Das Sutra der Berge und Flüsse:

Zen und Umweltschutz

Roland Rech

Roland Rech stand seinem Meister, dem japanischen Zenmönch Taisen Deshimaru, sehr nahe und war über viele Jahre hinweg dessen Dolmetscher. Nach dem Tod von Deshimaru 1982 folgte er ihm in dem Amt als Vorsitzender der Internationalen Zen-Vereinigung (Associa-tion Zen Internationale), einem Amt, das er bis 1996 innehatte. 1996 siedelte er von Paris nach Nizza über. Seither bekleidet er die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden der AZI. Seit 1982 ist Roland Rech einer der Hauptverantwortlichen für die Weitergabe der Lehre, wie sie von Taisen Deshimaru in vielen europäi-schen und einigen außereuropäischen Ländern unterwiesen wurde.

Das Zen, das durch Meister Deshimaru zwi-schen 1967 und 1982 nach Europa gebracht wurde, bedeutet für jeden von uns, zur ursprünglichen Praxis der Sitzmeditation zurückzukommen, zu Zazen, bei dem Buddha erwach-te. Diese Erfahrung ist älter als der Buddhismus als Lehre, es ist seine lebendige Quelle.
Der Ausgangspunkt der spirituellen Suche Buddhas war seine Entdeckung des menschlichen Leidens, das Erforschen seiner Ursachen und seines Heilmittels, nicht nur für sich selbst, sondern für alle Wesen.
Er erkannte, dass Geburt, Krankheit, Alter und Tod, dass getrennt zu sein von dem, was man begehrt, und demjenigen ausgesetzt zu sein, was man hasst, die verschiedenen Aspekte des Leidens sind. Sie erwachsen aus der dualisti-schen Einstellung des Menschen, die im Lauf der Jahrhunderte seinen Gegensatz zur Natur und zur kosmischen Ordnung verstärkt hat.

Der Sinn des Erwachens Buddhas ist es, das menschliche Leiden durch eine Praxis von Körper und Geist zu beenden, die es dem Men-schen erlaubt, die Einheit seiner selbst und zugleich die Einheit mit seiner Umwelt wiederzufinden; eine Einheit jenseits aller Trennungen und Gegensätze, die durch das Verhaftetsein am Ego geschaffen werden.

Unsere westliche Zivilisation, deren Denkweise sich inzwischen auf die ganze Welt erstreckt, ist technisch. Sie ist auf Beherrschung und Ausbeutung der Natur ausgerichtet. Die aktuelle Krise in der Beziehung des Menschen zur Umwelt ist nicht einfach ein Betriebsunfall in einem unendlichen Fortschrittsprozess. Sie ist Ausdruck einer ungleichgewichtigen Haltung des Menschen der Natur gegenüber, die auf die Ursprünge unserer Kultur zurückweist.

Der Mythos des Prometheus, der dem Zeus das Feuer geraubt hat und zur Strafe auf einem Felsen festgekettet wird, wo ein Adler jeden Tag kommt, seine Leber herausreißt und ver-schlingt, symbolisiert die Haltung des westli-chen Menschen, der sich darauf konzentriert hat, den Intellekt als Mittel zur Befriedigung seiner materiellen Bedürfnisse zu entwickeln.

Nichts kann das fundamentale Bedürfnis des Menschen befriedigen, die Suche nach Einheit mit der Natur, mit dem kosmischen System, das man Gott oder Buddha-Natur nennt. Je mehr dieses spirituelle Sehnen vernachlässigt wird, desto mehr ist man der unaufhörlichen Anhäufung von Wünschen und Gegenständen ausge-setzt. Letzteres ist zum Motor der Wirtschaft des Westens geworden. Es äußert sich in einer andauernden Schädigung der natürlichen Umwelt, einer Verschwendung nichterneuerbarer Ressourcen und in vielfältigen Formen der Umweltverschmutzung.

 Der Mensch, der ausschließlich von der linken Gehirnhälfte gesteuert wird, zieht es vor, den Planeten auszubeuten, statt eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur zu schaffen. Die Entwicklung künstlicher Bedürfnisse ist Zeichen des Ausgeliefertseins an das begrenzte Ego, aus dem wiederum Unzufriedenheit, Angst und Aggressivität entstehen. Die individuelle Konkurrenz setzt sich auf internationaler Ebene fort als Konkurrenz im wirtschaftlichen und militärischen Bereich. Aus dieser Konkurrenz resultiert die Verarmung der Ärmsten sowohl in den sogenannten entwickelten Ländern als auch in der sogenannten Dritten Welt. - Diese Entwick-lung ist in zahlreichen Analysen untersucht worden. - Dabei handelt es sich nicht um einen Zufall, sondern um das Ergebnis des Verhältnisses des Menschen zur Natur, bei dem er es sich zum Ziel gesetzt hat, Herr und Besitzer des Universums zu werden, um es mit Descartes zu formulieren.

Die Probleme der Umwelt können nur durch eine wirkliche spirituelle Revolution gelöst werden. Der Buddhismus kann dazu beitragen, denn er ist ein Weg der Harmonisierung des Menschen mit der kosmischen Ordnung in der täglichen Praxis der Sitzmeditation, die wir im Zen Zazen nennen.

Zazen besteht darin, sich auf die korrekte Sitzhaltung zu konzentrieren. Man sitzt auf einem Kissen, das Becken ist nach vorne geneigt, die Knie sind auf den Boden gestützt. Der Rücken ist gerade, der Nacken gestreckt, das Kinn zurückgezogen. Die Handkanten haben Kontakt mit dem Unterleib, die Daumen sind horizontal. In dieser Haltung atmet man langsam und tief aus und lässt die Einatmung wie von selbst kommen. Man beobachtet die Gedanken, die vorüberziehen, ohne sie festzuhalten oder abzuwehren.

Die Konzentration auf die Haltung erlaubt es dem Körper und dem Geist, ihre Einheit zu finden. Die richtige und ausgeglichene Körperhaltung ermöglicht dem Geist, ruhig und frei zu werden.

Unsere Beziehungen zu unserer Umwelt sind die Quelle verschiedenster negativer Empfindungen: Wut, Aggression, Angst und Furcht. Sie drücken sich in Körperspannungen aus. Unausgeglichen, unwohl in seiner Haut sucht der Mensch alle möglichen Kompensationen im Kampf um Macht, Eigentum und materielle Güter. Daraus entsteht die Zerstörung der Umwelt.

Vor der Wand zu sitzen bedeutet aufzuhören, Äußerlichkeiten zu folgen, und den Blick nach innen zu richten. Es bedeutet, aufzuhören, immer hinter irgend etwas herzulaufen, dem Geist Einhalt zu gebieten, der immer etwas haben will.

In Zazen drückt man die Erde mit den Knien und den Himmel mit dem Kopf. Das bedeutet, die Einheit mit dem Kosmos wiederherzustel-len. Wenn die Körperhaltung harmonisch wird, lösen sich die Verspannungen, die Angst verschwindet. Die Ausatmung wird tief und erlaubt eine bessere Sauerstoffversorgung des Blutes. Die Müdigkeit nimmt ab, der Geist wird ruhig. Das Zwerchfell und die Zone des Solar-plexus, die oft aufgrund von Gegensätzen im Geist verspannt ist, entspannen sich. Die Ener-gie sammelt sich im Hara, dem vitalen Zentrum zwischen Bauchnabel und Schambein. Der Geist beruhigt sich und die Wachsamkeit nimmt zu. Die linke Gehirnhälfte, Sitz des Sprachzentrums und des analytischen Denkens, das durch die moderne Erziehung zu aus-schließlich entwickelt wird, ruht sich aus, und die rechte Hirnhälfte, Sitz der Intuition, der globalen Formerkennung und der künstlerischen Fähigkeiten wird stimuliert. Der Aus-gleich der zerebralen Funktionen ist die Quelle eines ausgeglicheneren Lebens und einer harmonischeren Beziehung mit der Umwelt.
Mit der linken Gehirnhälfte hat der Mensch das abstrakte Denken entwickelt, das es ihm einerseits erlaubt hat, eine gewisse Herrschaft über die Natur zu gewinnen, andererseits aber die intime Beziehung zur Umwelt abgeschnitten hat. Das auf der Sprache beruhende Denken ist dualistisch und schafft eine Trennung von Mensch und Natur. Diese Trennung bringt Einsamkeit und Frustration mit sich. Der Mensch versucht, sie zu kompensieren, indem er seinen Zugriff auf die Natur mit dem Mittel der Technik noch verstärkt.

Zazen zu praktizieren erlaubt eine unmittelbare Beziehung zur Natur, eine poetische Sicht der Welt, eine Anteilnahme am Leben, die den Machtwillen des Menschen, der zum reinen "homo oeconomicus" geworden ist, auf einer tiefen Ebene korrigieren kann. In Zazen lernt man sich selbst intim kennen. Aber da sich diese Beobachtung der Gedanken, der Bilder, der Wünsche, die aus dem Unterbewussten auftauchen, einstellt, während man sich kontinuierlich auf die Haltung und die Atmung konzentriert, bleibt der Geist nirgends stehen, bleibt immer frei und verfügbar. Der Einfluss der mentalen Konditionierungen, die aus der Vergangenheit stammen, verringert sich, die Denkgewohnheiten, die Automatismen werden ebenfalls schwächer, und der Geist kann kreativ werden.

Während Zazen verstehen wir aus dem Innern heraus, dass das Ich keine feste Substanz hat und dass wir nur in völliger wechselseitiger Abhängigkeit mit dem ganzen Universum existieren. Das Gefühl der Einsamkeit und Trennung verschwindet. Wir können unsere Einheit und Solidarität mit den anderen und der Umwelt erfahren. Diese Erfahrung, die aus den Tiefen unseres Körpers und unseres Geistes gelebt wird, ist die Grundlage einer neuen Ethik und einer wirklichen Ökologie.

Eine Ethik als ein Wertesystem, das unserem Leben und Handeln einen Sinn gibt, ist sicher nicht getrennt zu sehen von der Ökologie, verstanden als der Suche nach einem harmonischen, ausgewogenen Verhältnis zwischen dem Menschen und seiner Umwelt.

Vom Standpunkt der Zazen-Praxis aus bedeutet Nichttöten nicht nur das Nichttöten anderer Menschen, sondern das Leben zu respektieren, alle Formen des Lebens. Alle Existenzen sind Einheit. Sie und ich, wir sind in der Tiefe weder unterschieden noch getrennt. Wenn wir das tief verstehen, können wir der Aggression, den destruktiven Verhaltensweisen entgegenwirken und eine tiefe Sympathie mit allen Wesen entwickeln, die Quelle einer wirklichen Solidarität wird, ohne die keines der großen Ungleichgewichte, die die Menschheit bedrohen, gelöst werden kann, wie z.B. die wachsenden Gegensätze zwischen den reichen Ländern und den Entwicklungsländern und die wachsenden Gegensätze im Innern der Länder zwischen denen, die Zugang zu Reichtümern haben und denjenigen, die immer ärmer werden.

In der gleichen Weise bedeutet Nicht-Stehlen, dass man das nicht nimmt, was einem nicht gehört. Aber was gehört uns bei unserer Geburt? Es ist das Mönchsideal nur mit seinem Kesa und seiner Essschale zu leben. Das ist alles, was wir zum Leben brauchen: unseren Körper ernähren und Zazen machen. Selbst wenn wir diesem Ideal nicht ganz folgen in Bezug auf die Enthaltung von überflüssigen Gütern, so ist doch klar, dass die Zazenpraxis uns dazu bringt, unsere Wünsche zu begrenzen und zu einem einfachen und natürlichem Leben zurückzukehren. Die Achtung der Umwelt und der Natur zeigt sich als eine Vereinfachung der menschlichen Bedürfnisse, als eine Rückkehr zum Normalzustand von Körper und Geist. Gerade darin besteht die Zazenpraxis.

Dieses bedeutet keine Askese, in der man sich bemüht, die Wünsche abzuschneiden. Was man "das Ego aufgeben" nennt, ist die natürliche Frucht der Zazenpraxis. Es geschieht unbewusst und natürlich, wenn man hier und jetzt ganz und gar eins wird mit der Praxis.

Die dualistische Haltung unserer Kultur macht alles zur Technik, und die technische Haltung ist es, die die Krise zwischen dem Selbst und der Umwelt schafft. Diese Haltung besteht darin, immer alles im Blick auf etwas anderes zu machen, für einen künftigen Gewinn. Sogar die einfachsten und natürlichsten Dinge wie Liebe, Reden oder Meditation werden zu Techniken, zu Mitteln, um etwas anderes zu erreichen. Zazen machen, bedeutet, diese Haltung aufzugeben, kehrt zu machen. Man praktiziert Zazen nicht, um das Erwachen, das Satori zu erreichen. Wenn Zazen ohne Profitgeist prakti-ziert wird, ist es selbst Satori. Wenn man das versteht, wird alles in unserem Leben zur Praxis des Erwachens. Es ist nicht mehr nötig, etwas Besonderes, einen besonderen Zustand zu suchen.

Als ein Mönch Meister Joshu fragte:
"Was ist das Wesen des Buddhismus?"
Antwortete ihm Joshu einfach:
"Hast Du gefrühstückt?"
"Ja, Meister", antwortete der Schüler.
"Dann geh' Deine Schale spülen."

Die einfachen Handlungen unseres Alltags in völliger Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt sind die Praxis des Buddha-Weges. Das bedeutet, alle Dinge zu respektieren und zu schützen als unser kostbarstes Gut und jede Ver-schwendung zu vermeiden. Zum Beispiel gießt man, wenn man in einem Zen-Tempel mit einer Kelle aus einem Brunnen Wasser schöpft, lieber einen Teil in den Brunnen zurück, als es zu verschütten. Wenn man sogar eine halbe Schöpfkelle Wasser achtet, dann ist verständlich, welche Haltung völliger Achtung für die natürliche Umwelt das Zen einübt.

Das hat die Mönche dazu geführt, Kunstformen hervorzubringen, wie die Blumenkunst, das Ikebana, deren Ziel es ist, das Leben der Blumen zu verlängern, die Buddha dargebracht werden oder von einem Gewitter abgerissen wurden. Die Gartenkunst ist Ausdruck des Gefühls der Einheit mit der Natur und dem ganzen Universum, jenseits jeden Gegensatzes zwischen Natur und Kultur.

Aber die Wurzel dieser Praktiken ist die Ver-wirklichung unserer tiefsten Natur in Zazen. Diese Buddha-Natur ist nicht etwas, das man erfassen und definieren kann. Sie erschließt sich, wenn man aufhört, etwas erfassen zu wollen. Dann verwirklicht sich unsere Einheit mit der großen Natur; mit Gott oder Buddha, mit der höchsten Dimension der menschlichen Existenz auf natürliche Weise, wie von selbst, so wie eine Blume erblüht, wenn sich ihre Blütenblätter öffnen.

Unsere Beziehung zur Umwelt vollzieht sich vor allem in der Arbeit. 'Arbeit' bedeutet vom Wortursprung her im Französischen 'Leiden' oder sogar 'Qual'. Es ist wahr, dass in unserem Wirtschaftssystem die Arbeit oft entfremdet ist und daher Leiden hervorbringt, weil sie nur als Mittel, um einen Lohn oder eine soziale Positi-on zu erreichen, gesehen wird. Die Arbeit im Zen, Samu genannt, wird als Dienst an der Gemeinschaft betrachtet. Sie wird mit völliger Aufmerksamkeit auf die Handlung hier und jetzt ausgeführt. Sie ist nicht nur ein Mittel, um materielle Güter zu schaffen, sondern ein Weg der Selbstverwirklichung, eine Meditation des Tuns. Mit diesem Geist ausgeführt ist Arbeit kein Mittel mehr, sich zum Herrn und Besitzer der natürlichen Umwelt zu machen, sondern eine Quelle innerer Freiheit.

Durch die kontinuierliche Zazenpraxis erken-nen wir, dass Makrokosmos und Mikrokosmos nicht getrennt sind. Die Gesetze der Natur zu missachten, bedeutet zugleich unsere Harmonie mit dieser Natur zu ruinieren und den Sinn unserer menschlichen Natur zu verlieren. Obwohl wir von Ökologie sprechen, gibt es eine Kluft zwischen dem, was man weiß von den Gefahren, die die modernen Techniken für die natürliche Umwelt bedeuten, und dem, was man wirklich tut, um Abhilfe zu schaffen, so als glaubte man, es wäre nicht möglich, die Umweltverschmutzung zu stoppen.

Zazen zu praktizieren, das ist unsere Haltung hier und jetzt zu ändern, indem man bei seiner unmittelbaren Umgebung anfängt. Die Verschmutzung ist zuerst im Denken, bevor sie sich in der Atmosphäre, dem Wasser, der Erde niederschlägt; es handelt sich um den egoisti-schen, unmittelbaren Profitgeist, dessen Kosten künftige Generationen zu tragen haben.

Zazen zu praktizieren bedeutet, sein Ego aufzugeben und die gegenseitige Abhängigkeit und Solidarität mit dem ganzen Universum zu verwirklichen.

Die Eroberung der Natur ist zustandegekommen durch die Entwicklung des dualistischen und abstrakten Geistes, durch den mathematischen Geist, der Quantität vor Qualität setzt, das Haben vor das Sein. Die Technik reduziert das Wesen auf die Erscheinungsform, das Sein auf das Seiende. Es ist nicht erstaunlich, dass in einer solchen Sicht Gott tot ist. Problematisch daran ist, dass der Mensch damit auch seine wahren Wurzeln verloren hat, seine wahre göttliche Natur, seine Buddha-Natur.

Die Effektivität der Beherrschung der Natur hat zu einer Reduzierung der Intuition und der Kreativität geführt. Nachdem er die Natur der Technik angepasst hat, ist der Mensch zum Rädchen geworden, das in dem technokrati-schen Getriebe funktionieren muss, das er geschaffen hat.

Die Ökologie erinnert an die Grundgesetze des natürlichen Gleichgewichts, der Interaktion der Lebenden Wesen mit der Umwelt, aber ohne eine radikale Veränderung in der Mentalität bleiben die ökologischen Ideen ohne größeren Einfluss.

Der Buddhismus enthält die spirituellen Grundlagen einer wahren Ökologie, weil er eine Praxis der Nicht-Dualität von Körper-Geist, selbst und anderen, von Mensch und Kosmos, von Praxis hier und jetzt und Erwachen ist.

Die Beziehung zur Umwelt zeigt sich auch im Bereich der Energie: Wir sind aus den gleichen Elementen und aus der gleichen Energie zusammengesetzt wie das ganze Universum. Wenn man für sich selbst zuviel Energie verbraucht, schafft das ein Ungleichgewicht, nicht nur in der Umwelt, sondern auch in sich selbst. Z. B. ruiniert zu viel Nahrung und eine zu reichhaltige Nahrung die Gesundheit. Der Buddhismus befürwortet eine gewisse Genüg-samkeit. Während der Sesshin gibt es eine leichte, natürliche Kost. Ohne Dogmatismus entwickelt Zazen unser Gefühl für Nahrung.

Zuviel Komfort schwächt unsere Abwehrkräfte. Das Leben im Zen besteht darin, zu einer einfachen Existenzweise zurückzufinden, ohne zuviel Komfort oder Luxus.

Zuviel Information macht unsere Beziehung zur Welt abstrakt. Zen bedeutet zur direkten Erfahrung des Lebens zurückzufinden.

Die Zen-Mönche haben ihr Dojo oft in der Natur errichtet, in den Bergen, an Flüssen. Aber nicht aus einer romantischen Verbunden-heit mit der Natur. Ebenso wie Zazen drücken auch die Erscheinungsformen der Natur die Lehre des Buddha jenseits von Sprache und bewusstem Denken aus. Letztlich ist es so, dass für den, der Zazen praktiziert, alle Wesen Buddha sind und eine große Belehrung zum Ausdruck bringen. Mönche sind erwacht, als sie einen Stein fallen oder das Geräusch des Bambus gehört oder eine Pfirsichblüte gesehen haben oder auch durch das Rauschen eines Sturzbaches im Tal. Diese natürlichen Phäno-mene waren die Gelegenheit, ihre Einheit mit dem ganzen Universum zu realisieren, die Wirklichkeit ihres Lebens hier und jetzt jenseits aller Dualitäten, aller Trennungen. Ein Berg ist nicht das Bild oder der Begriff des Berges. Er ist weder eine Metapher noch ein Symbol, sondern eben ein Berg, so wie Zazen eben nur Zazen ist. Das heißt nicht, dass er etwas Begrenztes ist, sondern im Gegenteil: Es verweist auf die Existenz jenseits des Gegensatzes von absolut und relativ. Der Berg ist genau das, was er ist.

Schließlich ist unsere Umwelt eine bewegte, unbeständige Welt. Unser Ego, das ein dauerhaftes Glück sucht, stößt sich an der Vergänglichkeit der Phänomene. Deshalb haben die meisten Religionen das Glück im Jenseits gesucht; in einigen Schulen des Buddhismus sucht man das Nirwana jenseits der Welt der Erscheinungen. Zazen zu praktizieren, bedeu-tet, sich jenseits des Dualismus von Erscheinungswelt, die man Samsara nennt, und Nirwana zu befinden. Denn dieser Dualismus ist noch Verhaftetsein an unser Ego. Wenn dieses Ego aufgegeben wird, braucht man Samsara nicht mehr zu fürchten und das Nirwana nicht mehr zu suchen.

Der Bodhisattva des Mahayana-Buddhismus lebt und praktiziert in der Erscheinungswelt, um allen Wesen zu helfen, ihr Leiden zu beenden und das Erwachen zu verwirklichen.

Das ist der Lebenssinn, den die Zazenpraxis jedem von uns vorschlägt.

      
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