausgewertet. Zu den Reizwörtern für das US-Gerät gehören: »Plutonium« und »Uran«. Daß deutsche Dienste nicht über vergleichbare Abhörtechnologie verfügen, ist äußerst unwahrscheinlich.

Eine Plutoniumfluß-Kontroll-Lücke, über die die nhz bereits ausführlich berichtete, ist der »Abfall« (nhz 43 »Nukem von innen«, nhz 51 »Atomkontrollen machen Plutonium-Schwarzmarkt möglich«). Spaltstoff-Bilanzungenauigkeiten. Spaltstoff-Differenzen werden in allen Nuklearanlagen seit Jahrzehnten in den einzigen nicht kontrollierten und schlecht kontrollierbaren Emissionsweg hineinbilanziert. Der Input von Uran und Plutonium wird gemessen, der Outnut über Abluft und Abwasser. sowie der Output in Form von Brennelementen. Nicht gemessen werden die Emissionen über den Abfall.

Bomben aus der Mülltonne?

Daß der »Abfall« ein lohnender Proliferationsweg sein kann, beweisen verschiedene, vom Kernforschungszentrum Karlsruhe KFK) und von der Nukem entwickelte und vom Bundesforschungsminister geförderte Verfahren, die zwischen 50 und 90 Prozent des im Abfall enthaltenen Plutoniums zurückgewinnen können.

Das KFK-Verfahren wurde im belgischen Mol ausprobiert und mit EG-Mitteln finanziert. Dort gelang es, aus nur 4 Kubikmetern hannlos scheinendem Abfall 6 Kilogramm Plutonium zurückzugewinnen. Und bereits 8 Kilogramm Plutonium gelten offiziell als waffenfähige Menge. Wie hieß es doch in unserem Artikel zum Kontrollbericht der Internationalen Atomenergie B-hörde (IAEO): »Wenn in einem großen überwachten Plutoniumbetrieb innerhalb des Jahres 1987 bis zu 52,4 kg Plutonium... fehlen, dann merkt das keiner. Und dennoch gilt für diese Betriebe das Ziel der Uberwachung als erreicht! « (nhz 51).

Vier Kubikmeter Abfall sind 10 der üblichen 400-Liter-Fässer, die in Mol angeliefert wurden. Der Jahresdurchsatz in Mol lag aber bei 4.000 Fässern mit radioaktivem Abfall, mit Sicherheit genug Material, um daraus Spaltstoff für etliche Bomben zurückzugewinnen.

Warum nicht der Abfall, sondern TN-Chef Dr. K. in die Wüste geschickt wurde

Daß der TN-Abfall in verschiedenster Hinsichtjede Menge Zündstoff enthält, dürfte der ehemalige TN-Geschäftsführer Dr. Horst K. spätestens seit 1987/88 bemerkt haben. Damals rauschte durch den Blätterwald die Freudenmeldung, China böte mit der Wüste Gobi eine ideale Endlagerungsmöglichkeit für westdeutschen Atommüll an. Ausgangspunkt der Frohen Botschaft:

Dr. Horst K. war bis morgens früh um vier Uhr durch Düsseldorfs Edeletablissements getingelt. Mit von der Partie: der Düsseldorfer Warentermin- und »Rohstoff«-Händler Hempel, dem nachgesagt wird, daß er mit allem, auch mit scharfschießenden Endprodukten handelt. Am Ende des Marsches durch die einschlägigen Düsseldorfer Institutionen kamen der Doktor und der Händler zu einem genialen Vertragsabschluß: TN darf seinen Abfall nach China in die Wüste Gobi kippen. Genauere Konditionen sind hier nicht von Interesse, entscheidend ist, was folgte. Auf Druck der USA interveniert die Bundesregierung und besteht auf Annullierung des Vertrages. TN-Oberaufseher Stephany gerät in Rage, kanzelt Dr. K. wegen »Kompetenzüberschreitung« ab. Der rechtfertigt sich ziemlich verunsichert mit einem Satz, der das Atomdorf noch monatelang erheitert: er habe nachts um 4 Uhr Dr. Hackstein nicht mehr anrufen können.

Anschließend schmeißt ihn Stephany aus der TN-Geschäftsleitung.

Er wird zwecks anderweitiger Verwendung umgesetzt, will sagen, statt dem Abfall in die Wüste geschickt.

Ziemlich viel Lärm um das bißchen Abfall? Die US-Geheimdienste, die letztlich den Transunklear-Deal mit der VR China verhindert haben, wußten genau, was chinesische Atombastler aus dem westdeutschen Nuklear-Kelrrricht noch alles hätten herausholen können.

Daß im Transnuklearprozeß die entscheidende Komponente des Abfallgeschäfts, die Proliferation nicht Gegenstand der Anklage ist, laßt sich nur damit erklären, daß es seitens der Bundesrepublik kein politisches Interesse an der Aufklärung dieses Punktes gibt. Am Ermittlungswillen der Staatsanwälte liegt es wahrscheinlich nicht. So bleibt in diesem und durch diesen Prozeß die strukturelle und faktische Nähe des gesamten bundesdeutschen Nuklearkomplexes zum Bombenbau hinter dem Schau-Opfer einiger schwarzer Schafe verborgen.

Die Bauernopfer im Nuklearschach retten die Königswege der Proliferation und verschleiern den klaren Kurs des Staates und der Atomwirtschaft zur Nuklearmacht.

Hartmut Barth-Engelbart


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