Zum Buch:
Zen, Nationalismus und Krieg

Japan, das Land der aufgehenden Sonne und des Zen-Buddhismus: für viele verbindet sich damit Exotik und auch das Bild friedlich meditierender Mönche. Dass dieses Idealbild trügt, zeigt der neuseeländische Literaturwissenschaftler Brian Victoria in seinem Buch ‘Zen, Nationalismus und Krieg - Eine unheim-liche Allianz’. Was Brian Victoria anhand von historischen Dokumenten und Gesprächen mit Zeitzeugen zutage fördert, bestürzt. Denn der japanische Zen-Buddhismus erweist sich als überwiegend militaristisch und nationalistisch. Die ‘Einheit von Zen und Schwert’, von Zen und Kampf, kennt man hier im Westen vor allem aus Samurai-Filmen und aus Kampfkünsten wie Karate oder Bogenschießen. Meistens heißt es, dass es auch in den Kampfkünsten um Weisheit und Erleuchtung geht.

Der bedeutende Zen-Meister Harada Sogaku, auf den sich viele im Westen lehrende Zen-Meister beziehen, schrieb zu diesem Thema im Jahr 1939:

"[Wenn befohlen wird zu] marschieren: marsch, marsch; [oder zu] schießen: peng, peng. Dies ist die Manifestation der höchsten Weisheit [der Erleuchtung]. Die Einheit von Zen und Krieg, über die ich spreche, erstreckt sich bis in die entferntesten Bereiche des heili-gen Krieges [der zur Zeit stattfindet]."

Das waren keine bloßen Worte. Japan hatte damals die Mandschurei und Korea besetzt und war dabei, Südostasien zu erobern. Es gab ein eigenes Zen-Training für Soldaten, um sie für den Krieg tauglich zu machen. Der militante Zen-Meister Harada Sogaku ist kein Einzelfall. Auch D. T. Suzuki, der durch seine Bücher den Zen-Buddhismus im Westen bekannt gemacht hat, hat die Allianz von Nationalismus, Milita-rismus und Zen-Buddhismus vollmundig unter-stützt. Zum Beispiel schreibt er:

"Religion und Staat müssen einander zwangsläufig unterstützen, um zur Ganzheit zu gelangen. Die Religion sollte zu allererst versuchen, die Existenz des Staates zu erhalten, denn dadurch zollt sie seiner Geschichte und den Gefühlen des Volkes Achtung."

Und daher sind Kriege religiös gerechtfertigt, wie er weiter ausführt. Solche Ansichten trafen bei Japans Verbündetem im Zweiten Weltkrieg, dem nationalsozialistischen Deutschland, auf offene Ohren und haben untergründig wohl auch zur Popularität des Zen-Buddhismus beigetragen. Der Autor des Buches, Brian Victoria, ist selbst Zen-Priester der Soto-Schule und hat Jahrzehnte seines Lebens in Japan verbracht. Für ihn geht es nicht um eine Abrechnung oder Diffamierung des Zen-Buddhismus, sondern um eine Klärung der Lage. Zen und die Zen-Praxis soll nicht für den Egoismus staatlicher Machtausübung gekidnappt werden, schreibt er. Denn das ist Verrat an der Lehre Buddhas.

"Natürlich befürworten die wenigsten Anhänger der Religionen, dass ihr Glaube zu ‘einer unter den vielen Ressourcen des immer gleichen alten Todesspiels’ wird, ganz zu schweigen davon, dass er dazu benutzt wird, ‘Menschen zum Töten zu motivieren’. Um dies jedoch künftig wirksam zu verhindern, müssen die grossen Weltreligionen ihre Anhänger auf eine höhere universelle oder globale Ethik verpflichten, eine Ethik, die über ethnische, nationale und religiöse Identitäten hinausreicht, eine Ethik, die dazu auffordert, ‘den Nächsten zu lieben wie sich selbst’, wo immer und wer immer jene ‘Nächsten’ auch sein mögen."

Rezension von Dr. Ursula Baatz (ORF, 03.05.99)



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