Der Autor, Horst Gunkel, unterrichtet Wirtschaftslehre an einer Fachoberschule im Rhein-Main-Gebiet. Als Buddhist führt er seine Schülerinnen und Schüler in die Wirtschaft unter einem bestimmten Blickwinkel ein: Elemente des Dhamma, der wirklichkeitsgemäßen Beschreibung der Wirklichkeit, finden sich hier und er will den Schülerinnen und Schülern die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit zeigen. Dabei werden buddhistische Fachausdrücke - soweit sie nicht in der Umgangssprache geläufig sind - nicht verwendet. Der Titel der Reihe heißt: Komm und sieh! Diesmal bringen wir Auszüge aus einem Informationsblatt vom 1. September 2000 zum Unterrichtsthema „Nutzen“.
Nutzen
„Güter sind materielle oder immaterielle Mittel, die geeignet sind, die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu bewirken. Insofern vermögen sie Nutzen zu stiften.“ So lautete die Definition von Gütern. Demnach liegt der Nutzen eines Gutes darin begründet, dass es zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient.
Leider ist es häufig gerade ein bestimmter
Aspekt des Wirtschaftens, nämlich die Werbung, die Verlangen auslöst
und damit erst menschliche Bedürfnisse schafft oder verstärkt
(vgl. das Weißer-Rum-Beispiel im Kasten).
Das Weißer-Rum-Beispiel
(aus dem Unterrichtsmaterial zum Thema „Bedürfnisse“)
Werbung und Enttäuschung
Die Wirtschaft stellt den Menschen Güter zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung. In der heutigen Wirtschaft sind erheblich mehr Güter vorhanden, als den Primärbedürfnissen der Menschen entsprechen. Daher versucht die Werbung in uns Verlangen, auch Gier zu erzeugen und so Sekundärbedürfnisse entstehen zu lassen. Die Werbung verspricht uns Befriedigung, nachdem sie erst das Verlangen in uns erzeugt hat. So wirbt z.B. eine Firma für weißen Rum mit fröhlichen, jungen Leuten am Strand in Badekleidung. Es wird den Menschen, die diese Werbung sehen, suggeriert, dass bestimmte positiv besetzte Begriffe (Sommer, Sonne, Spaß, Urlaub, Freunde, Sex) etwas mit dem Produkt zu tun haben. In dem Kunden wird Verlangen nach Sommer, Sonne, Spaß, Urlaub, Freunden und Sex angestachelt und da er das Produkt "Weißer Rum" damit gedanklich verbindet greift er das nächste Mal im Supermarkt nach diesem Rum. Vielleicht hofft er (unbewusst), demnächst Freunde einzuladen und all dieses in ihm entstandene Verlangen befriedigen zu können. Er wird feststellen, dass eine Menge von diesem Verlangen nicht befriedigt wurde. Die Party auf der Terrasse ist natürlich nicht die Südsee. Zwar hat es nicht geregnet, aber die Gäste sind in Jeans erschienen und nicht im Bikini, mit Sex war auch nichts und am nächsten morgen hatte er einen Kater. Selbstverständlich glaubt niemand bewusst wirklich, wenn er nur weißen Rum kaufe erscheinen auf seiner Terrasse Palmen und Bikinimädchen, aber unterschwellig wurde dieses Verlangen angestiftet. Auf diese Art führt unsere Art des Wirtschaftens und der Werbung häufig zum genauen Gegenteil dessen, was sie uns suggeriert: zu Enttäuschung statt zur Bedürfnisbefriedigung.
In dem genannten Beispiel (weißer
Rum) war also der Nutzen negativ: ein Teil der erst durch das Produkt (über
die Werbung) entstandenen Mangelgefühle wurde befriedigt, ein anderer
Teil nicht. Ein mehr an Mangelgefühlen bleibt übrig.
In verschiedenen Untersuchungen hat sich
herausgestellt, dass das Glück (d.h. das subjektive Wohlbefinden der
Menschen) in den Ländern mit großem materiellen Reichtum, nicht
größer ist als in Staaten, in denen die Grundbedürfnisse
der Menschen erfüllt sind, aber die Werbeindustrie der konsumistischen
Wirtschaft noch nicht zugeschlagen hat. Häufig ist das subjektive
Wohlbefinden in den "ärmeren" Staaten sogar größer.
Daher ist der Nutzen, den Güter verschaffen,
nur als relativ anzusehen. Den größten Nutzen hat demnach eine
Einstellung, die uns hilft, Gier nicht aufkommen zu lassen, sondern statt
dessen Zufriedenheit und Bescheidenheit zu erzeugen.
Relativer Nutzen ist alles das, was durch
die Werbung und durch die Anwesenheit der Produkte entstandenes Verlangen
mindert (Kauf der Güter), absoluter Nutzen liegt im Nichtaufkommen
des Verlangens nach diesen Gütern.
Vier Schritte zur Nutzensmaximierung
Im Gegensatz zu dem, was uns die gierwirtschaftliche Werbung vorgaukelt, gibt es den wirtschaftstheoretischen Ansatz der Vier Schritte zur Nutzensmaximierung.
1. Schritt: Die Erkenntnis der Unzufriedenheit
Im Abschnitt "Bedürf nisse" haben
wir gesehen, dass die Bedürfnisse des Menschen als unendlich angesehen
werden können. Dabei haben wir Bedürfnisse so definiert, dass
es sich dabei um den Wunsch handelt, ein Mangelgefühl zu beseitigen.
Diese Mangelgefühle sind Resultat unserer Unzufriedenheit. Der Mensch
neigt zur Unzufriedenheit.
Das größte Probleme der Unzufriedenheit
ist der Tod, von dem wir wissen, dass wir ihm nicht entrinnen können.
Eines ist sicher: der Tod ist todsicher. Aber wir mögen ihn nicht,
er macht uns Angst, er erzeugt Unzufriedenheit. Zusammen mit dem Tod gibt
es die Probleme der Krankheit und des Alterns (Werde ich chronisch krank?
Werde ich eines Tages ein Pflegefall?).
Daneben gibt es aber jede Menge kleinere
Unzufriedenheiten. Vielleicht hassen wir es morgens aufstehen und zur Schule
gehen zu müssen. Wir hassen es, wenn wir morgens im Regen auf den
Bus warten müssen, der dann noch überfüllt ist mit kleinen,
lauten Schüler/innen. Oder wir hassen es, morgens vor der Schule einen
Parkplatz suchen zu müssen. Wir hassen es, Hausaufgaben machen zu
müssen oder für eine Klassenarbeit üben zu müssen.
Vielleicht hassen wir es überhaupt in der Schule zu sein, mit bestimmten
Leuten in einer Klasse zu sein oder bei bestimmten Lehrern Unterricht zu
haben. All das macht uns unzufrieden.
Statt dessen würden wir viel lieber andere Dinge machen, z.B. mit jemandem schmusen und kuscheln. Vielleicht wären wir auch viel lieber an einem anderen Ort, z.B. im Urlaub in Spanien. Vielleicht hätten wir auch gern andere Dinge, die wir nicht besitzen, ein Auto vielleicht oder eine eigene Wohnung oder einen DVD-Player. Es gibt viele Dinge die wir wollen. Und die Tatsache, dass wir sie wollen, aber nicht haben, macht uns unzufrieden.
Dummerweise sind wir auch dann unzufrieden, wenn wir das bekommen haben was wir wollen. Nicht sofort, aber bald. Wenn wir den DVD-Player bekommen haben, sind wir erst einmal froh. Aber das hat Folgen. Nun wollen wir viele DVDs und die kosten Geld. Und das Filmegucken kostet uns Zeit. Irgendwann wird uns auffallen, dass wir eine Menge Zeit vergeudet haben und darüber unzufrieden sein.
Auch das Auto wird uns nicht dauerhaft glücklich machen. Selbstverständlich sind wir erst einmal froh, wenn wir eins haben. Aber bald wird auch dadurch Unzufriedenheit entstehen: da gibt es Parkplatzsorgen, die steigenden Benzinpreise ärgern uns, Reparaturen fallen an und wir stehen im Stau. Auch ein Auto macht uns nicht dauerhaft zufriedener.
Manch jemand wird unzufrieden sein, weil er keine Freundin (bzw. weil sie keinen Freund) hat. Wir sind darüber sehr unzufrieden und malen uns die tollsten Liebesbeziehungen oder die romantischste Freundschaft aus. "Ach hätte ich doch nur eine Freundin, das wäre toll", denken wir. Doch jede Liebe produziert früher oder später Liebeskummer. Ich selbst kenne nur eine einzige Liebesbeziehung, die ohne Probleme lief: die meiner Eltern. Doch nach sieben Jahren Ehe starb mein Vater, meine Mutter ist daran innerlich zerbrochen.
Letztendlich und genau betrachtet ist alles unbefriedigend.
Selbst mein Lieblingsessen, das ich viele, viele Jahre mit großem Genuss gegessen haben (Kartoffelbrei mit Leber) ist unbefriedigend. Erstens für das Tier, das dafür geschlachtet werden muss. Außerdem dient Leber der Entgiftung des Körpers (hier des Kuhkörpers). In den 50er, 60er und 70er Jahren, als ich ziemlich viel Leber aß, wurde die Viehwirtschaft intensiviert. Das führte dazu, dass das Vieh erstmals in großem Maßstab mit Medikamenten behandelt, diese wurden in der Tierleber abgebaut, von mir verspeist und führten dazu, dass ich an einer chronischen Krankheit litt, die ich noch heute nicht völlig überwunden habe - obwohl ich seit 20 Jahren keine Leber mehr esse.
2. Schritt: Erkenntnis des Prinzips von Ursache und Wirkung
Jedes Ding hat mindestens eine Ursache.
Fast immer ist eine Wirkung von vielen Ursachen abhängig. Meine Krankheit
war auf meinen Leberkonsum zurückzuführen, aber natürlich
auch auf die Art der sich in den letzten Jahrzehnten ändernden Viehwirtschaft.
Dies sind Ursachen für die Wirkung Krankheit. Man kann aber noch weiter
gehen und fragen, warum hat sich die Viehwirtschaft geändert. Dann
stellt man fest, dass die Bauern ihre Erträge steigern wollten und
die Chemiekonzerne ihre Gewinne. Letztendlich ist also Gier die Ursache
gewesen. Es war aber nicht nur die Gier der Bauern und der Chemiekonzerne,
es war auch meine Gier, die mein Interesse (leckere Leber essen) höher
stellte als das Interesse der Kühe (nämlich zu leben).
In den oben genannten Beispielen können
wir feststellen, dass es neben Gier (haben wollen) auch der Hass (nicht
haben wollen) ist, der letztendlich zur Unzufriedenheit führt.
3. Schritt: Anwendung des Prinzips von Ursache und Wirkung auf die Unzufriedenheit
Leider sind wir meist so verblendet, dass
wir glauben, durch möglichst viele Dinge zu mehr Zufriedenheit zu
kommen. Erst wenn es uns gelingt, diese Verblendung zu überwinden
wird uns deutlich, dass nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung unsere
Gier und unser Hass es sind, die die Unzufriedenheit letztendlich erzeugen.
Den größten Nutzen haben wir
also, wenn wir Gier, Hass und Verblendung überwinden. Dies ist jedoch
nicht von heute auf morgen zu erreichen, sondern setzt ein langes Üben
voraus.
4. Schritt: Die Anwendung der Acht Optimierungen
Wie dieses Vorgehen zur Nutzensmaximierung von sich gehen soll, ist ein nicht einfacher Weg. Vor allem Wissenschaftler in Asien (in Japan, in Indien und in den sog. Tigerstaaten) haben sich damit auseinandergesetzt und haben ein System der Acht Optimierungen ausgearbeitet, das im Abschnitt über Innovation näher erläutert wird. (Der Abschnitt über die Acht Optimierungen - den Edlen Achtfachen Pfad - wird in einem der nächsten BNIs veröffentlicht.)
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