Leseprobe aus BuddhaNetz-Info 6, Sommer 1999:
 

DIE LOGIK DES KRIEGES

Von der (behinderten) Buddhistin Meike Schröder auf der  Kundgebung des Bündnisses gegen den Nato-Krieg am 17.4.1999 in Hannover.

Seit über drei Wochen sind wir im Kriegszustand.

Dieser Krieg ist ein Zustand.

Und dieser Zustand hat mittlerweile auf das Denken der meisten Menschen übergegriffen.

Den ganzen Tag werden wir mit Kriegsbildern aufgewühlt und durcheinander gebracht. Den ganzen Tag werden wir mit Kriegspropaganda bombardiert.

Und Kriegspropaganda hat nur die Ziele

Im Krieg gibt es nur Feind oder Freund.

Wenn ich sage, ich bin gegen die Angriffe der Nato, werde ich automatisch gefragt, ob ich wirklich für Milosevic sei. Wenn ich sage, nein! ich meinte, ich bin gegen Krieg, so werde ich gefragt, ob ich wirklich zusehen wolle, wie Menschen vertrieben werden.

Als ob Friedensarbeit mit Zusehen gleichzusetzen ist.

Ich will keinesfalls die Vertreibungen leugnen, aber ich sage: Es ist der Krieg, der die Menschen dort zum Vertreiben und Flüchten bringt, es ist die Kriegslogik, es ist diese Logik. Denn diese Logik kennt nur Freund und Feind.

Es ist der Krieg, der die Menschen zu Verbündeten gegen einen gemeinsamen Feind oder hin zum Feind einteilt. Und Freund und Feind bleiben nicht unter einem Dach.

Erst durch den Krieg gab es für die Albaner keine andere Möglichkeit mehr als die, sich außerhalb des Kosovo in Sicherheit zu bringen. Und für die Menschen in Jugoslawien gab es keine andere Möglichkeit als die, sich zu verbünden, egal wie heterogen sie sind, egal ob Milosevic-Anhänger oder zur Opposition gehörend.

Und die Opposition sagt selbst: Wenn jetzt Wahlen wären, würden wir Null Prozent der Stimmen kriegen. Und sie bittet in einem offenen Brief darum, dass der Krieg gestoppt werden soll, sowohl die Vertreibungen als auch die Bombenangriffe.

Und wie sollten die Kosovo-Albaner im Land bleiben, wenn sie dort dem Feind zugeordnet werden und sich nicht mit Milosevic verbünden können. Und das Ganze wird noch schlimmer, weil ja die sogenannte "humanitäre Katastrophe" der Albaner die offizielle Begründung für die Bombenangriffe der Nato ist, auch wenn in diesem Zuge halb Kosovo in Schutt und Asche gelegt wird, die Felder brachliegen, die Menschen hungern.

Die wahre Ursache liegt in der Logik des Krieges, im Krieg selbst.

Aber um mich wieder auf den Boden der "Tat-sachen" zurückzuholen, werden mir Beweise vorgelegt. Entweder Beweise, dass die Vertrei-bungen unabhängig von den Bombenangriffen schon lange geplant waren (so der Oberkommandierende der Nato am 1.4. in NTV) - oder dass die Nato der Schurke sei, dass die Vertreibungen als Vergeltungmaßnahme für mögliche Bombenangriffe gedacht gewesen seien und dass das die Nato vor den Bombardements gewusst habe (Brief des in Frankreich inhaftierten Nato-Offiziers Pierre-Henri Bunel laut dpa Paris vom 16.4.).

Sobald ich mich auf diese Ebene einlasse bin ich wieder in der Kriegslogik gefangen und somit wieder im Krieg.

Wenn ich der Nato glaube, muss ich auf dieser Ebene die Bombenangriffe akzeptieren.
Glaube ich Bunell, wird hierzulande herumgeschrien, ich würde Ursache mit Wirkung verwechseln und Milosevic rehabilitieren.

Diese Kriegslogik, dieses absolute Greuel-Vergeltungs-Denken ist so selbstverständlich geworden, dass ich, wenn ich sage "Schluss mit dem Krieg", ernsthaft gefragt werde, ob ich eine bessere Lösung kennen würde.

Denn innerhalb der Kriegslogik ist kein Platz für Frieden und Verständnis. Innerhalb der Kriegslogik muss der Feind zum bekämpfenswertesten aller Feinde gehören. Sei es durch Greueltaten, die er angeordnet hat oder haben soll, sei es durch seinen miesen Charakter. Oder indem Verbrecher, die ganz eindeutig schrecklich waren, und die absolut beweisbare Greueltaten veranlasst haben, auf ihn projiziert werden. Je verabscheuungswürdiger der Feind ist, um so weniger verabscheuungswürdig erscheinen die Methoden seiner Bekämpfung.

Dabei ist die Würde der Menschen, die als Begründung für Gewalt, Hass, Mord, für Vergeltung herhalten müssen, ganz egal. Sind die Kosovo-Albaner an der mazedonischen Grenze noch "Deportierte" oder Menschen, die einem "Massaker" gerade noch entkommen konnten, so werden sie, sobald sie Ihre Rolle als Beweis für die Unmenschlichkeit des Milosevic-Regimes gespielt haben, zu "Lasten", über deren Kosten sich Bund und Länder streiten, zu Quoten, um die gefeilscht wird, und die nicht einmal außerhalb der Quote zu Verwandten hierher reisen dürfen, sondern "vor Ort" in Lagern "Zuflucht" finden müssen. Nichts und niemand bleibt davon verschont, als Begründung für Gewalt, Hass, Mord herhalten zu müssen. Ob vergewaltigte Frau oder gestorbenes Baby. Ein jeder innerhalb des Kriegsgebietes ist Statist für dieses Bühnenbild, das keinen Frieden in sich birgt.

Und damit niemand so recht sieht, dass Vergeltung auch Gewalt ist, werden Geschehnisse einfach umbenannt, verleugnet, verfremdet. Aus Angriff wird Verteidigung. Tote Soldaten gibt es nicht. Und ermordete Zivilisten werden zu bedauerlichen Unfällen oder noch schlim-mer zu "Kollateralschäden". Und die, die so verleugnet werden, deren Leid verharmlost wird, deren Leben und Sterben mit den unmöglichsten Begriffen entwürdigt wird, verfallen auch wieder leicht in die Sprache der Kriegslogik und entwürdigen andere Menschen, die gelitten haben, um ihr Leid zu verdeutlichen, auch sie reden von Vergasung und KZs.

Durch den Krieg und seine Logik, durch seine Sprache, durch seine Kriegspropaganda werden uns Grundwerte gestohlen, werden wir des Ausdrucks beraubt und des gesunden Men-schenverstandes.
Krieg führt nicht zu Frieden.

Und damit wir das wirklich vergessen, wird Krieg zu Frieden, werden Kriegstruppen des Militärbündnisses der Nato Friedenstruppen genannt.

Jeder Krieg mit seiner Kriegspropaganda hat unweigerlich große Schäden in der humanisti-schen und ethischen Haltung einer Bevölkerung zur Konsequenz. In Deutschland, einem Land das schon immer Gefahr läuft, die humane Orientierung für abstrakte und ökonomische Ziele zu opfern, ist dies um so verhängnisvoller.

Selbst die Politiker sind in ihrer Inszenierung schon so gefangen, dass z.B. Volker Schlotmann (SPD) der PDS vorwarf, sie würde fälschlicherweise von einem Angriffskrieg der Nato sprechen, und Joseph Fischer sagte: "Es ist jetzt an einem Punkt gekommen, wo wir nicht mehr zurückkommen - auch moralisch nicht."

Aber wir, wir können zurück, können uns von dieser Kriegslogik befreien, können wieder einen klaren Kopf bekommen, und das fordern, was jetzt als ersten Schritt notwendig ist:
 

STOPPT DEN KRIEG!

Die Friedensbewegung ist nicht tot. Sie war nur geschockt, wie paralysiert. Im Krieg und seiner Logik ist es nicht leicht, die Ebene des Krieges zu verlassen, zu leicht verfällt man seinen Fallstricken.
Aber wenn überhaupt sich Menschen von der Kriegslogik befreien können, dann sind es die, die nicht im Kriegsgebiet leben müssen, die die nicht unmittelbar um Freunde, Verwandte, Bekannte trauern oder bangen, die die den nötigen Abstand haben, um nicht der Ohnmacht und dem Hass zu verfallen. Dann sind das wir. Wir alle müssen diese Verantwortung übernehmen. Jeder! Jede! Vom schreibenden Journalisten bis zum plaudernden Bäcker.

Redebeitrag von Meike Schröder auf der  Kundgebung des Bündnisses gegen den Nato-Krieg am 17.4.1999 in Hannover.
 



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