ÖPNV im MKK – keine Satire; Realität

Silke und die Kultur

Silke Bauer, 17, besucht das Grimmels-hausen Gymnasium in Gelnhausen. Im Deutschunterricht bei Herrn Dr. Rolf Müller wird Hermann Hesse durchgenommen. Silke hat erfahren das Hesses Siddharta verfilmt worden ist und derzeit in Frankfurt im Kino läuft. Gerne möchte sie sich den Film ansehen. Er läuft in den Berger-Kinos in der Bergerstraße in Frankfurt täglich um 17.15, 19.00 und 21.30 h. Das Kino wirbt mit der günstigen ÖPNV-Anbindung: direkt an der U 4-Haltestelle Bornheim-Mitte gelegen, außerdem erreichbar mit den Bussen 32, 34, 43, 69 und N4 sowie mit den Straßenbahnlinien 12, 22, 23 und 25 erreichbar – besser geht’s wohl nicht. Silke hat aber etwas Pech: sie wohnt im Main-Kinzig-Kreis. Auch dort wohnt sie nicht ganz zentral, aber auch nicht allzu abgelegen: Ihre Wohnung ist in Brachttal-Schlierbach, direkt an der Bundesstraße 276, vor ihrer Wohnung fahren alle Busse aus den Gemeinden Brachttal und Birstein entlang, direkt zum Bahnhof Wächtersbach.

Innerhalb ihrer Heimatgemeinde Brachttal kann man also gar nicht günstiger wohnen. Der Nahverkehrsplan des Main-Kinzig-Kreises sagt hierzu aus: „Der ÖPNV in der Gemeinde Brachttal weist eine relativ gute Angebotsqualität hinsichtlich Erschließung, Direktheit und Beförderungs- und Reisezeit auf.“ Zur Direktheit ist darüber hinaus aufgeführt: „Der Hauptort Schlierbach, das Mittelzentrum Wächtersbach und der Bahnhof Wächtersbach sind ab alle Gemeindeteile überwiegend ohne Umsteigevorgänge erreichbar.“ Auch mit dem Reisezeitverhältnis hat sich der Nahverkehrsplan auseinandergesetzt; er kommt zu dem Ergebnis, daß eine Reisezeit die das 1,5fache des MIV beträgt „noch akzeptabel“ ist (S. 25). In Anlage 1-5 (Mängelanalyse Brachttal) wird festgestellt: „Reisezeitverhältnis: Die Grenz-wert für einen akzeptablen Reisezeit nach Hanau Freiheitsplatz wird in den Gemeinden Streitberg und Spielberg knapp überschritten.“ Na also: nur in den peripheren Ortsteilen von Brachttal gibt es eine Überschreitung der 1.5fachen Reisezeit, gemessen am Auto – und selbst da nur knapp. Kann Silke also frohlocken?

Sie kalkuliert natürlich von hinten: von ihrer gewünschten Ankunftszeit: der Film beginnt um 17.15 h, einige Minuten mehr oder weniger machen nichts aus, am Anfang läuft eh nur Werbung. Eine spätere Vorstellung einzukalkulieren wagt Silke nicht: sie weiß, daß im Raum Wächtersbach früh die Bürgersteige hochgeklappt werden. Und in Frankfurt sind die Verbindungen ja wirklich optimal: eine U4 kommt um 17.14 h in Bornheim Mitte an, Abfahrt in Frankfurt Haupt: 17.06h – das sieht gut aus. Der Stadtexpress 16.16h ab Wächtersbach reicht dazu leider nicht aus, also muß Silke bereits den Regionalexpress 15.46 h ab Wächtersbach nehmen. Um den Zug in Wächtersbach um 15.46 h zu erreichen muß sie für die wenigen Kilometer aber bereits eine Stunde früher, um 14.46 h in Schlierbach abfahren. (In Wächtersbach hat sie dann 45 Min. Zeit). Sie benötigt also geschlagene zweieinhalb Stunden um ins Kino zu kommen.

Das Kino ist kurz vor 19 h aus, Silke nimmt die U4 ab Bornheim Mitte um 18.58 h, sie ist am Hauptbahnhof um 19.06 h, von wo aus sie die nächste Bahn nach Wächtersbach nimmt. Dort kommt sie 20.10 h an. Der nächste Bus geht morgen früh um 5.00 h.

Wie hieß es doch so schön: der Grenzwert für eine akzeptable Reisezeit wird nicht überschritten. Silkes kulturelle Bedürfnisse können nicht befriedigt werden, als Bewohnerin des Main-Kinzig-Kreises hat sie dafür eben keine Chance. Dumm gelaufen, Silke.



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