Prof. Dr. Hartmut Weber
Gier, Haß und Unwissenheit als Ursachen des Leidens
Ansprache bei der halbstündigen multireligiösen Friedensandacht auf dem Platz des Westfälischen Friedens in Münster vor Beginn des dortigen Ostermarsches am 30. März 2002. - Überarbeitete Fassung

Gier, Haß und Unwissenheit sind nach der Lehre des Buddha die Ursachen des Leidens.

Wir erleben sie tagtäglich und hautnah. Ich brauche nur auf die letzten 24 Stunden in Jerusalem hinzuweisen. Haß erzeugt immer wieder neuen Haß. Nationalistisch erzogen, dann zum begeisterten Hitlerjungen geworden, habe ich einen langen Lernprozeß durchmachen müssen, um diese Gesetzmäßigkeit zu begreifen.

Wie steht es mit der Gier? Ohne die Prinzipien der Profitmaximierung und der Kostenminimierung würde unsere Marktwirtschaft nicht mehr funktionieren. 1972 verpflichteten sich die Industriestaaten auf der Konferenz von Algier, 0,7 % ihres Bruttosozialproduktes den Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Wieviel gibt bis heute die Bundesrepublik? Ganze 0,3 %!

Die Zerstörung des Worid Trade Centers war verbrecherisch und bleibt es. Sie ist ein Ausdruck des Hasses!
Aber ist es nicht verständlich, daß als Folge der Gier, d.h. der Ausbeutung und wirtschaftlichen Unterdrückung der Dritten Welt durch die reichen Länder des Westens ein Haß entsteht, der durch Unwissenheit zu derartigen Taten fähig macht?

Was ist Unwissenheit? Diese bezieht sich nach buddhistischer Lehre nicht nur auf die letzten Fragen um Leben und Tod, sondern auch auf die ganz konkreten Probleme im Alltag. — Unwissenheit herrscht nicht nur bei den Terroristen, welcher Religion, Weltanschauung oder politischer Richtung sie auch immer angehören mögen. Unwissenheit herrscht auch in den kapitalistischen Ländern und soll nach Berlusconi geradezu noch gefördert werden. „Tränen, Blut und Busen" hat die Frankfurter Rundschau am 27. März dieses Jahres die „Prinzipien" des italienischen Filmgewaltigen und derzeitigen Ministerpräsidenten umschrieben, der so gierig auf die Fettstückchen des zerfallenen Kirchimperiums ist.

Was hat das mit Frieden zu tun?

Sehr viel - aber nur in negativer Hinsicht. Die Leute sollen verdooft werden! Denn um so weniger merken sie: Der Krieg ist schon da!

Aber wir wissen es nicht oder wollen es nicht wissen. Wir haben ja noch keine Lebensmittelmarken und Kleiderkarten für die Zuteilung von Eßwaren und Klamotten wie im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. - Aber wissen wir, wo die deutschen Bundeswehreinheiten in Afghanistan sind? Wissen wir ganz genau, daß es bisher noch keine Toten und Verletzten gegeben hat? Wir werden unwissend gehalten, unwissender als im Zweiten Weltkrieg!

Wirtschaftswissenschaftler früherer Generationen und einige wenige der jetzigen sprechen von der gegenseitigen Abhängigkeit aller ökonomischen, politischen, sozialen, psychologischen und aller anderen Faktoren. Nichts anderes lehrt der Buddhismus. Gier und Haß führen eben nicht zu dem notwendigen Wissen, schon gar nicht zu jener marktwirtschaftlichen Harmonie, wie dies uns liberale Ökonomen seit den Zeiten des Philosophen und Ökonomen Adam Smith im 18. Jahrhundert glauben machen wollen.

Wie aber aus diesem Schlamassel herauskommen?

So wichtig richtige politische Entscheidungen sind, d.h. Entscheidungen, die dem Leben und nicht der Zerstörung dienen - wir müssen gleichzeitig bei uns selber anfangen.

Loslassen! Zum Beispiel die eigene Gier bekämpfen, die durch die tägliche Femsehreklame bestens gefördert wird! Können wir nicht sehr viel bescheidener leben?

Wo das Loslassen beim einzelnen anfängt, muß jeder selber wissen. Vieles, was wir haben, brauchen wir nicht, ich z.B. nicht die Masse der Bücher, die ich besitze. - Beim Tod können wir eh nichts mitnehmen.

Aber es geht nicht um die Ruhe im ewigen Frieden, sondern um den konkreten Frieden hier und jetzt, der durch Gier, Haß und Unwissenheit verhindert wird.



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