Seit 1990 hat der EU-Ministerrat regel-mäßig Resolutionen gegen China wegen Nichtachtung der Menschenrechte vorgelegt. Damit ist jetzt Schluß: Wirtschaftspolitik geht vor Menschenrechtspolitik. Ende Februar beschlossen die EU-Außenminister in Brüssel, China nicht mehr wegen seiner Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen. Die tibetische Exilre-gierung im nordindischen Dharamsala forderte die EU auf, auch weiterhin Resolutionen vor der Menschenrechtskommission der UN zu un-terstützen. Der EU-Ministerratsbeschluß sei unmoralisch.
Am 8. März haben mehrere Tausend Menschen
vor dem Eiffelturm in Paris gegen die chinesische Besetzung Tibets demonstriert.
Zu der Aktion hatten etwa 50 Organisationen auf-gerufen. Die Demonstranten
errichteten einen mit Girlanden geschmückten "Freiheitsbaum für
Tibet", den sie anschließend vor einer buddhistischen Pagode in Paris
einpflanzten. Außerdem entrollten sie auf dem Trocadero einen 12.000
qm großen Teppich in den tibeti-schen Farben. Ähnliche Aktionen
hatte es be-reits in Brüssel (1996) und Genf (1997) gege-ben.
Die F.D.P.-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung,
die 1996 in Bonn die 2. Internationale Konferenz der Tibet-Unterstützergruppen
einberufen hat, weist daraufhin, dass der Konfe-renzbericht jetzt vorliegt,
allerdings nur in eng-lischer Sprache. Er ist erhältlich bei: Friedrich-Naumann-Stiftung,
Interessentenservice, 53637 Königswinter, Tel. 02223-701-0, Fax 02223-701188.
Die 1. Internationale Konferenz hatte übrigens 1990 in Dharamsala
(Indien) stattgefunden.
Am 10. März traten fünf tibetische Männer und eine Frau im Alter zwischen 25 und 70 Jahren in einen unbefristeten Hungerstreik. Ziel ihrer Aktion sei es, dass UNO-Experten die Menschenrechtslage in Tibet untersuchen und dass unter Aufsicht der UN eine Volksabstimmung über den Status Tibets stattfindet. Sie wurden unter anderem mehrfach von Richard Gere besucht, der zuvor in Neu-Delhi ein Pro-gramm zur Aids-Vorsorge gestartet hatte. Bei der Begegnung mit den Hungerstreikenden am 2. April rief Gere, der auch den tibetischen Ju-gendkongreß in Neu-Delhi besuchte, den Westen auf, Druck auf China auszuüben, um den friedlichen Kampf der Tibeter um Autonomie zu unterstützen. Am 3. April besuchte S.H. der Dalai Lama die Hungerstreikenden. Er versuchte sie vergeblich, zur Aufgabe des Hunger-streiks zu bewegen, meldete dpa. Der Dalai Lama lehnt auch Hungerstreik als eine Form der (gegen sich selbst) gerichteten Gewalt ab. Traurig kommentierte der Dalai Lama: "Es ist als würde Tibet selbst vor den Augen der zivilisierten Welt sterben." Diese dpa-Meldung, die sich mit den Berichten anderer Nachrichtenagenturen deckt, sei eine Falschmeldung, be-richtet J. Tuemmers dem BuddhaNetz. Tuemmers sei zum angegebenen Zeitpunkt selbst in Dharamsala gewesen. Der Dalai Lama, habe die Hungernden nicht zur Aufgabe zu bewegen versucht, vielmehr habe er sich neutral geäu-ßert; er habe sie weder ermuntert noch ihnen abgeraten, da er selbst ratlos sei ob der Wege, die zur Befreiung Tibets führen könnten. Ihm als buddhistischem Mönch bliebe jedoch nur der mittlere Weg als angemessene Lösung. Nach einem Zusammentreffen mit Richard Ge-re forderte UN-Generalsekretär Kofi Annan am 14. April die Hungerstreikenden zum Abbruch ihrer Aktion auf: sie sollten ihre Gesundheit nicht zerstören. Am 23. April stellte sich der F.D.P.-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff in einem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan hinter die Hungerstreikenden. Einen Tag später gab Roland Koch, der CDU-Spitzenkandidat für die hessische Landtags-wahl 1999 eine Erklärung zugunsten der Strei-kenden ab. Am gleichen Tag gab die Tibet Initiative Deutschland (TID) eine Presseerklärung heraus, die wir im Wortlaut dokumentieren (siehe Kasten).
Am 26. und 27 April ging die indische Po-lizei
gegen die Hungerstreikenden vor. Die Streikenden hatten angekündigt,
bis zum Tode weiterzuhungern, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt
werden. Dies lieferte den indischen Behörden den Vorwand für
ihr Eingreifen, da Selbstmord nach indischem Recht verboten ist.
Tatsächlicher Auslöser der Aktion
dürfte aber gewesen sein, dass Indien bessere Zusammenarbeit mit China
sucht, denn die Poli-zeiaktion verlief zeitlich parallel zum Besuch des
chinesischen Generalstabschefs Fu Quany-ou, mit ihm reist auch der für
Tibet zuständige chinesische Militärkommandeur. Bereits am 26.
April waren drei der Hungernden von indi-schen Behörden zwangsernährt
worden. An der Polizeiaktion gegen die Hungerstreikenden am 27. April waren
500 Polizisten beteiligt. Die Beamten gingen mit äußerster Härte
gegen die in Neu Delhi errichtete Zeltstadt der Tibeter vor, es kam zu
gewalttätigen Zusammenstößen.
Selbstverbrennung. Ein 60 Jahre alter
Tibeter übergoß sich aus Protest gegen die Polizeiakti-on mit
Kerosin und zündete sich an. Er erlag am nächsten Tag seinen
schweren Verletzungen.
Der Organisator des Hungerstreiks, der Vorsitzende des tibetischen Jugendkongresses (TYC) Tseten Norbu reagierte enttäuscht nicht nur auf das Vorgehen der Polizei, sondern auch auf die Reaktion der Weltöffentlichkeit: "die Welt beachtet nur gewalttätigen Widerstand", sagte er. Auch UN-Generalsekretär Annan und die Menschenrechtskommissarin Mary Robin-son hätten auf die Forderungen der Hungerstreikenden nicht reagiert. Am 28. April erklärte der TYC: "Wir werden den Hungerstreik fortsetzen, bis unsere Forderungen erfüllt sind. Da die sechs ersten Hungerstreikenden zur Zwangsernährung im Krankenhaus sind, hat inzwischen eine andere fünfköpfige Gruppe von Tibetern den Hungerstreik aufgenommen. Der ursprünglich für diese Gruppe vorgesehene sechste war der bei der Selbstverbrennung ums Leben gekommene Mann.
Am 29.4. haben Tibet-Gruppen weltweit zu einem Solidaritätsfasten aufgerufen. Nach Angaben der TID beteiligten sich auch in Deutsch-land mehrere hundert Personen an dieser eintä-gigen Aktion. In Dharamsala gedachten 50.000 Menschen des Verbrannten und versammelten sich zu einem Gebet.
Am 26. und 27 April ging die indische Polizei gegen die Hungerstreikenden vor. Die Streikenden hatten angekündigt, bis zum Tode weiterzuhungern, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Dies lieferte den indischen Behörden den Vorwand für ihr Eingreifen, da Selbstmord nach indischem Recht verboten ist Zahl von ihnen getötet oder verwundet. Auslöser des Blutbades sei eine Demonstration im Zentralgefängnis in Drapchi am 1. Mai gewesen, bei dem die Gefangenen für die tibetische Unabhängigkeit demonstriert hätten und die Flagge Tibets gezeigt haben. Die überlebenden Demonstranten wurden anschließend abgeführt. In solchen Fällen droht Folter und Einzelhaft.
Wenige Tage später wurden 15 tibetische Mönche verhaftet, die Ende März an einer Demonstration für die Unabhängigkeit Tibets teilgenommen hatten.
Müssen sechs Tibeter sterben, bevor die internationale Staatengemeinschaft ihrer Verantwortung gegenüber Tibet nachkommt?
Sechs Tibeter, fünf Männer und
eine Frau, befinden sich in Delhi ... im Hungerstreik. Adressat ihrer Aktion
sind die Vereinten Nationen, an die folgende Forderungen gerichtet werden:
Demgegenüber steht deren Bereitschaft,
die Aktion bis zum Tode durchzuführen. Ihre gesund-heitliche Situation
ist kritisch. Sie nehmen bei Temperaturen von 40 C täglich nur einen
halben Liter Wasser zu sich.
TID und TIM halten es für skandalös,
das sich sechs Menschen in eine solche Extremsituation bringen müssen,
damit die Vereinten Nationen ihrer Verantwortung gegenüber Tibet gerecht
werden und den Tibetern das zukommen lassen, was ihnen ohnehin zusteht,
das Recht auf Selbstbestimmung.
Durch die Ansiedlung von Millionen Chinesen,
schwere Menschenrechtsverletzungen sowie die Unterdrückung der Religionsfreiheit
zerstört die VR China die tibetische Kultur. Dennoch wird dies von
der UNO und deren Mitgliedsstaaten nicht zur Kenntnis genommen. So kam
in diesem Jahr eine gemeinsame chinakritische Resolution in der UN-Menschenrechtskommission
nicht zustande. TID und TIM bedauern vor allem, dass die Bundesregierung
zu denen gehört, die jede Kritik an der VR China im Keime ersticken.
Diese Ignoranz ist die Ursache für solch verzweifelte Aktion. Um sie
zu überwinden, haben TID und TIM die Bundestagsabgeordneten aufgefordert,
sich bei UN-Generalsekretär Kofi Annan für die Forderungen der
Hungerstreikenden einzusetzen.
Es liegt an den Vereinten Nationen, ob
die Hungerstreikenden der Sache Tibets mit ihrem Leben oder Tod dienen.
Klemens Ludwig (Vorsitzender der TID);
Karin Schmidl (Zweite Vorsitzende der TIM).
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