Rudolf Kuhr
Menschen-Versuche sind nötig!

Versuche an lebenden Menschen sind erforderlich, wenn es zu
gesellschaftlichen und weltweiten Verbesserungen in
zwischenmenschlichen Bereichen kommen soll. Und zwar ausschließlich
Selbstversuche z.B. nach dem Vorbild des Arztes Forßmann mit dem
Herzkatheter. Allerdings mit einem wesentlich geringeren Risiko
für die Gesundheit.

Jeder, der versucht die Probleme ganzheitlich zu sehen, wird
erkennen, daß die Ursachen für menschenunwürdiges Verhalten bei
ethnisch- religiösen Konflikten ihre Wurzeln in irrealen,
traditionellen Vorstellungen haben. In Israel/Palästina ist dies
einerseits z.B. die Berufung auf einen Gott, der seinen Anhängern
ein bestimmtes Land zugesprochen hat. Auf der anderen Seite ist es
die Vorstellung vom Paradies, in welches ein Märtyrer gelangt, wenn
er sich und andere tötet.

Daß diese tieferen Ursachen des Gewaltpotentials von den Betroffenen
nicht erkannt, kritisiert und überwunden werden, das ist angesichts
der Aktualität der Konflikte verständlich. Daß von unserer Seite
diese Ursachen verdrängt werden, das ist angesichts der eigenen
Bindungen an solche irrealen, traditionellen Vorstellungen zwar auch
verständlich, aber nicht zu billigen weil unverantwortlich, ja
unwürdig.

Hierzu ein Zitat: "Das Hereintragen der alten, zum Teil noch
urweltlichen Kultusformen in unsere Zivilisation ist eine monströse
Tatsache und die Stellung, welche der Geistliche, dieses europäische
Äquivalent des amerikanischen Medizinmannes und afrikanischen
Almamy, unter uns einnimmt, ein so insolenter Triumph der Feigheit,
Heuchelei und Geistesträgheit über die Wahrheit und
Gesinnungsfestigkeit, daß er allein genügen würde, um unsere heutige
Kultur als eine durch und durch verlogene, unsere staatlichen und
gesellschaftlichen Lebensformen als schlechterdings unhaltbare zu
charakterisieren." (Max Nordau: Die conventionellen Lügen der
Kulturmenschheit, Leipzig 1883)

Es ist heute nicht mehr zu verantworten, die Spaltung des Menschen
in den einerseits irreal blindgläubigen und andererseits real
sachbezogenen beizubehalten. Ebenso ist es nicht mehr verantwortbar,
die biologischen Gegebenheiten menschlicher Antriebe länger im
Dunkeln zu lassen. Was ist das für eine unwürdige menschliche
Kultur, welche die Tatsache, daß die Gewalt fast ausschließlich
männlich in Erscheinung tritt, nicht hinterfragt und lediglich
soziale Gründe dafür sucht. Hier kommt mir die Passage aus einer
Rede unseres Ex-Präsidenten Roman Herzog in den Sinn, der das
Bemühen, die Verbrechen der Nationalsozialisten aus der
geschichtlichen Erinnerung auszublenden, eine besondere Form
intellektueller Feigheit nannte.

Eine allgemeine Form intellektueller Feigheit ist das Festhalten an
traditionellen Mythen als wesentliche Grundlagen unserer, gern als
christlich-abendländisch bezeichneten Kultur. Es kann nicht ohne
Folgen für das Handeln der Menschen sein, wenn sie schon als Kinder
lernen, grundlegende Fragen des Lebens zu verdrängen und fragwürdige
Vorstellungen zu glauben. Die Vorhaben von Konfliktvermittlern und
Friedensforschern müssen solange reine Symptombehandlung bleiben,
als die Experten eine Einbeziehung der eigenen Person in die
Erforschung und Berücksichtigung der tieferen Ursachen von
Konflikten vermeiden.

Im Zuge der Globalisierung wäre es angebracht, den Menschen in
seiner Ganzheit in politische Überlegungen mit einzubeziehen.
Ganzheitlichkeit und Wahrhaftigkeit würden bedeuten, nicht nur die
Bezüge der eigenen Identität sowie die existentielle
geistig-emotionale Rückbindung zu berücksichtigen, sondern darüber
hinaus auch die Motive des eigenen Denkens und Handelns. Erst ein
solches Vorgehen würde zu den Ursachen und zu nachhaltigeren
Verbesserungen führen. Alles andere bleibt im Rahmen der bisherigen
oberflächlichen und kurzfristigen Lösungen.

Es braucht heute mutige Menschen, die bereit sind zu
Selbstversuchen, um beispielhaft eine durch alle Bereiche der
Persönlichkeit gehende Wahrhaftigkeit zu entwickeln als Grundlage
innerer Sicherheit. Es braucht Menschen, die versuchen, ihren
anerzogenen Glauben an Mythen zu hinterfragen, zu überwinden und
stattdessen einen radikal realitätsbezogenen Glauben anzunehmen, der
sich an den Möglichkeiten verantwortlichen Menschseins orientiert.
Ein Wandel der christlich-katholischen, -evangelischen, -orthodoxen
und sonstigen Kirchen zu humanistischen Kirchen wäre eine epochale,
beispielhafte und menschenwürdige Aufgabe.

Es braucht Menschen, die über ihre ethnische Identifizierung eine
alle Menschen vereinende setzen und sich über Deutschtum, Judentum
und andere separierenden Bekenntnisse hinaus öffentlich zum
universalen Menschentum bekennen. Der technischen und
wirtschaftlichen Globalisierung muß endlich die menschliche folgen,
wenn ein Anspruch auf Menschenwürde aufrecht erhalten und der
unwürdigen tödlichen Gewaltanwendungen wirksam, das heißt ursächlich
begegnet werden soll. Es gilt, ein wahrhaftiges Menschenbild zu
erstellen sowie globale ethische Standards z.B. im nachhaltigen
Rahmen einer entsprechenden Stiftung. Jeder verantwortungsbewußte
Bürger ist zur Mitwirkung und Werbung dafür aufgefordert.

Lesen Sie hierzu:
"Frieden, Demokratie und Religion - Fördert oder behindert Religion
Demokratie und Frieden?"
http://www.humanistische-aktion.de/frieden.htm

Freundliche Grüße

Rudolf Kuhr
Humanistische AKTION



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