Zerstörung der Waldwiese

SPD und CDU haben ein in Süddeutschland einmaliges Trockenrasenbiotop in Großauheim zerstört. Jeder wusste, dass dies Unsinn ist, aber in Großauheim hat sich parlamentarisch nur die BUG vehement dagegen gesperrt. Wir dokumentieren zur Auseinandersetzung einen Redebeitrag der heutigen BUG-Fraktionsvorsitzenden in der Stadtverordnetenversammlung.


Angelika Gunkel, Mitglied der BUG
Redebeitrag Waldwiese - 30.10.89
in der Hanauer Stadtverordnetenversammlung


Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine Damen und Herren,
verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

In Sigirya, im Herzen Sri Lankas, ist ein Ort, den man Löwenburg nennt, und jeder, die es hören will, wird diese Geschichte der Burg erzählt: im 5. Jahrhundert nach Chr. regierte der König Dhatusena, dem man Weisheit und unermeßliche Schätze nachsagte. Sein Sohn wollte räuberisch in den Besitz dieser Schätze gelangen und zettelte einen Aufstand gegen den Vater an. Da nahm ihn der Vater mit auf den hohen Felsen, auf dem später Sigirya entstand, zeigte dem Sohn das fruchtbare, schöne Land und die Seen und sagte: "Dies ist mein Schatz".

Keine Angst meine Herren, die Geschichte geht gut aus. Der "einfältige" König wurde getötet, das Land verwüstet.

Fragte mich heute jemand nach einem Schatz in dieser Stadt, so würde ich ihm nicht die Fayencen in Philippsruhe, nicht die Geschmeide im Goldschmiedehaus und auch nicht die Großsporthalle nennen, sondern ihn zur Waldwiese von Großauheim führen. Zu jener abgeschlossen Oase inmitten unserer sogenannten Zivilisation, wo es bisher durch Nichtbeachtung möglich war, daß sich Pflanzen und Tiere in einer Wiesengesellschaft entfalten konnten, die einmalig in Hessen ist. Ein Refugium zwischen Truppenübungsplatz, Straßen, Bahnlinien und dem Moloch, den man - Mann - Zivilisation nennt.

Wenn es nach Ihnen geht, meine Damen und Herren von SPD und CDU, so sind die Tage dieser Milliarden von Lebewesen, der Blumen, Gräser, Schmetterlinge, Insekten gezählt. Dann rollen schon bald Bagger und Planierraupen an, um dieser für Geldhungrige unnützen Wiese den Garaus zu machen.

Und warum?

So, das ist die eine Seite. Aber Herr Stadtbaurat Prof. Anderle hat hier wiederholt darauf hingewiesen, daß man immer auch die andere Seite sehen muß. Auf die will ich hier eingehen.

Warum gibt es Leute, die sich vehement gegen die Bebauung, gegen die Zerstörung der Waldwiese wehren? Sind dies Einfältige?

Seit Beginn der drastischen Durchsetzung dieses Bebauungsplanes wurde auch überprüft, ob die Bebauung aus ökologischen Gründen verantwortbar ist, eine Überprüfung, ob Menschen dieses Baugebiet zugemutet werden kann, steht allerdings noch aus.

Die zusammengetragenen Stellungnahmen, Gutachten, Aufforderungen, Pressemitteilungen und Statements, die sich gegen eine Bebauung aussprechen, füllen viele Aktenordner, - trotzdem wird an diesem unsäglichen Bebauungsplan festgehalten.

Wird denn wenigstens behauptet, das Gebiet sei ökologisch nicht wertvoll, so daß man/frau sagen könnte: Ach, sie wissen nicht was sie tun? Nein. Es wird bestätigt, daß hier laut Bundesnatur- schutzgesetz hochrangig geschützes Gebiet geopfert wird, daß mit Bauchschmerzen, mit blutendem Herzen aber bei Abwägung aller Aspekte Mann, in diesem Fall Herr Prof. Anderle, sich für eine Bebauung entschieden hat, und das, obwohl er selbst sagt, ein solches Vorhaben, stünde man am Anfang einer Planung, hätte keine Chance weiterverfolgt zu werden. Welch noble Geste, Mitleid mit Prof. Anderle ist angesagt.

Was passiert aber wirklich. Die Stadt Hanau und Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU setzen sich über alle Fachaussagen hin-weg, wollen hier im Machtrausch etwas verantworten, was nicht verantwortbar ist, erklären alle Erkenntnisse aus 30 Jahren Umwelt-zerstörung und auch die Schlüsse, die jetzt langsam gezogen werden zur MAKULATUR:

Novellierung Bundesnaturschutzgesetz § 20  "Schutz und Pflege der wildwachsenden Pflanzen und Tiere, ihre Entwicklungsformen, Lebensstätten, Lebensräume und Lebensgemeinschaften als Teil des Naturhaushalts" sind zu schützen.
Für Sie: MAKULATUR.

Hessisches Naturschutzgesetz § 1 Abs. 1 Punkt 2: ...Trockenstandorte sind als Zufluchtsstätten bedrohter Lebensge-meinschaften zu schützen, zu erhalten und, soweit möglich, neu zu schaffen".
Für Sie: MAKULATUR

Regionaler Raumordnungsplan:  "In ihrem Bestand bedrohte Biotope, Pflanzen und Tiergesellschaften ... und die Zufluchtstätten bedrohter Lebensgemeinschaften sind vor Zerstörung, Beschädigung und Veränderung zu schützen..."
Für Sie: MAKULATUR

SPD: Leitlinien zur Stadtentwicklung Hanau: "Die verstärkte Beachtung und Umsetzung von mehr Natur- und Umweltschutz sind wesentliche Voraussetzungen für die Lebensqualität einer Stadt. Mehr Umweltschutz erreicht man ... im Respekt vor der Schöpfung...
In einer dichtbesiedelten Region bedeutet Naturschutz möglichst weitgehende ERHALTUNG der natürlichen Lebensgrundlagen."
Für Sie: MAKULATUR

SPD-Kommunalwahlprogramm: "Im Naturschutz setzen wir folgende Schwerpunkte: Maßnahmen zur Erhaltung bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Aufstellung eines Schutzprogramms nach Beendigung der Biotopkartierung."
Für Sie: MAKULATUR

Biotopkartierung Hanau: "Trockenrasen - sind spezielle Vegetationsformen auf mageren trockenen und/oder sandigen Böden. Nur noch wenige Flächen sind im Stadtgebiet (Waldwiese, Amerikafeld) erhalten. Diese Flächen sind unbedingt zu erhalten."
Für Sie: MAKULATUR

CDU: Wahlprogramm: "Für die CDU ist der Schutz der Lebensräume für Tiere und Pflanzen eine wichtige kommunalpolitische Aufgabe."
MAKULATUR

Naturschutzbeirat der Stadt Hanau: Stellungnahmen seit 1981, die sich vehement gegen die Bebauung aussprechen, Gutachten wurden angefordert, zur Verfügung gestellt, Presseinformationen weitergegeben etc. Alles vor dem Hintergrund, mit sachlichen Argumenten die Verantwortlichen für die Planung von der Unsinnigkeit des Planes aufgrund erdrückender Sachinformation zu überzeugen. Vergebene Liebesmüh` angesichts der Tatsache, daß noch so viele Gutachten und Stellungnahmen nichts an dem Willen verändern können, leider, den einmal gefaßten Plan umzusetzen. Hier geht es offensichtlich nicht um sachliche Abwägung von Belangen, sondern um Machtdemonstration, Omnipotenz, um jeden Preis.
MAKULATUR

In einer seiner letzten Sitzungen bat der Naturschutzbeirat zu prüfen, ob eine Umpflanzaktion, eine verzweifelte Rettungsaktion durch Abtragen der obersten Bodenschicht und die Anlage einer neuen "Waldwiese", wenigstens  eine Schadensbegrenzung darstellen könnte. Natürlich waren sowohl Prof. Dr. Anderle als auch OB Martin sofort dafür: sich pressewirksam als Schöpfer der Natur, einer neuen von Menschenhand (Männerhand) angelegten Wiese feiern zu lassen, das konnte Mann sich gut vorstellen, dies wurde als Möglichkeit, so unglaublich es klingt, sogar akzeptiert, Natur ja, aber nur dort, wo sie nicht stört.

In der Antwort auf diese eigentlich ungeheuerlich An-frage bei Prof. Dr. Gisbert Große-Brauckmann schreibt er: "es wäre nicht nur tief bedauerlich, sondern auch ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen, wenn dieser Standort mit seiner einzigartigen Flora (und der daran gebundenen Tierwelt) unwiederbringlich ande-ren Interessen geopfert würde!"
MAKULATUR

Bauleitplanung Hanau: Besonderer Augenmerk soll dem Umweltschutz und insbesondere der Sicherung von Freiräumen gelten... Das Frei-halten von Kaltluftschneisen, die Sicherung von Naturräumen für bedrohte Pflanzen und Tiere ... sind Gründe, Wohnbauflächen zu überprüfen... Die dargelegten Ziele sind -
 MAKULATUR

Der letzte Umwelttag stand unter dem Motto: Umweltschutz beginnt vor unserer Haustür, warme Worte allerorten. Plan: mehr als 100 Haustüren in das von Gesetz wegen eigentlich geschütze Gebiet.
Was geschrieben und gesagt wurde:
MAKULATUR

Von der Stiftung zum Schutze gefährdeter Pflanzen wurde das Sandköpfchen (Jasione montana) zur Blume des Jahres 1990 gewählt, um damit auf den gefährdeten Lebensraum Trockenrasen hinzuweisen. Das Sandköpfchen wächst auf dem intakten Trockenrasen Waldwiese, noch. In diesem Jahr war die Karthäuser Nelke Blume des Jahres, auch sie wächst auf der Waldwiese Großauheim, noch. Für die Stadt Hanau je-doch kein Grund, ihre Planungen wegen dieser lächerlichen Fakten zu überdenken. Alles
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Apelle der Naturschutzberbände
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Richtlinien der Bundes- und Landesregierung
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Hunderte von Unterschriften gegen die Bebauung
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Eine Vielzahl von Einwendungen
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Diese Aufzählung könnte ich stundenlang fortsetzen, dies wird mir hier nicht gestattet, es hemmt den gewollten Lauf der Dinge. Und nichts drängt mehr als die Zeit, mit jedem Tag, jedem Monat, der vergeht, wird es unmöglicher, all dies zu übersehen, deshalb: Augen zu, Ohren zu, Mund zu : Hand hoch.

Hier sehen Sie greifbar vor sich wie eine Abwägung aller Belange á la Hanau aussieht. Sanktioniert werden soll dies von einem Regierungspräsidenten von Wallmanns Gnaden, der dieses Wallhausen ge-nehmigen soll, Wallhausen deshalb: um das Gebiet auch nur einigermaßen bewohnbar zu machen müssen immerhin Lärmschutzwälle und -wände an drei Seiten bis zu einer Höhe von 7 m (so hoch ist das Brüder Grimmdenkmal) installiert werden. Ein spektakulärer Versuch den BürgerInnen das Brett zu verpassen, das offensichtlich viele Politiker vor dem Kopfe haben.

Damit bleibt die Waldwiese allerdings einmalig in Hessen, wenn nicht in der Bundesrepublik, denn auf Nachfrage konnte ich kein Gebiet finden, in dem eine solche Planung geschweige denn Realisierung bereits erfolgt wäre. Südafrika und Südamerika ausgenommen. Wie sich dieses Luxusghetto auswirkt kann man sich vorstellen.

Wir werden die Vorlage ablehnen, Sie dazu aufzufordern fehlt mir die Kraft und das Vertrauen, aber diejenigen unter Ihnen, an denen die Umweltschutzdiskussion, die Appelle und Aufrufe der letzten Jahre nicht spurlos vorbeigegangen sind, die aus der Geschichte, auch aus der jüngsten! gelernt haben, bitte ich um den Mut, hier diesem Ausverkauf der Natur, der Beihilfe zum Mord an der Natur, der Beihilfe zur Ausrottung von Tieren und Pflanzen vor unserer Haustür, dem Griff auf das, was unseren Kindern und Kindeskindern gehört, nicht zuzustimmen. Was offensichtlich von der Stadt Hanau und auch von Ihrem Verbündeten, dem CDU-Regierungspräsidenten, dem reaktionärsten, den wir jemals in Südhessen hatten, als rechtens angesehen wird, muß nicht richtig sein, und in diesem Fall ist es grobes Unrecht, der Verstoß gegen geschriebene und auch ungeschriebene Gesetze. Irren ist menschlich, aber auf einem Irrtum wider besseres Wissen zu beharren, das ist Dummheit, das ist Bosheit, das ist ein Verbrechen. Also: Vernichten und Zerstören Sie, wenn Sie es nicht lassen können, zum Wohle der Profiteure und zum Nachteil Ihrer und meiner Kinder.



Nachtrag:

Die Walwiese von Großauheim gibt es nicht mehr. Sie wurde von der SPD-CDU-Koalition in Hanau zerstört.



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