Dr. med. Ralph Krolewski

Liebe Freundinnen und Freunde,

wer uneingeschränkte Solidarität mit den USA fordert, darf nicht übersehen, dass die Regierung der USA verantwortlich für das Handeln ihrer Streitkräfte ist, während innerhalb der amerikanischen Bevölkerung sehr wohl auch andere Gesichtspunkte und Konsequenzen für eine amerikanische Außenpolitik diskutiert und gefordert werden. Ein bemerkenswerter Beitrag ist der heute in Chicago veröffentlichte Artikel von Jesse Jackson, dem bekannten Bürgerrechtler (s. Anlage).

Unser Fiasko in Deutschland ist, dass wir zwar mit stolzgeschwellter Brust in internationaler Verantwortung überall mitreden wollen, aber das vielfältige und lebendige und kontroverse Innenleben unseres großen Vorbildes jenseits des Atlantiks wenig bekannt ist. Es reichen die Worte der amerikanischen RegierungsvertreterInnen, um in Deutschland ein Bild der USA zu erzeugen, welches virtuell ist und in unseren Köpfen vorhandene Trugschlüsse aufgrund fehlenden Wissens verankert. Aufgrund dieses fehlenden Wissens entsteht die Gefahr der Manipulierbarkeit und insbesondere, wenn es darum geht, Zustimmung zu militärisch-kriegerischen Handlungen zu erhalten. Diese zielen ja nicht primär daraufhin , die Situation der afghanischen Bevölkerung zu verbessern und ein verbrecherisches Regime als Ultima-ratio-Maßnahme durch Krieg zu stürzen. Die bekannten Gründe dazu der permanenten Menschenrechtsverletzungen und besonders gegenüber Frauen haben bislang kaum eininternational entschiedenes Auftreten gegenüber den Taliban mit sich gebracht. Der "Kampf gegen den Internationalen Terrorismus" droht zum Show-down einer verwundeten Großmacht mit ihren vielfältigen Gegnern zu werden.

Menschenrechtsfragen werden dabei funktionalisiert im Rahmen von Legitimitätsstrategien für Gewaltanwendung gegenüber den erklärten Gegnern. Unter Ägide der UNO hätte es sicher kein Bündnis mit der Nordallianz gegeben , deren Menschenrechtsverletzungen bekannt sind, wäre der internationale Bündnisprozess gegen die terroristischen Organisationen und Strukturen zwar langsamer gelaufen, aber langfristig sicher nachhaltiger, da er eher auf eine gerechte internationale Ordnung, gegründet auf "peace and justice" (s. J. Jackson), abgezielt hätte. Wer sich dem Zwang unterwirft, immer das Gesetz des Handelns zu bestimmen und dominant sein zu müssen, bereitet Gewalt und Gegengewalt den Weg. Wer entscheidet jetzt, ob Streubomben eingesetzt werden und gegen welche Ziele? Welche Menschenrechtserwägungen leiten die planenden Militärs in den Einsatzzentralen? Welche Unterscheidungsmerkmale besitzen Kampfpiloten im schnellen Anflug auf Menschenansamlungen zwischen bewaffneten Mudjaheddin und Flüchtlingsgruppen? An solchen Entscheidungen hängt viel ab.

Erinnert sei an die Situation im Kosovo, als 200 russische Fallschirmjäger den Flughafen von Pristina besetzten und seitens des NATO-Oberbefehlshabers die Bombardierung befohlen wurde. Der englische General Jackson, NATO-Verantwortlicher im Kosovo weigerte sich am Telefon, diesen Befehl auszuführen, mit der Begründung, dass er nicht den Dritten Weltkrieg wolle. Im Augenblick sieht es nicht so aus, als ob in Afghanistan Großmächte aufeinanderprallen könnten, aber jedes gewalttätige militärische Handeln hat massive Auswirkungen auf die Menschen weltweit. Gewalttätiges Handeln setzt Menschen unter Druck und in Angst oder fördert ihre eigene Gewaltbereitschaft, die inneren Bilder der gewalttätigen Geschichte der Menschheit leben in jedem mit unterschiedlichen Reaktionsbildungen fort. Diese Zyklen zu durchbrechen erfordert eine auf Frieden abgestimmte internationale Politik, die nicht durch militärische Supermächte erreicht werden kann, sondern durch eine von vielen Nationen in ihrer kulturellen Unterschiedlichkeit getragene gemeinsame Vision einer friedlichen Zukunft und einer gemeinsamen Anstrengung der Abwehr terroristischer Gefahren. Auch ein solcher Weg erfordert Opfer, aber sie werden transkulturell getragen und sind nicht mit der Vorstellung einer kulturellen Hegemonie verbunden. Erst mit einer solchen Politik wird dem Terrorismus langfristig der Boden unter den Füßen entzogen.

Dr. med. Ralph Krolewski
Facharzt für Allgemeinmedizin-Psychotherapie
Dümmlinghauser Str. 76



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