Vorgestellt werden zunächst am Beispiel der Städte Rotterdam, Bamberg und Heidelberg, welche Schritte unternommen werden können, um zu einer nachhaltigen und patizipativen Stadtentwicklung zu gelangen. Über Agenda-21-Aktivitäten der Stadt Bamberg wurde im ÖkoInfo bereits berichtet. Leitlinien und Überlegungen zur Stadtentwicklung in Rotterdam, einer Stadt in einer Verdichtungsregion stellen wir hier vor (Autor: Burkhard Rausch). Mit einem kurzen Rückblick über die Stadterneuerungspolitik in Rotterdam unter starker Einbeziehung der Bevölkerung und aktuellen Entwicklungen im Hinblick auf Beachtung der Zielsetzungen der Agenda 21.
Im Workshop sollen die Beispiele zunächst als Anhaltspunkte dienen,
nachhaltige Stadtentwicklung zu definieren. Anschließend sollen Wege
und Kriterien für eine „Nachhaltige Stadtentwicklung“ in Hanau
und in der Rhein-Main-Region erarbeitet werden. Der Workshop ist kostenfrei,
Anmeldung jedoch nötig bis 11. Juli 2000 unter: ÖkoBüro
Hanau, Auwanneweg 72, 63457 Hanau, Tel.: 06181-53139, FAX: 06181-573975
oder OekoBuero.Hanau@T-Online.de.
Über eine Nachricht aller am Thema Interessierten, die zum geplanten
Termin verhindert sind, würden wir uns freuen und in die weiteren
Planungen einbeziehen.
Rotterdam, nach Amsterdam die zweitgrößte Stadt der Niederlande, hat etwa 600.000 Einwohner und liegt in einer Verdichtungsregion. 1999 gab es ungefähr 260.000 Arbeitsplätze in Stadt und Hafen. Ein sehr großer Teil des Grund und Bo-dens ist Eigentum der Stadt (ca. 60 %), die traditionsgemäß schon immer „Großgrundbesitzer“ war. Die Kommune verkauft Grundstücke im allgemeinen nicht, sondern vergibt sie in Erbpacht. So behält sie das juristische Eigentum und damit auch einen entscheidenden Trumpf für zukünftige Erneuerungsprozesse.
Seit Beginn der Rotterdamer Stadterneuerungsstrategie 1974 entstanden in den innerstädtischen Altbauquartieren ca. 60.000 Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus, größtenteils durch Renovierung von ehemaligen privaten Mietwohnungen und Neubau in Baulücken, vor allem auf ehemaligen Industrie- und Hafenstandorten (Feijenoord, Noordereiland), weitgehend unter Beteiligung der Bevölkerung in den Quartieren. Obwohl die aktive Stadterneuerung nun schon 25 Jahre andauert und auch weil sich die Verwaltungsstruktur und die Ziele der Stadterneuerung in den letzten Jah-ren verändert haben, kann von einem Abschluß der Erneuerungsmaßnahmen keine Rede sein. In Rotterdam wird bewusst von „Abrundung“ der Planungen und nicht von „Abschluss“ gesprochen, um die Kontinuität des Erneuerungsprozesses deutlich zu machen.
In Stadtteilen wie dem „Oude Westen“ oder „Feijenoord“ finden immer noch Veränderungen statt, obwohl diese Stadtteile bereits als Vorzeigeobjekte für eine gelungene Stadterneuerung dienen. Die Or-ganisations- und Entscheidungsstrukturen der Stadterneuerung begünstigen Bürgerbeteiligung und integrierte Planung. Bis Mitte der 80er Jahre wurde in den Stadterneuerungsgebieten Projektgruppen eingesetzt, in denen Beamte aller am integralen Prozeß der Stadterneuerung beteiligten Ämter der Stadtverwaltung und Bewohnerorganisation gleichberechtigt vertreten waren. Mitte der 80er Jahre wurden die stadtteilgebundenen Wohnungsbaugesellschaften als dritter Part-ner in die Projektgruppe aufgenommen, wodurch eine Zusammenarbeit von drei „Parteien“ auf Stadtteilebene entstand: Stadtverwaltung, Bewohnerorganisation und - soziale Vermieter.
Die in Rotterdam tätigen Wohnungsbaugesellschaften haben die Verpflichtung, die ihnen übertragenen Wohnungen mit staatlichen Subventionen zu verbessern oder durch neue Sozialwohnungen zu ersetzen, sie verwalteten Ende 1999 ca. 140.000 Wohnungen in Abstimmung mit den BewohnerInnen.
Seit 1988 besteht auch auf gesamtstädti-scher Ebene eine Zusammenarbeit zwischen den eben erwähnten drei Parteien. In diesem Gremium, dem „Coalitie Overleg Rotterdamse Stadsvernieuwing“ (CORS), wird über allgemeine Ziele, Problemlösungen und unterschiedliche Interessen beraten. Außerdem werden ge-meinsame Konzepte entwickelt. Das CORS berät zudem den Stadtsenat.
Die gesamtstädtischen Planungen sind Aufgabe des Amtes für Stadtplanung und Wohnungswesen, das alle Planungen der Projektgruppen erfasst, an denen auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind.
Ende der 80er Jahre entschied sich der Rotterdamer Senat zu einer Neuorientierung
in der Stadterneuerungspolitik, die in engem Kontext mit den Anstrengungen
zur Revitalisierung der Gesamtstadt stand. Die Ziele sind in einem politischen
Rahmenplan, der sogenannten nota „Erneuerung der Stadterneuerung“, festgelegt
und lautet „Bauen für die Stadt“. Damit soll dem teueren Wohnungsbau
und der Zusammenarbeit mit privaten Investoren mehr Aufmerksamkeit geschenkt
werden, um die Stadt auch wieder für die mittleren und höheren
Einkommensgrup-pen attraktiv zu machen. Die Stadt strebt einen kontinuierlichen
Erneuerungsprozess an, der von allen gesellschaftlichen Gruppen finanziell
und mitverantwortlich getragen wird, da sie immer mehr kommunale Geldmittel
für die Bewältigung der hohen Arbeitslosigkeit und vielfältiger
sozialer Probleme einer stark multikulturell geprägten Bewohnerstruktur
aufzubringen sind.
Pflege und Verwaltung des öffentlichen Raumes vor, während
und nach den Stadterneuerungsmaßnahmen hat eine große Bedeutung.
Dies ist nicht zuletzt auf die Kritik der Bevölkerung am Vandalismus,
der unzureichenden Pflege und der sozialen Unsicherheit im öffentlichen
Raum zurückzuführen.
Umweltpolitische Ziele finden seit den Gesprächen zur Agenda 21
im Jahre 1992 in hohem Maße Eingang in die Stadterneuerungspolitik.
Hohe Normen für Schallschutz und Wärmeisolierungen bestimmten
schon länger den Qualitätsstandard der Wohnungen. Recycling von
Baumaterialien, Nichtverwendung von tropischen Hölzern und eine sorgfältige
Bodensanierung kamen hinzu. Heute ent-stehen viele Wohnungen in der Stadt
aus diesem Bewußtsein heraus unter dem Begriff „nachhaltiges Bauen“.
Wer nachhaltig im Sinne der Agenda 21 baut, erhält dafür Prämien.
Seit 1992 wandelt sich die Form der Verwaltung in Rotterdam und damit
auch die Struktur der Bürgerbeteiligung. 1994 wurde die Stadt nach
dem Dezentralisierungskonzept des Senats in elf neue Bezirke untergliedert,
welche Teilaufgaben der Kommunalpolitik und der Stadtverwaltung übernommen
haben. An die stelle von Projektgruppen traten Quartiersgruppen für
„beheer“, die den politischen Gremien der Stadtbezirke unterstellt sind.
„Beheer“ bedeutet soviel wie die Instandhaltung eines Gebietes im weitesten
Sinne. „Beheer“ wird nicht so sehr von materiellen Maßnahmen bestimmt,
sondern vor allem als sozialer Prozeß gesehen, der die Mitverantwortlichkeit
der Bewohner für ihren Stadtteil stimulieren soll. In diesen Quartiersgruppen
„Beheer“ arbeiten unter Vorsitz eines Koordinators der Stadtverwaltung
verschiedene Institutionen auf Quartiersebe-ne zusammen: Bewohnerorganisation,
Vereinigungen von Ladenbesitzern und Gewerbebetrieben, Wohnungsbaugesellschaften,
Schulen und Sozialeinrichtungen, Polizei, Müllabfuhr sowie Straßen-
und Gartenamt, außerdem werden die Projektleitung für Stadterneuerungsprojekte
sowie Vertreter des Stadt-, Verkehrsplanungs- und Bauaufsichtsamtes nach
Bedarf hinzugezogen.
Oberste Priorität der Stadtpolitik ist die Pflege und Erhaltung
der Wohn- und Lebensbedingungen im Quartier (Stadtteilbeheer). Dafür
sorgen die Quartiersgruppen.
Angestrebt wird, dass in der Stadt alle Facetten des städtischen
Lebens zur Entfaltung kommen: eine Stadt mit ungeteiltem Stadtzentrum,
infrastrukturelle Anbindung von Konversionsflächen (hier alte Hafengebiete)
an das alte Stadtzentrum; qualitativ hochwertige Wohnungen für mittlere
und obere Einkommensgruppen. In der Stadtmitte entsteht ein funktionales
Mischgebiet hinsichtlich einkaufen, woh-nen und arbeiten, Jobs und Einkaufsmöglichkeiten
für alle gesellschaftlichen Gruppen, die in und um dieses Gebiet herum
leben werden geschaffen. Ziel der städtebaulichen und sozialen Entwicklung
ist eine Gesamtstadt, in der man wohnt, arbeitet, konsumiert und
sich erholt. Die Stadt soll für alle Bevölkerungsgruppen Lebensqualität
durch Verbesserungs-maßnahmen bezüglich der materiellen, baulich-räumlichen
Struktur, der Gebäude sowie des öffentlichen Raumes bieten. Und
nicht zuletzt soll jeder - unabhängig von Einkommen, Herkunft und
Lebensstil oder Nationalität - in der Stadt willkommen sein.
Unter diesem Tenor haben Stadtverwaltung und BürgerInnen in Rotterdam sieben Zielbegriffe formuliert, welche die neue Stadterneuerungspolitik charakterisieren: