An Energie hat jedoch kein Verbraucher Interesse. Niemand käme auf die Idee, sich Energie liefern zu lassen, weil ihm der Verbrauch von 64 Wh Strom ein Vergnügen bereitet. Auch Heizöl lassen wir uns nicht liefern, weil es Spaß macht.
Im Gegensatz zu anderen Produkten trägt Energie nicht zur unmittelbaren Befriedigung von Bedürfnissen bei. Wir setzen Energie ein, um damit andere Bedürfnisse zu befriedigen. Das erwähnte Heizöl wird z. B. vom Konsumenten bezogen, um etwas ganz anderes zu erreichen, nämlich eine behaglich warme Wohnung. Die warme Woh-nung ist also die Energiedienstleistung, die wir benö-tigen. Der wirtschaftlich denkende Mensch wird sich also bemühen, das sich selbst gegebene Ziel, eine 20o C warme Wohnung, mit dem minimalen Mitteleinsatz zu erreichen. Diese zu minimierenden Mittel können dabei sowohl einzelwirtschaftlich-ökonomisch zu verstehen sein (ich möchte für die warme Wohnung möglichst wenig bezahlen), als auch globalwirtschaftlich-ökologisch (ich möchte möglichst wenig Rohstoffe verbrauchen, und damit die Umwelt möglichst mit wenig Schadstoffen belasten).
Aus ähnlichen Gründen habe ich mir auch die oben ganannten 64 Wh besorgt. Nicht etwa um meinen Finger in die Steckdose zu stecken und mir durch den elektrischen Schlag angenehme Gefühle zu verschaffen, sondern um etwas ganz anderes zu erreichen. Ich möchte meinen Kaffee warmhalten, den ich während des Schreibens dieses Briefes trinke. Die nachgefragte Energiedienstleistung ist also das Warmhalten von Kaffee für zwei Stunden. Auch hier stellt sich die Frage des Wirtschaftlichkeitsprinzips. Wie kann ich mit einem minimalen Mitteleinsatz mein Ziel, den Kaffee warmzuhalten, erreichen? Auch hier sind die zu minimierenden Mittel sowohl einzel-wirtschaftlich-ökonomisch, als auch globalwirtschaftlich-ökologisch wirksam.
Die Energiedienstleistung "2 Stunden Warmhalten von Kaffee" kann ich grundsätzlich auf zwei Arten erreichen. Entweder ich lasse den Kaffee auf der Warmhalteplatte der Kaffeemaschine stehen und verbrauche 64 Wh Strom, oder ich fülle ihn in eine Thermoskanne. Im ersten Fall bedeutet dies bei dem derzeigen Kraftwerkspark und dessen niedrigen Wirkungsgrad bei der Energieumwandlung einen Einsatz von 200 Wh Primärenergie. Im zweiten Fall wird (jetzt) keine Energie verbraucht.
Wenn ich bereits eine Thermoskanne besitze, ist die zweite Möglichkeit sowohl einzelwirtschaftlich- ökonomisch (ich spare die Kosten für 64 Wh Strom) als auch globalwirtschaftlich-ökologisch sinnvoller, da weniger Strom erzeugt werden muß. Also wird auch weniger Kohle verbrannt, wodurch die Umweltbelastung mit SO2, NOx, CO2 und Staub abnimmt. Wenn ich noch keine Thermoskanne besitze läßt sich berechnen, in welchem Zeitraum sich der Kauf einer solchen Kanne ökonomisch und ökologisch amortisiert hat.
Eine Energiedienstleistung ergibt sich also immer aufgrund verschiedener Kombinationen der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Umwelt.
Das gleiche gilt in dem Beispiel der Energiedienstleistung "warme Wohnung". Diese kann durch hohen Energieeinsatz erreicht werden. Die Energiedienstleistung "warme Wohnung" kann aber auch erreicht werden, indem Maßnahmen der Wärmedämmung ergriffen werden, die zu einem geringeren Energieverbrauch (gemessen in Litern Heizöl) füh-ren.
Das Dilemma für den Nachfrager nach Energiedienstleistungen ergibt sich jedoch oft durch fehlende Daten, um festzustellen, welche Kombination für ihn am wirtschaftlich sinnvollsten (und gleichzeitig ökologisch besten) ist.
Der oben abgedruckte Artikel "Das Prinzip Energiedienstleistung" ist der Broschüre EnergieWende im Main-Kinzig-Kreis Teil I entnommen.
Manch einer mag jetzt sagen: "Was sollen schon 64 Wh, das ist so gut wie nichts!" Wir aber sagen: die Summe machts. Wußten Sie, daß der Energieverbrauch pro Kopf in der DDR 1989 höher war als bei uns? Dennoch sind die Erträge der Unternehmen dort ungleich niedriger, der Wohlstand der Menschen weit unter dem bei uns bekannten Niveau und die Umwelt wesentlich mehr strapaziert als bei uns. Dies haben wir der Tatsache zu verdanken, daß in einem marktwirtschaftlichen System die Energiekosten ein zu berücksichtigender Faktor sind.
Dennoch sind auch hier noch längst nicht alle Möglichkeiten
der rationellen Energieverwendung erreicht. Hier bieten sich neue Chancen
für Mensch und Umwelt, aber auch Chancen, für eine neue Unternehmenspolitik,
für mehr Arbeitplätze und höhere Erträge. Hierzu lesen
Sie bitte das Unternehmenskonzept des Energiedienstleistungsunternehmens.
Kraft-Wärme-Kopplung ist die Devise in Rottweil. Schulzentren, Wohngebiete und ein modernes Bad, das Aquasol, werden in Kraft-Wärme-Kopplung beheizt und mit Strom versorgt. Die Anlagen werden zentral vom Leitstand der Stadtwerke überwacht, sodaß immer Fachpersonal zur Verfügung steht, aber keine langen, teuren Fernwärmeleitungen nötig sind.
Insbesondere der Bürger hat in Rottweil einen großen Vorteil, weil er modernste Energieversorgung ohne hohe Investitionskosten bekommt. Der Energieberater der Stadt kommt zu den Haushalten und bietet ihnen an, die Heizung zu übernehmen, die Investition für eine neue Anlage zu zahlen und dem Kunden hinterher Wärme und Strom zu verkaufen, und zwar billiger als bisher.
So kommt es, daß viele Häuser über moderne Solaranlagen verfügen. Andere Häuser sind an Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen angeschlossen, in wieder anderen hat die EnergieWende-Stadt modernste Gas-Brenn-wertkessel mit Kodensa-tionswärmenutzung eingebaut, wodurch der Wirkungsgrad der Heizung auf phantastische 104 % steigt, gleichzeitig werden bei diesen Anlagen die Stickoxid-Werte um mehr als 50 % gesenkt.
Eine Vielzahl weiterer phantasievoller Projekte zeigt die fort-dauernd innovative Kraft des dortigen Managements, so wird z.B. z.Z. an einem Tunnelprojekt unter der Stadt gebaut, durch das ein unterirdisches Wasserkraftwerk entsteht. In der Planung befindet sich ein Schwachwindkonverter auf der höchsten Erhebung des Ortes. Biomasse und Holzvergasung werden genutzt. Insbesondere die Biogasnutzung hat neben der Energiegewinnung auch noch einen weiteren Vorteil: die Nitratbelastung des Bodens, die eine Gefährdung des Trinkwassers bedeutet, geht zurück.
Stadtwerkedirektor Rettich umschreibt sein betriebswirtschaftliches Konzept so: "Wir ersetzen Energieträger durch Kapital und Ar-beit. So schaffen wir Arbeitsplätze in unserer Stadt und stärken die mittelständische Wirtschaft." Ein Weg, der sich für die Stadt rechnet: neben den Steuern und der Konzessionsabgabe, die die Stadtwerke an die 25.000-Einwohner-Gemeinde zahlt, konnte auch noch ein Jahresgewinn von 2 Mio DM an die Stadt überwiesen werden.
Und bei uns?
Selbstverständlich kann man nicht das Beispiel der Stadt Rottweil völlig auf eine andere Region, auf ein anderes Unternehmen übertragen. Dennoch gibt es Beispiele genug, in den USA, in Dänemark, in der Schweiz aber auch bei uns inder Bundesrepublik. Statt Rottweil hätten wir Saarbrücken anführen können. Oder Flensburg.
Sind auch die Gegebenheiten von Ort zu Ort, von Region zu Region verschieden, so bleibt doch ein Prinzip gleich: Man muß die jeweiligen lokalen Gegebenheiten analysieren, die derzeitige Energiebereitstellung in den einzelnen Teilbereichen den tatsächlich benötigten Energiedienst- leistungen gegenüber stellen und nach Möglichkeiten für Investitionen vom Typ RIN suchen.
Preispauschalisierung
Ein häufig einsetzbares Mittel modernen Energiemanagements in Ver-bindung mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit stellt die Preispauschalisierung dar.
Das Problem für den Energienutzer liegt z. Z. darin, daß sich die Gesamtkosten einer Maßnahme, z. B. einer Heizungsumstellung oder einer Wärmedämmaßnahme aufgrund der fixen Kosten, also der Inve-stition (verteilt auf einen unbekannten Abschreibungszeitraum), und den variablen Kosten für den Energieverbrauch ergeben und daher jede Entscheidung eine Entscheidung unter Ungewißheit ist.
Gäbe es eine Gewißheit über künftige Preise und Kosten, so ließe sich eine Entscheidung leichter treffen. Hier setzt der Gedanke der Preispauschalisierung an.
So könnte das Energiedienstleistungsunternehmen Leasing-Angebote für Heizungsanlagen entwickeln und ggfs. mit Leasing-Unternehmen kooperieren. Für den Energienutzer, den Konsumenten, würde das Installation, Betrieb, Wartung und Lieferung zum monatlichen Pauschalpreis bedeuten
Neben der Zusammenarbeit mit Leasing-Unternehmen ist auch eine solche mit Regieunternehmen denkbar. Im Rahmen eines Wärme-Regie-Programmes würde dieses Unternehmen im Auftrag des Kunden die kom-plette Wärmeversorgung inclusive der Heizungsanlagenentwicklung und den Gesamtaufwand unter Berücksichtigung der Amortisation als monatliche Kosten in Rechnung stellen.
Inwieweit statt dessen Maßnahmen lieber vom Energiedienstleistungsunternehmen durchgeführt werden oder mit dem heimischen Handwerk kooperiert wird, ist aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten individuell zu prüfen.
Um den schrittweisen Übergang in Mehrfamilienhäusern auf dann anzubietende Nahwärme zu ermöglichen, kann z. B. ein Etagenheizungsangebot entwickelt werden, möglicherweise in Kombination mit einer Gas-Etagenheizung. Hierbei ist auch eine Zusammenarbeit z. B. mit den Sparkassen zur Entwicklung eines entsprechenden Finanzierungsprogrammes denkbar.
Dies sind selbstverständlich nur einige wenige Gedanken über
Möglichkeiten, die an den jeweiligen Gegebenheiten des Marktes und
den Entwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens geprüft werden
müssen.
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