Andere Personen, die ich interviewt
habe, nannten es einen Durchbruch in bezug auf die Verbindung zwischen
Religion und Entwicklungspolitik, dass das Treffen stattfand. Stimmen Sie
dem zu? Und wenn ja, in welcher Hinsicht?
Ich stimme zu, denn niemals zuvor war
ein Weltbankpräsident willens, religiösen Führern offenen
Herzens zuzuhören und Kritik ernstzunehmen. Dr. Wolfensohn erinnert
mich an Papst Johannes XXIII, der ein wirklich großer Mann war, demütig,
der Fehler der Kirche zugegeben hat und offen war für wirklich ökumenische
Arbeit, aber nach ihm stellt sich die katholische Kirche so dar, als habe
sie sich keineswegs vorwärts bewegt. Ich hoffe, dass Dr. Wolfensohn
lange genug in der Weltbank verbleibt, um den Boden zu bereiten für
kon-struktive Arbeit auch nach seiner Zeit, und dass die Weltbank eine
wirkliche Institution im Interesse der Armen und Unterdrückten wird,
die ihnen zuhört und zu helfen versucht, mitunter mit geeigneten Mitteln
um die Hindernisse zu überwinden, die von ihren eigenen Regie-rungen
und korrupten Politikern aufgebaut wurden. Andererseits wäre es natürlich
blauäu-gig, die Weltbank als Alliierten der Armen zu betrachten, willens
den multinationalen Konzernen, die den Globalisierungsprozess voran-treiben,
den Krieg zu erklären.
Der eigentliche Zweck des Treffens,
so wie es der Presse erklärt wurde, war "die Chancen auszuloten für
gemeinsames Verstehen und Handeln hinsichtlich des Problems der globalen
Armut". Die offizielle Presseerklärung führte weiter aus, im
Dialog solle diskutiert werden, wie die Entwicklungspolitik auf eine Basis
gestellt werden könnte, die kulturelle, religiöse und soziale
Strukturen und Werte einbezieht. Hat der Dialog diese Erwartungen erfüllt?
Generell kann man sagen, dass die Thematik
aufgearbeitet wurde, allerdings kann man nicht sagen, dass die Themen genügend
vertieft worden wären, denn das Treffen dauerte nur eineinhalb Tage.
Wir der Prozess fortgesetzt? Und wenn
ja, wie?
Es geht insofern weiter, als Dr. Wolfensohn
die Glaubensvertreter aufforderte, konkrete Vorschläge zu machen,
diese Themen innerhalb von 9 bis 12 Monaten in Angriff zu nehmen und Dr.
Wolfensohn würde dabei gerne etwas auf nationaler, regionaler oder
lokaler Ebene sehen. Ich schlage vor, dass wir auf lokaler Ebene auf Ladakh
in Indien sehen sollten, um ein Beispiel für Entwicklung mit spiritueller
Dimension zu sehen. Helena Norberg-Hodge hat dieses Thema in ihrem Buch
"Ancient Futures" behandelt. Die Weltbank könnte in der Tat ihre Bemühungen
unterstützen, Ladakh zu einer Region erfolgreicher Entwicklung zu
machen. Aus buddhistischer Sicht wäre dies eine Herausforderung für
die Weltbank, sich von der Vergangenheit einer Entwicklung nach dem herkömmlichen
ökonomischen Modell zu lösen. Auf nationaler Ebene glaube ich
ist die Mongolei ein Beispiel, denn nachdem das Land die Kontrolle fast
ganz an ein autoritäres bolschewistisches Regime abgegeben hatte,
versucht die Mongolei jetzt so etwas wie eine buddhistische Demokratie
zu entwickeln. Auf der regionalen Ebene schlage ich vor, Südostasien
zu unterstützen in alternativer Entwick-lung, Ansätzen angepasster
Technologie, alter-nativer Landwirtschaft mit ökumenischen, spirituellen
Beiträgen des buddhistischen, christlichen, islamischen und hinduistischen
Glaubens, ganz besonders angesichts der Krise in Siam und Indonesien. Es
gibt bereits Ansätze auf Graswurzelebene, die ermutigt werden sollten,
so dass bedeutungsvolle, von Selbstvertrauen geprägte, einfache Lebensstile
jenseits des Konsumismus überleben können. Wenn die Mittelschicht
veranlasst werden kann, von dem zu lernen, was auf Graswurzelebene geschieht,
könnte eine gewaltfreie Bewegung geschaffen werden, die die soziale
und die ökonomische Krise überwindet.
Ich habe gehört, das Treffen habe
eine neue Atmosphäre, einen Paradigmenwechsel der Entwicklungsgeschichte
geschaffen, der mate-rielle und spirituelle Aspekte kombiniert, wür-den
Sie dem zustimmen?
Es könnte sich um einen neuen Anfang
handeln, sodass die Entwicklungspolitik ernsthaft Rücksicht nimmt
auf moralische, spirituelle aber auch kulturelle Zusammenhänge, andererseits
auch ökonomische und materielle Ent-wicklung beinhaltet. Und ich weiß
dabei insbe-sondere zu schätzen, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt
wurde, was bedeutet, dass am Ende nicht nur schöne Worte standen,
sondern sich auch eine Perspektive eröffnet.
Wie wichtig war das Treffen als religiöses
Treffen, eines, das hohe Würdenträger der wichtigsten Weltreligionen
zusammenbrachte? Kann man sagen, dass die Weltreligionen an sozialen Problemen
enger zusammenarbeiten, als das in der Vergangenheit der Fall war? Können
Sie das Ereignis aus dieser Sicht mit einem vergangenen, vielleicht aus
ihrer persön-lichen Erfahrung, vergleichen?
Soweit die Weltreligionen betroffen sind,
haben sich einige von uns bereits vorher getrof-fen, aber eben nur untereinander,
z. B. beim Parlament der Weltreligionen 1993 in Chicago. Jetzt war es das
erste Mal, dass wir uns mit der Weltbank trafen und ich muss hinzufügen,
dass ich vor dem Treffen nicht sehr zuversichtlich war, da ich befürchtete,
dass die Weltbank uns nur als Dekoration missbrauchen wollte, um der Welt
vorzumachen, sie würde sich um Religionen und um Kultur kümmern.
Nach dem Treffen in Lambeth Palace habe ich jedoch den Eindruck, dass Dr.
Wolfensohn es ernst meint, und ich hoffe, dass er mit diesem neuen Kurs
Erfolg haben wird, aber ich weiß auch, dass internationale Bürokraten
sich sehr halsstarrig über jede Änderung zeigen können.
Möchten Sie noch etwas Näheres
zum Treffen oder seinen künftigen Auswirkungen anführen?
Ich hoffe, dass dieses Treffen keine einmalige
Angelegenheit bleibt. Dr. Wolfensohn möchte ein weiteres Treffen in
knapp einem Jahr. Das bedeutet, dass wir das Thema wirklicher menschlicher
Entwicklung vertiefen können und eröffnet die Hoffnung, dass
wir eine ge-wisse Änderung in der Weltbank und in den Glaubensgemeinschaften
ausmachen können, denn einige von uns sind ganz gut im predigen.
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