Dies klingt sehr abstrakt. Ich möchte versuchen, es an einem geanz kleinen Teilbereich, dem Verkehrs-verhalten festzumachen. Daß Autofahren irgendwie schädlich ist, wissen wir alle. Gewöhnlich (er)finden wir jedoch genug Ausreden, diesen bequemen Weg der Fortbewegung zu nutzen. Obwohl ich bereits lange in der Öko-Bewegung mit gearbeitet habe (z.B. bei ROBIN WOOD und dem VCD) bediente auch ich mich gern dieser Ausreden. Dies änderte sich schlagartig, als Anfang 1991 der Krieg gegen den Irak begann, der hunderttausende von Menschen das Leben ko-stete. Die Beteiligung hieran, so der Bundes-kanzler, sollte durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer finanziert werden. Zwar wußte ich immer, daß Autofahren schädlich ist, aber daß ich an der Tankstelle die Bombardierung irakischer Kinder finanzieren sollte, war für mich ethisch untragbar.
Konsequenterweise bedeutete dies, das Auto von einem Tag auf den anderen
abschaffen. Geht das, wenn man außerhalb der Großstadt wohnt?
Bisher hatte ich dies bestritten. Wollte ich mich nicht der Menschentötung
mit schuldig machen, mußte es gehen. Bisher hatte ich immer als Ausrede
benutzt, es sei praktisch unmöglich von meiner Wohnung zum Arbeitsplatz
mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen. Ich hatte dies geglaubt,
meine Zuhörer auch, hatte doch keiner wirklich die Möglichkeiten
recherchiert. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, daß es ging,
sogar besser als erwartet.
Auch zu allen anderen Wegen, die mir wichtig waren, konnte ich öffentliche
Verkehrsmittel benutzen. Einige wenige Dinge mußte ich sein lassen.
Keines davon war mir wichtiger als die Vemeidung der Menschentötung.
Ich stellte fest, daß Einkäufe für eine fünfköpfige
Familie auch spielend mit dem Fahrrad erledigt werden konnten. Ein Problem
war noch die Tatsache, daß ich einmal monatlich 12 Kästen Getränke
für das ÖkoBüro Hanau besorgte, in 0,33l-Flaschen, die der
Laden um die Ecke nicht hatte. Doch auch dies war kein Problem. Zwei Tage
zuvor bestellt, waren die Getränke dann auch vörrätig. Jeweils
zwei Kästen kann ich auf dem Fahrrad transportieren. In den fünf
Jahren ist dabei noch nichts zu Bruch gegangen - und hervorragend kann
man dabei die Achtsamkeit einüben. Ich kenne Leute, die aus Zeitgründen
mit dem Auto zu buddhistischen Zentren fahren, um dort Gehmeditation zu
üben. Anstatt dort zu gehen wo sie sind: Achtsamkeit zu üben
ist nicht an die Anwesenheit von Buddha-Figuren gebunden.
Urlaub hatte ich zwanzig Jahre fast immer mit dem Wohn-mobil gemacht. Dabei war ich der irrigen Ansicht, daß ein Urlaub, in dem ich 12.000 km zurücklegte um 50% erfolgreicher (erholsamer?) sei, als ei-ner, in dem ich nur 8.000 km zurücklegte. Im ersten Jahr ohne Auto wollte mein Sohn (damals 8 Jahre alt) gern nach Wien zum Prater. Ich hatte niemals zuvor so viel Zeit für meinen Sohn: zunächst brachte ich ihm Fahrrad fahren bei, dann besorgten wir gemeinsam die Campingausrüstung und machten Probetouren, dann fuhren wir nach Wien - 1200 km. Und Plötzlich war nicht mehr der Prater in der Erinnerung meines Sohnes die Hauptsache, sondern all die tollen Dinge, die wir in den vier Wochen Fahrradtour zusammen machten.
Der Golfkrieg ist vorbei - und jetzt? Wahrheitsgemäßes Erkennen ist der erste Schritt des Achtfachen Pfades. Eines der größten Probleme des kommenden Jahrhunderts ist der Treibhauseffekt, der wesentlich auf den steigenden CO2-Gehalt der Luft zurückzuführen ist. Ursache sind die gestiegenen Verbrennungsprozesse: Wohnungsheizung, Kraftwerke und eben Verkehr, um die drei größten Bereiche zu benennen. So empfiehlt die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die CO2-Emis-sionen pro Kopf bis zum Jahr 2050 auf 2.300 kg pro Kopf und Jahr zu begrenzen, weil mehr global nicht verträg-lich ist, son-dern den Tod vieler Wesen, auch von mindestens 1.000.000.000 Menschen bedeuten würde. Derzeit liegen die Emissio-nen bei 14.000 kg, also um 500% über dem Zielwert. Allein die Verkehrsemis-sionen liegen bei 4.370 kg. Von wem soll ich eigentlich erwarten, daß er achtsam genug ist, daraus die Lehren zu ziehen, wenn nicht von mir als Buddhist? Wer bitte sollte denn seine eigen Gier hinanstellen, um Wesen zu retten, wenn nicht ich als Buddhist? Also ist autofahren weiterhin abgesagt, macht doch das Auto 32,4% aller entsprechenden Emissionen aus (Wuppertal-Institut: Wuppertal Paper Nr. 43, zitiert nach fairkehr 6/95), während die Bahn nur auf 2,7%, der Öffentliche Personennahverkehr auf 3,4% kommt.
Woher aber kommen die übrigen 60%? Größter Emittent mit 35,5% (und damit noch verhängnisvoller als das Auto) ist der Flugverkehr. Man stelle sich vor: der Bundesbürger stößt mehr schädliche Treibhausgase mit seinen wenigen Flugstunden pro Jahr aus, als mit seinen vielen PKW-Stunden und mehr als 10 Mal soviele wie mit seinen Fahrten mit Öffentlichen Verkehrsmitteln. Neulich war ich in einem buddhistische Kloster. Da wurde von einigen Laienanhänger mit dem Mönch darüber diskutiert, für ein verlängertes Wochenende nach Thailand zu fliegen. Vielleicht ist es manchmal auch wichtig, Achtsamkeit nicht nur in der Meditation, sondern auchbeim Lesen Tageszeitung zu üben! Ich habe es mir jedenfalls zur Übung gemacht, die Wichtigkeit von Fernreisen zu hinterfragen. Sollte eine Veranstaltung in Thailand mir so wichtig, sein, daß ich auch bereit wäre, mich zu Fuß dorthinzubegeben, so werde ich daran teilnehmen. Veranstaltungen von geringerer Wichtigkeit, können mich nicht mehr verlocken, daran teilzunehmen. Ich halte dies für eine Möglichkeit die Gier zu besiegen und den Dünkel: meist erscheint uns irgendetwas nämlich nur wichtig.
Weitere 12,7% aller treibhausrelevanten Verkehrsemissionen kommen übrigens durch den LKW-Verkehr zustande, 11,5% durch den Frachtflugverkehr. Das heißt immerhin, daß wir mehr als doppelt soviele Probleme mit dem Frachtfluggut verursachen, wie mit Öffentlichen Verkehrsmitteln. Als mir meine Tochter (20, Nicht-Autofahrerin) letzte Woche eine Packung Mais mitbrachte, haben wir dies in der Familie besprochen: Etikett-Vermerk: Luftfracht, Herkunftsland RSA (also Südafrika). Nach Gewicht umgerechnet, hat dieser Mais soviel Schadstoffe durch seinen Transport verursacht, wie 100 km Autofahrt, oder mehr als meine Bahnfahrt zum DBU-Kongress in München und zurück. Dabei ging es in der Besprechung natürlich nicht um Verbote oder Schuldzuweisung, sondern ganz einfach um Rechte Erkenntnis. Wenn aus dieser Rechten Erkenntnis der Rechte Entschluß und daraus das Rechte Handeln erwächst, dann fände ich das toll. Auf jeden Fall, so meine ich, schult es die Rechte Achtsamkeit bei allen Verrichtungen.
Dies ist für mich Dharma im Alltag.
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