Prof. Dr. Hartmut Weber
Kurze Ansprache vor dem Kriegerdenkmal am Hörster Tor zu Beginn des Ostermarsches am 30. April 2002
Heute vor 60 Jahren wurde ich an beiden Unterschenkeln amputiert aufgrund von Erfrierungen beider Füße III. Grades. Freiwillig hatte ich mich gemeldet und bis zuletzt an den Endsieg geglaubt - trotz des Wissens von Kriegs verbrechen! Wir sind in Elternhaus, Schule und Kirche zum absoluten Gehorsam erzogen worden! Der Satz: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen", hatte nach damaliger Auffassung für Christen nur im heidnischen Staat Bedeutung wie für den Apostel Paulus im römischen Staat.

1937 haben wir unseren Pfarrer, der uns konfirmiert hat (Sup. Badenhop, Dreifaltigkeitskirche, Hannover) gefragt, ob Stalin auch Obrigkeit sei - angesichts der in der Nazi-Presse groß herausgestellten Stalinischen Säuberungsprozesse! Er hat uns die pflichtgemäße Antwort nach der damaligen lutherischen Lehre gegeben, daß auch Stalin Obrigkeit sei. Dann war es Hitler natürlich erst recht! - Für diese Obrigkeitslehre sind beide offiziellen Kirchen nie in die Buße gegangen.

Erst nach dem Kriege wurde mir klar, daß ich meine Knochen für ein Verbrechen und einen Verbrecher hergegeben hatte! Wissen unsere Soldaten in Afghanistan ganz genau, wofür sie ihr Leben einsetzen? - Werden sie dies auch noch nach 60 Jahren wissen?

Ich bin im Vergleich zu anderen Kriegsversehrten sehr gut weggekommen.

Wer fragt heute noch nach den Opfern in der Zivilbevölkerung in Bagdad, in Belgrad oder im Kosovo? Das waren ja nur „Kollateralschäden!"

Politiker, die sich für kriegerische Aktionen entscheiden, klammem bewußt oder unbewußt aus, welchen Schaden sie anrichten.

Da nutzen auch keine nachträglichen Totenehrungen. Wir müssen diesen eisernen Ring der Verdrängung sprengen.
 
Ich schließe mit den Versen aus einem Gedicht von Ingeborg Bachmann:

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
und für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls

(Ingeborg Bachmann, Ges. Werke, Bd. l, 19843, zit. nach: die gestundete zeit, 1953, S. 26)



Zurück zur Homepage

Zurück zur Übersicht weitere Stellungnahmen

Zurück zu Übersicht Terror