Durch Verfolgung, Vertreibung und Flucht
sind viele Kinder in den Chittagong Hill Tracts elternlos geworden. Für
sie sind in einer Reihe von buddhistischen Gemeinden Waisenhäuser
errichtet worden. In einem der größten Waisenhäuser war
ich auf Einladung eines befreundeten Mönches zu Gast. Der Waisenhauskomplex,
zu dem auch Grund- und Mittelschule gehören, liegt am Rande einer
weiten Ebene, malerisch eingerahmt von einer Hügelkette und einer
anmutigen Flußlandschaft. ebenso schön, wie die Landschaft,
ist die menschliche Atmosphäre: sehr friedlich, liebevoll und mitfühlend;
ich spürte kaum ein "Ich", aber sehr deutlich ein großes "Wir".
Der leitende Mönch beeindruckte mich durch seine Bescheidenheit, ja
Demut, und durch seine gleichmutige Freundlichkeit, auch gegenüber
Zumutungen von Chargen der Staatsmacht. Eine sanfte, aber klare, natürliche
Autorität strömte von ihm aus. Zwischen ihm und den etwa 150
kleinen und größeren Bewohnern des Hauses und der umliegenden
Dörfer schien ein herzliches Einvernehmen zu bestehen. Der Mönch
wirkte auf mich wie ein vom Sturm der Zeiten zwar immer niedergedrückter,
jedoch ungebrochener Bambus. Seine Spiritualität schenkt ihm die Stärke
der Gewißheit, daß ihm letztlich nichts und niemand etwas an-haben
kann, denn er hat die wohl tiefste existentielle Angst, die Angst vor dem
Tod, hinter sich gelassen. Doch der permanente psy-chologische Druck, zu
dem auch so groteske Verhöre wie der Verdacht von Waffenbesitz gehören,
ist auch an ihm und seiner Gesund-heit nicht spurlos vorübergegangen
(wie sei-ne Tablettenmedikation ausweist). Gebet und Meditation rahmten
den Tagesablauf, der um vier Uhr mit dem Wecken begann und um 21 Uhr mit
dem Verlöschen des Lichts ausklang, ein.
Ich fühlte mich in einem heilenden Klima, spürte die weiche Luft, schmeckte die Reinheit des Brunnenwassers und der chemiefreien Nahrung - und stellte zu meinem Erstaunen fest, daß mein Schlafbedürfnis um ein bis zwei Stunden geringer als Zuhause war. Das einzige Problem, das mir während meines fünftägigen Aufenthaltes zu schaffen machte, war die mühsame Kommunikation auf Englisch, die manchmal auch gänzlich versagte.
Wie es der mittellose Mönch, der ohne jeden Rückhalt von der Hand in den Mund lebt, zusammen mit seinen Helfern geschafft hat etwa 150 Menschen zu ernähren, zu kleiden, menschenwürdig unterzubringen, zu unter-richten und medizinisch zu versorgen, erscheint mir fast wie ein Rätsel. Wie sparsam allerdings gewirtschaftet wird, zeigt das folgende Schema des Waisenhaus-Budgets für 1996:
Der Hilferuf des Mönches galt der Fortset-zung des (wegen fehlender Mittel gestoppten) Tempelhauses: eine baldige Wiederaufnahme der Bauarbeiten ist unerläßlich, da sich sonst das tropische Holz des bereits be-stehenden Holzgerüstes so sehr verhärten würde, daß zur Verschalung der Dach-, Zwi-schen- und Seitenwände keine Nägel mehr eingetrieben werden könnten.
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