Protokoll der Sitzung vom 24. September 2003 des
Fahrgastbeirates Raum Hanau in der Gaststätte „Dampflok“ im Hanauer
Hauptbahnhof.
Horst Gunkel begrüßt die Anwesenden
und stellt Einvernehmen über die Tagesordnung her.
TOP 1 – Einzelhandel
und ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr)
Herr Sohn vom Einzelhandelsverband
Hanau erläutert, dass dieser ein freiwilliger Zusammenschluss von
Einzelhändlern sei. Derzeit gäbe es 360
Mitglieder, sowohl Inhaber von Tante-Emma-Läden als auch große Konzerne seien vertreten. Etwa 65 % des gesamten
getätigten Umsatzes werde durch Mitglieder des Verbandes abgedeckt. Der
Verband habe vielfältige Aufgaben, ein rechtlicher Schwerpunkt bestünde.
Politisch
sei der Verband ebenfalls aktiv und vertrete die Interessen der
Einzelhändler/innen sowohl auf regionaler als auch auf örtlicher Ebene. Aktuell
gehöre hierzu das Thema Stadtentwicklung in Hanau. Derzeit würden intensive
Gespräche mit der Stadt Hanau zu diesem Thema geführt, sowohl im Hinblick auf
die Innenstadtentwicklung als auch zur Problematik der Ansiedlung von
Einzelhandel an Peripherstandorten.
Zu der Verkehrsmittelwahl der Kunden bestehe ein neutrales Verhältnis,
letztlich sei es gleichgültig, mit welchem Verkehrsmittel die Kunden die Läden
erreichten. Der Eindruck, der motorisierte Individualverkehr werde vorgezogen,
sei nicht richtig. Es bestünde jedoch die Auffassung, dass eine Politik, die
den motorisierten Individualverkehr (MIV) übermäßig behindere, nicht zielführend sei.
Es schließt sich eine Diskussion zum
Verhältnis ÖPNV und Einzelhandel an.
Angesprochen auf die Wahrnehmung im
Fahrgastbeirat, der ÖPNV jedoch auch der Radverkehr würden häufig als
Störfaktoren in der Hanauer Innenstadt wahrgenommen erwidert
Herr Sohn, dass vor allem bei
größeren Einkäufen ein Auto nötig sei. So sei die Unterkellerung des
Freiheitsplatzes mit 600 Plätzen dringend nötig. Er verweist auf die
Veränderung der Bevölkerungsstruktur. So sei die Kaufkraft der in der
Innenstadt wohnenden Bevölkerung zu gering. Läden, die ein höherwertiges
Angebot vorhielten, könnten im Prinzip nur dann auf Dauer überleben, wenn die
Durchlässigkeit des Verkehrs von außen in die Innenstadt funktioniere und nicht
durch Verkehrsberuhigung oder zu viel Durchgangsverkehr (auch im ÖPNV) behindert
würde.
Sowohl für den ÖPNV als auch für den MIV sollten Rahmenbedingungen
geschaffen werden, eine eindeutige Präferenz für ein bestimmtes Verkehrsmittel
bestehe nicht. Auch im Hinblick auf die Verbesserung der Radwege stünde der
Einzelhandelsverband eindeutig auf der Seite derjenigen, die Verbesserungen
einforderten. Busse würden in erster Linie im Bereich der Nürnberger Straße als
störend empfunden, sonst werde der Busverkehr sehr positiv beurteilt.
Insbesondere die Firma Kaufhof vertrete offensiv die Auffassung, dass die Busse
weiterhin in der Nürnberger Straße geführt werden sollten.
Der Verband sei der Meinung, dass bestehende Defizite (z. B.
nicht einheitliche Öffnungszeiten) abzubauen seien. In der Schwerpunktsetzung unterscheide sich
der Einzelhandelsverband sicher vom Fahrgastbeirat, dem motorisierten
Individualverkehr sei größere Bedeutung zuzumessen, denn es sei ein
gesellschaftliches Phänomen, dass viele Leute mit dem Auto zum Einkaufen
fahren. Der Einzelhandelsverband sehe es nicht als seine Aufgabe an, die Kunden
in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen.
Seitens des Fahrgastverbandes wird
verdeutlicht, dass immer mehr Läden aus dem unmittelbaren Umfeld der Bewohner/innen
verschwinden, an die Peripherie verlagert würden und dadurch der Druck steige,
auf das Auto auszuweichen, weil fußläufig das Angebot verringert werden. Eine
Chance für den Einzelhandel in der Innenstadt sei es, das Segment derjenigen
genauer zu beachten, die mit dem ÖPNV in die Stadt kämen.
Herr Sohn bekräftigt die
Einschätzung, dass die Ausweitung des Angebotes an der Peripherie der Städte in
vielfacher Hinsicht schädlich sei. Die Städte und Gemeinden seien
aufzufordern, Rahmenbedingungen zu
setzen, wo Einzelhandel anzusiedeln sei. Die Stadt Hanau beabsichtige, großflächigen
Einzelhandel im Bereich Lamboy anzusiedeln. Dies führe zu Problemen
insbesondere für Personen, die nicht mehr so mobil seien. Beispiele aus anderen
Städten zeigten, dass das Verschwinden von Einkaufsmöglichkeiten weitere
Schritte erforderlich mache. So werde in einer südhessischen Stadt ein
Fahrdienst zu Supermärkten eingerichtet weil wohnortnahe Angebote nicht mehr
vorhanden seien.
Die Politik sei in die Verantwortung zu nehmen, um Fehlentwicklungen zu
vermeiden. Da Politiker wieder gewählt werden wollen und davon ausgingen, dass
alle Wähler billig einkaufen wollten, würden Großansiedlungen befördert. Die
Erfahrung zeige jedoch, dass die großen Konzerne aus angestammten Standorten
herausgingen, da andere lukrativer erschienen.
Seitens des Fahrgastbeirates wird
angeregt, die Infrastruktur der Innenstadt zu verbessern und beispielsweise
auch Lieferdienste einzurichten, Schließfächer anzubieten etc.
Herr Sohn erläutert, dass
entsprechende Planungen auch in Hanau bestünden.
Herr Heitmann (HSB) ergänzt, dass
seitens der HSB das Thema Lieferservice bearbeitet würde. Im Hinblick auf den
Busverkehr führt er aus, dass es in Hanau nur wenige Alternativen zur
derzeitigen Busführung gäbe. Insbesondere zum Wochenmarkt würden die Busse sehr
gut angenommen. Der ÖPNV sei auch im Hinblick auf die Beschäftigten in Hanau
sehr wichtig, eine bessere Akzeptanz des Jobtickets sei wünschenswert. Zu begrüßen wäre es, wenn auch der
Einzelhandel die Möglichkeiten, die der ÖPNV biete, anpreisen würde. Der ÖPNV
sei gerade im Hinblick auf die Innenstadt ein wichtiger Faktor, um Kunden zu
halten und damit auch die Läden zu erhalten.
Herr Sohn sagt zu, die Anregungen
aufzugreifen und bei Veranstaltungen auf die Möglichkeiten des ÖPNV
hinzuweisen.
Herr Ringel (Taxiverband) verweist
auf die Möglichkeit, ÖPNV und Taxi zu verknüpfen. Kunden könnten mit leeren
Taschen in die Stadt mit dem Bus fahren, der Rückweg mit schweren Taschen sei
dann auch mit dem Taxi möglich. Dies werde bereits heute besonders an
Markttagen praktiziert, sei jedoch ausbaufähig.
Seitens des Fahrgastbeirates wird
darauf hingewiesen, dass vor allem Büros damit werben, dass Parkplätze
vorhanden seien, so dass immer wieder auf Autos verwiesen werde. In Hanau sei
die Nutzung des Autos beispielsweise durch die vielen Einbahnstraßen wenig
attraktiv, so dass Alternativen gesucht würden. Auch das Angebot in der Stadt
lasse zu wünschen übrig: statt Gastronomie gäbe es viele Fast-food-Läden, es
fehlten Läden, die den normalen Bedarf abdeckten und auch das Angebot an
Lebensmitteln sei sehr gering.
Weiter wird dargelegt, dass Hanau
verkehrstechnisch erst auf dem Weg zu einem Oberzentrum sei. Die vorhandene
Verkehrsinfrastruktur habe Auswirkungen auf die in einer Stadt getätigten
Investitionen, die Vernetzung der Angebote sei daher besonders wichtig,
vielfältige Verkehrsinfrastruktur sei einer der wichtigsten Standortfaktoren.
Es wird bemängelt, dass über aktuell anstehende Infrastrukturfragen in Hanau
kaum diskutiert wird.
Herr Schretzmann (Kaufhof) fordert
eine differenzierte Betrachtung der Problematik ein. Er stellt fest, dass der
ÖPNV ein großer Frequenzbringer sei. Ein Grossteil der Spontankunden käme mit
dem Bus, auch der Anteil der Pendler, die ihre Busfahrt für einen Einkauf
unterbrechen, sei recht hoch. Es sei dringend nötig, die Innenstadtlage
attraktiver zu gestalten. Des Weiteren sei die Fragestellung zu bearbeiten, wie
den Kunden der Einkauf bequemer gemacht werden könne, besonders durch Anpassung
der Ladenöffnungszeiten.
Seitens des Fahrgastbeirates wird
darauf verwiesen, dass Kaufentscheidungen durchaus auch im Hinblick auf die
Erreichbarkeit mit dem ÖPNV getroffen werden könnten. In Hanau sei der Kaufhof
gegenüber Karstadt im Vorteil, da hier die Busse direkt hielten. In der
Vergangenheit sei der ÖPNV-Anschluss zum Toom-Markt in der Innenstadt ausgesprochen
hilfreich gewesen, da hier eine gute Zugänglichkeit gegeben war, das Angebot
werde inzwischen stark vermisst. Die Verlagerung von Einkaufsmöglichkeiten sei
problematisch, da dadurch die Innenstädte ausbluten würden. Weiter wird
bemängelt, dass die Politik zu wenig auf das Problem reagiere, es sei für Hanau
ein Armutszeugnis, dass immer mehr Branchen fehlten. Vor allem Läden, die
Kleinmaterialien angeboten haben, seien weggefallen, die alltäglichen Dinge
könnten nicht mehr in der Innenstadt erworben werden.
Herr Inderwisch weist auf die
Situation von Behinderten in der Innenstadt besonders hin. Die
Bewegungsfreiheit in der Innenstadt sei beispielsweise für Blinde nicht
befriedigend, da Orientierungsmarken fehlten, Bordsteine entfallen seien etc.
Er forderte dazu auf, bei der Innenstadtgestaltung auch sensibel auf die
Bedürfnisse kleiner Gruppen einzugehen.
Herr Behrendt stellt Defizite in der
Beachtung von Verkehrsproblemen in der Innenstadt fest. Die Koordination von
Ladenöffnungszeiten und zu bestellendem ÖPNV sollte beispielsweise
selbstverständlich sein. Er regt an, bei Verkehrskonzepten umfangreiche
Betrachtungen anzustellen. Es werde beispielsweise von den Umsatz steigernder
Wirkung der S-Bahn gesprochen. In Offenbach wurde eine bewusste Entscheidung
getroffen. Die S-Bahn gehe unter der Innenstadt durch, Investitionen ins Umfeld
seien getätigt worden, denn die Leute führen dort hin, wo es interessant wäre.
Schädlich sei eine künstliche Trennung zwischen regionalem und S-Bahn-Verkehr.
Regionale Verkehrsmittel könnten sowohl regionale als auch lokale Leistungen
erbringen. Dies bedeute auch im Hinblick auf den Einkaufsverkehr die Taktzeiten
bis in den Abend zu verlängern, hier seien die Hausaufgaben durch die Kommunen zu
machen, um lokalen und regionalen Verkehr zu kombinieren.
Besonders wichtig sei die Auseinandersetzung mit bereits vorhandenen
Plänen über Ausbau der Verkehrstrassen. Die Attraktivität beispielsweise des
Hanauer Hauptbahnhofs stehe zur Disposition, Umbaumaßnahmen seien dringend nötig,
die Verlagerung von Schienenverkehr stehe an. Hierzu seien umfangreiche
Diskussionen nötig, diese vermisse er jedoch sowohl in Hanau als auch im
Umland, es werde bald über die Entwicklung des Schienennetzes für die nächsten 10
bis 15 Jahre entschieden. Es sei an der Zeit, dass sich die Politik mit der
Faktenlage auseinandersetze.
Herr Sohn bekräftigt, dass
politische Entscheidungen nicht selten unter Missachtung der Fakten getroffen
würden – auch in Hanau. Er fordert dazu auf, dass sich die Politik an der Weichestellung
beteilige, da jetzige Entscheidungen erheblichen Einfluss auf zukünftige Entwicklungen
haben könnten. Die Bearbeitung anstehender Fragen sei dringend nötig.
Herr Ott als Vorsitzender des
Struktur- und Umweltausschusses in Hanau stellt fest, dass Auseinandersetzung
mit Verkehrsfragen durchaus stattfinde. Solche Fragen stellten sich nicht nur
in Verbindung mit der Umgestaltung des Freiheitsplatzes, sondern auch im
Hinblick auf die Entwicklung des Gebietes in Hanau-Nord. Die bisherigen
dargestellten Lösungen seien noch nicht abschließend beraten, wichtig sei es,
auf hohe Qualität zu achten, um Verbesserungen zu erzielen. Zudem stünden noch
Gutachten zur Innenstadtverträglichkeit der geplanten Sortimente im Bereich
Hanau-Nord aus, die zu prüfen seien. Eine weitere Frage in Hanau sei die
Entwicklung am Kurt-Blaum-Platz, dort entwickelten sich neue
Einkaufsmöglichkeiten. Die endgültige Behandlung der anstehenden Fragen werde
erst noch erfolgen, er sehe dies als ergebnisoffenen Prozess an.
Herr Sohn befürchtet, dass
entscheidende Fehler gemacht werden könnten, wenn sich die Politik nicht des
vorhandenen Sachverstandes bediene. Der Zeitpunkt sei wichtig, da
Entscheidungen anstünden.
Auf Grund der bisherigen Diskussion
und in Anbetracht weiterer Veränderungen (Änderungen im Schülerverkehr durch
Verlagerung von Schulen) und auch von Hemmnissen (Planungen im
Rhein-Main-Gebiet können nicht isoliert von einer Stadt beeinflusst
werden) kommen die Anwesenden überein,
die nächste Sitzung des Fahrgastbeirates Raum Hanau zu Strukturfragen
einzuberufen. Im Vorfeld soll ein Vorbereitungstreffen stattfinden, in dem die
wesentlichen Elemente der Strukturveränderungen benannt werden sollten und
Rahmenbedingungen abzustimmen sind, die dann dem Fahrgastbeirat vorgelegt werden
sollen. (Interessierte an dem Vorbereitungstreffen tragen sich in der Liste
ein).
TOP 2 -
Fahrplanänderungen
Herr Heitmann (HSB) stellt die zum
nächsten Fahrplanwechsel anstehenden Veränderungen zum Busverkehr vor. Im
Wesentlichen handelt es sich um Optimierungen. Einer Anregung des
Fahrgastbeirates auf Schließung einer Angebotslücke im Abendverkehr vom
Hauptbahnhof aus wurde mit Einrichtung eines Sammeltaxis entsprochen. Ein
zusätzliches Angebot stellt die Möglichkeit dar, künftig gegen Zuzahlung von 1
€ abends mit dem Sammeltaxi bis zur Haustür gefahren zu werden, eine weitere
Verbesserung besteht in der abendlichen Anschlusssicherung.
Seitens des Fahrgastbeirates wird wieder
die Anregung weitergegeben, im kommenden Fahrplan Linien oder Zeiten auszuweisen,
die garantiert mit Niederflurbussen gefahren werden, um Behinderten eine
zuverlässige Beförderung zu garantieren.
Frau Becker berichtet von Plänen zur
Umstrukturierungen des Busangebotes im Raum Bruchköbel.
TOP 3 Verschiedenes
Seitens des Fahrgastbeirates wird
die Organisation der Schülerkarten kritisiert und angeregt, sich auch beim RMV
über Verbesserungen Gedanken zu machen.
Herr Harding regt an, bei der
Diskussion zur Freiheitsplatzgestaltung in Hanau auch über die künftige
Bedienung durch Bus oder Straßenbahn zu sprechen. Er wünscht sich eine
qualifizierte Grundsatzdiskussion, denn eine weitreichende Entscheidung für die
nächsten 100 Jahre könnte damit verbunden sein.
Nächster Termin: möglichst Mittwoch,
26. November 2003.
Protokoll erstellt durch A. Gunkel.
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